Zum Inhalt springen

Neues Gesetz Bundestag will Plastikmüll reduzieren

Eric Matt

Mehrwegbecher statt Einwegbecher, Flaschenpfand statt Flaschenmüll und Recycling statt Neuproduktion – das sind die Ziele eines Gesetzentwurfs, den der Bundestag kürzlich beschloss. Die Opposition zeigte sich aus unterschiedlichen Gründen kritisch.

Person reicht vier Kaffee to go über die Ladentheke

Einwegbecher mit Plastikdeckel oder Burger-Boxen aus Styropor – so funktioniert das Mitnehm-Prinzip unserer Wegwerfgesellschaft. Doch das soll sich mit dem neuen Gesetz nun ändern. © shutterstock.com/G-Stock Studio

„Das Essen liegt mir schwer im Magen“ – dieses unangenehme Gefühl kennt wohl jeder von uns. Während wir meistens nur eine kleine Erholungspause brauchen, kosteten solche Beschwerden einem Wal auf den Philippinen das Leben: Im Magen des verstorbenen Tieres fanden Forscher 40 Kilogramm Plastik. Was sich gruselig anhört, wird zu einem immer größeren globalen Problem: tonnenweise Plastikmüll in unserer Umwelt.

Der Deutsche Bundestag beschäftigte sich kürzlich mit der Frage, wie es gelingt, Plastikmüll zu vermeiden und wiederzuverwerten. Dabei beschloss die Mehrheit der Abgeordneten einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der unter anderem Mehrwegbecher, verpflichtendes Flaschenpfand und besseres Recycling vorsieht.

Wo liegt das Problem?

69 Prozent der Fische in Ost- und Nordsee haben Plastik im Magen. Das geht aus einer Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2016 hervor. Manchmal sind diese Plastikteilchen kleiner als ein Millimeter – also winzig klein. Manchmal können es aber auch mehrere Kilogramm sein – wie bei dem Wal an der philippinischen Küste.

Doch auch bei uns Menschen kann Plastik in der Umwelt gesundheitliche Schäden hervorrufen. Vereinfacht gesagt kann es so sein: Mensch produziert Plastik, Plastik gelangt ins Meer, Fisch isst Plastik, Mensch isst Fisch, Mensch hat Plastik im Körper. Auch im Meersalz, das einige gerne fürs Kochen verwenden, wurde schon Mikroplastik nachgewiesen. Mikroplastik bezeichnet winzig kleine, fürs Auge nicht oder kaum sichtbare Plastikteilchen.

Wieso landet so viel Müll in den Meeren?

Zum einen liegt es wohl daran, dass die Menschen immer mehr Plastikmüll produzieren. Während in den 1950er-Jahren weltweit „nur“ rund 1,5 Millionen Tonnen Kunststoff produziert wurden, waren es im Jahr 2016 ungefähr 348 Millionen Tonnen – Tendenz steigend. Zum anderen liegt es auch daran, dass Plastik oft falsch entsorgt wird oder gar direkt in der Umwelt landet.

Eine Vorgabe der Europäischen Union (EU) aus dem Jahr 2019 möchte dies ändern. Ziel dieser Richtlinie sei, „die Auswirkung von solchen Kunststoffprodukten zu verringern, die besonders häufig als Abfall an europäischen Stränden gefunden wurden“, schreibt die Bundesregierung. Die EU möchte dadurch „die Umwelt und die Meere vor dem negativen Einfluss von Kunststoffen und insbesondere Mikroplastik“ schützen.

Was steht im Gesetzentwurf der Bundesregierung?

Mit ihrem Gesetzentwurf möchte die Bundesregierung die Vorgaben der Europäischen Union umsetzen. Das Gesetz strebe „eine ökologische Fortentwicklung des Verpackungsgesetzes an“.

Wie viel Arbeit das sein kann, zeigt die Länge des Gesetzentwurfes: Auf über 120 Seiten erklärt die Regierung, wie sie zukünftig Plastikmüll vermeiden möchte. Dabei hat sie drei Hauptziele entwickelt.

Erstens: Wiederverwenden statt wegschmeißen

Wer in Zukunft an der Ladentheke steht und einen Kaffee bestellt, kann statt eines Einmalbechers auch einen wiederverwendbaren Becher wählen. Die Gastronomie – beispielsweise Imbisse, Cafés und Restaurants – muss nämlich ab 2023 neben Einwegbechern auch Mehrwegbecher anbieten. Einwegbecher kann man, wie der Name schon sagt, nur einmal benutzen, Mehrwegbecher hingegen mehrmals: und zwar entweder den eigenen mitgebrachten oder einen über Pfandgeld erworbenen.

Durch diese Neuregelung trage die Bundesregierung „dem Bedürfnis der Verbraucherinnen und Verbraucher Rechnung, auf Verpackungen zu verzichten und umweltfreundlichere Alternativen wählen zu können“. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Für kleinere Gastrobetriebe mit maximal 80 Quadratmetern – also beispielsweise zehn auf acht Meter – gilt diese Regelung nicht, wenn sie gleichzeitig maximal fünf Beschäftigte haben.

Zweitens: Recyceltes Plastik für Einwegprodukte

„Erstmals wird ein verpflichtender Mindestrezyklatanteil für eine bestimmte Verpackungsart festgelegt“, schreibt die Bundesregierung über das zweite Hauptziel. Hört sich kompliziert an, ist es aber nicht: Neue Produkte, beispielsweise Einwegverpackungen, müssen zukünftig zu einem bestimmten Anteil aus recyceltem Plastik bestehen. Recycling bedeutet, dass man bereits genutzte Produkte beziehungsweise das Material aufbereitet und wiederverwendet.

Sinn und Zweck der Regelung sei „den Anteil von aus primären Rohstoffen hergestelltem Kunststoff in Getränkeflaschen zu reduzieren und durch einen Mindestanteil an recyceltem Kunststoff zu ersetzen“, so die Regierung. Praktisch setzen das schon heute viele Unternehmen um, auf ihren Produkten liest man dann zum Beispiel: „Flasche besteht zu 60 Prozent aus Altplastik“.

Drittens: Pfandpflicht ausweiten

Als drittes Ziel möchte die Bundesregierung die „Pfandpflicht auf nahezu sämtliche Einwegkunststoffgetränkeflaschen und auf Getränkedose“ ausweiten. Bislang gab es beispielsweise noch Fruchtsäfte ohne Kohlensäure, auf deren Plastikverpackung kein Pfand erhoben wurde. Ab 2022 soll sich dies ändern.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium Florian Pronold (SPD) lobte eingangs in der Debatte: „Heute gehen wir einen weiteren Schritt gegen die Wegwerfgesellschaft.“

Doch was sagten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages über den Gesetzentwurf der Regierung?

AfD fordert mehr Verantwortung der Verbraucher

„Wir leben nicht in normalen, sondern in unnormalen Zeiten. Diese Entwicklung macht auch vor der Abfallwirtschaft keinen Halt“, erklärte der AfD-Abgeordnete Andreas Bleck. Teile der Vorhaben der Bundesregierung jedoch seien „grotesk“ – also absurd und lächerlich wirkend: Bleck kritisierte, dass die Regierung zu stark die Hersteller anstatt die Verbraucher zur Verantwortung ziehe.

Im Unterschied zu Ihnen ist unser Verbraucherbild das Bild eines mündigen Verbrauchers, der verantwortungsbewusst mit der Umwelt umgeht, der zwar aufgeklärt, aber nicht indoktriniert werden möchte“, so Bleck. Daher werde die AfD-Fraktion dem Gesetzentwurf nicht zustimmen, auch wenn es einige positive Aspekte gebe.

FDP: „Ein klein wenig Murks“

Die FDP-Abgeordnete Judith Skudelny sagte, der Gesetzentwurf sei „ein klassisches Beispiel für eine freiwillige Verschlimmbesserung der Situation in Deutschland“. Bei einer Verschlimmbesserung verschlechtert man etwas, obwohl man es ursprünglich verbessern wollte. So habe Deutschland die Vorgaben der EU bereits vor dem neuen Gesetz teilweise erreicht.

Anstatt darauf stolz zu sein, wolle die Regierung aber noch eins obendrauf setzen, was es letztlich jedoch verschlechtere. Laut Skudelny sei das Gesetz „insgesamt ein klein wenig Murks“. So seien manche Maßnahmen „zu pauschal, um tatsächlich überall eine positive Umweltwirkung zu haben. Andere sind bürokratisch, unnötig oder teilweise sogar unmöglich“.

Linke: „Pfandpflicht für alle Getränkeverpackungen“

Auch Ralph Lenkert von der Fraktion Die Linke zeigte sich unzufrieden. So würden Verpackungsmengen weiter steigen und „die privaten Entsorger die Abzocke der kommunalen Entsorger fortsetzen“. Außerdem müssten auch die Bürger durch das Gesetz höhere Müllgebühren zahlen.

Lenkert kritisierte, dass die Pfandrückgabe noch immer nicht für Tetrapacks einerseits und Verpackungen mit weniger als 0,1 Liter Fassungsvermögen andererseits gelte. Dies bringe die Gefahr mit sich, dass Firmen in Zukunft noch mehr Getränke in solchen Verpackungen anböten und diese somit „weiterhin die Umwelt zerstören“. Lenkert erklärte: „Mit diesem Gesetz konterkarieren Sie die Müllvermeidung. Wir fordern eine Pfandpflicht für alle Getränkeverpackungen, ohne Ausnahmen.“

Grüne: „Gesellschaft ist meilenweit voraus“

„In den Hinterhöfen und in den öffentlichen Grünanlagen quellen die Mülleimer über. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft mit gravierenden Auswirkungen für unsere Umwelt und unser Klima“, erklärte Bettina Hoffmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Während 90 Prozent der Bevölkerung mehr für die Umwelt machen wollten, sei der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht ausreichend. „Die Gesellschaft ist der GroKo wieder mal meilenweit voraus“, so Hoffmann. GroKo ist die Abkürzung für Große Koalition, die aktuell aus den Fraktionen CDU/CSU und SPD besteht. In Bezug auf Mehrwegbecher forderte die Grünen-Abgeordnete, dass diese „an der Ladentheke immer das günstigste Angebot sein“ müssten.

SPD: „Guter Tag für das Recycling“

Michael Thews von der SPD-Fraktion bemerkte, dass es insbesondere wichtig sei, Einwegplastik einzusparen. „Sehr viele Abfälle, ungefähr 350.000 Tonnen pro Jahr, fallen momentan im To go-Bereich an: Einwegverpackungen – einmal benutzt, dann weg – sind sofort Müll“, so Thews. Das vorliegende Gesetz führe nun zu „einer starken Verbreitung von Mehrwegsystemen, wodurch deutlich Abfälle eingespart werden“.

Der SPD-Abgeordnete lobte auch die Neuregelung zum Recycling, da es wichtig sei, Abfälle zumindest zu recyclen, wenn man sie schon nicht vermeiden könne. Thews sagte: „Das ist ein guter Tag für das Recycling, wenn wir dieses Gesetz heute hier beschließen werden.“

CDU/CSU: Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft vereinen

„Wir wissen, dass wir alle zu viel Müll produzieren. Ganz klar, auch wir in Deutschland müssen unseren Beitrag leisten, und das machen wir mit diesem Gesetz“, erklärte der CDU/CSU-Abgeordnete Michael Kießling. Deutschland müsse sich fragen, wie es ein möglichst abfallarmes Leben führen, Ressourcenverschwendung reduzieren und Abfälle wiederverwerten könne. Der Gesetzentwurf bringe „Umweltschutz, Wirtschaftlichkeit und gesellschaftliche Akzeptanz zusammen“.

Kießling warnte jedoch davor, die Gastronomie durch zu kurze Fristen zu überfordern. Diese sei durch den Corona-Lockdown ohnehin schon stark gebeutelt. Er kritisierte außerdem „das zunehmende Selbstverständnis, dass wir alle Verantwortung rein auf die Unternehmer abwälzen“.

Der Deutsche Bundestag beschloss den Gesetzentwurf der Bundesregierung mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD. Die Abgeordneten stimmten außerdem über Anträge der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD ab, die jedoch alle abgelehnt wurden.

Die komplette Debatte sowie die Oppositionsanträge findet ihr wie immer auf bundestag.de. Die Sitzung könnt ihr euch im Video anschauen.

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
Mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

Du hast auch Lust, bei uns mitzumischen?

Schreib für uns!

Mehr zum Thema