Ausgaben-Experte Braun (CDU) „Ein Fußballfeld mit meterhohen Geldstapeln“
Die Bundesregierung will dieses Jahr fast 500 Milliarden Euro ausgeben, 140 Milliarden davon sollen mit Schulden finanziert werden. Wie lange ein heute 14-Jähriger helfen muss, diese zurückzuzahlen, erklärt Helge Braun (CDU/CSU), Vorsitzender des Haushaltsausschusses. Außerdem: Wohin fließt das ganze Geld?
Die Bundesregierung soll dieses Jahr fast 500 Milliarden Euro ausgeben dürfen, so der Plan der Koalition. Eine unvorstellbare Summe – wie kann man sie greifbar machen
Das ist in der Tat sehr viel Geld. Es sind ganze elf Nullen mit einer fünf davor. Mit so viel Geld hat kein Mensch in seinem Alltag zu tun. Wenn man versucht, diese Summe zu verstehen, kann man sich Folgendes vorstellen: Man geht in ein Fußballstadion und fängt an, auf dem ganzen Platz dicht an dicht 50-Euro-Scheine hinzulegen. Und wenn der ganze Platz vollgelegt ist, legt man noch eine Schicht obendrauf und dann noch eine Schicht. Bis man 500 Milliarden in einem Fußballstadion ausgelegt hat, muss man so lange Scheine stapeln, bis die Scheine auf dem ganzen Fußballfeld zwei Meter hoch liegen.
In welche Bereiche wird das meiste Geld fließen?
Mit Abstand das meiste Geld wird in den Bereich Arbeit und Soziales fließen, und dort vor allem in die gesetzliche Rentenversicherung. Wir haben in den letzten Jahren immer gesagt, dass die Rente für den Einzelnen nicht unter einen gewissen Anteil des früheren Lohneinkommens sinken darf. Auch Leute, die sehr wenig Geld verdient haben, sollen eine Grundrente erhalten, sodass sie im Alter nicht auf Hartz IV, also Arbeitslosengeld II, angewiesen sind. Deswegen sind von den 500 Milliarden Euro allein 108 Milliarden als Zuschuss für die Rentenversicherung vorgesehen.
Auf der zweiten Position steht, immer noch coronabedingt, der gesamte Gesundheitsbereich. Normalerweise macht der in den Ausgaben des Bundes einen viel kleineren Anteil aus, aber durch die Pandemie – insbesondere durch das viele Testen, das Impfen und die Unterstützung der Krankenhäuser – fließt auch viel Geld in den Gesundheitsbereich.
Und Platz drei nimmt unsere Verteidigungsfähigkeit ein: also Ausrüstung und Betrieb der Bundeswehr.
Welchen Einfluss hat denn der Krieg in der Ukraine auf den Haushaltsplan?
Deutschland unterstützt die Ukraine auf verschiedene Weise. Deshalb finden sich zum einen die Gelder für die direkte Hilfe und Unterstützung der Ukraine im Bundeshaushalt wieder. Aber wir haben auch hier in Deutschland durch den Krieg höhere Kosten. Dazu gehört zum Beispiel die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine.
Insgesamt sind es rund 40 Milliarden, die wir schon jetzt für die Ukraine ausgeben. Und in Kürze kommen wahrscheinlich noch 100 Milliarden für eine bessere Ausstattung und Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr hinzu. Darüber wird in diesen Tagen diskutiert und diese Summe findet sich bisher noch gar nicht im Bundeshaushalt wieder.
Der Haushaltsplan ist rund 3.000 Seiten dick, er enthält hunderte von Einzelposten. Wie kann man sich eine Sitzung des Haushaltsausschusses vorstellen: Wird da über jeden einzelnen Punkt beraten?
Es ist ein ganz besonderes Recht des Parlaments zu entscheiden, wofür in Deutschland Geld ausgegeben wird. Also muss man sehr genau auf die einzelnen Ausgabepositionen schauen. Deshalb geht der Haushaltsausschuss den Haushalt dreimal durch.
Zunächst gibt es Gespräche zwischen den Spezialisten und den Ministerien. Dann gibt es Haushaltsausschusssitzungen, in denen wir über mehrere Wochen jeweils in den Sitzungswochen vier Ministerien im Detail durchdiskutieren. Und ganz am Schluss kommt die eine berühmte Sitzung, die sich Bereinigungssitzung nennt. Da gehen wir wirklich noch einmal alle „Problempunkte“ von allen Ministerien durch, erst dann gilt der Haushalt als fertig beraten.
Diese Bereinigungssitzung fängt morgens um 11 an und hat teilweise schon bis 5 oder 6 Uhr am nächsten Morgen gedauert. Diesmal waren wir um 3 Uhr nachts fertig. Das ist eine sehr anstrengende Sitzung. Aber es ist oft so, dass sich ganz am Schluss noch einmal viele Änderungen ergeben, da zwischenzeitlich etwas passiert ist und sich Situationen neu entwickelt haben. Man geht in dieser Sitzung nicht mehr jeden Punkt durch, aber alle Punkte, die noch strittig sind oder Punkte, die sich neu ergeben haben. Das sind am Ende auch mehrere Tausend, die man dort besprechen muss. Da müssen sich alle sehr konzentrieren und straff mitarbeiten, sonst würde man nie fertig. Es gibt also viel Kaffee und gegen Abend eine kurze Unterbrechung mit einem kleinen Abendessen, damit alle ihre Konzentration behalten.
Die Regierung möchte Kredite von knapp 140 Milliarden Euro aufnehmen. Bedeutet das, dass junge Leute noch viele Jahrzehnte diese Schulden abbezahlen müssen?
Ja, leider. Eigentlich hatten wir in den letzten Jahren, also vor 2020, keine neuen Schulden mehr gemacht. Aber die Corona-Pandemie und nun der Ukraine-Krieg haben dazu geführt, dass wir eine Ausnahmeregelung der Schuldenbremse nutzen mussten. Die Schuldenbremse legt fest, dass der Bund seit 2016 nur noch Schulden in Höhe von 0,35 Prozent der wirtschaftlichen Leistung des gesamten Landes pro Jahr machen darf, also maximal 0,35 Prozent des sogenannten Bruttoinlandsproduktes (BIP). In besonderen Krisensituationen darf aber eine Ausnahme gemacht werden.
Und die Schulden, die jetzt zusätzlich gemacht werden, werden von den jungen Generationen abbezahlt werden müssen – auch die 140 Milliarden im aktuellen Bundeshaushalt. Ab 2028 werden diese Schulden über 30 Jahre zurückgezahlt. Das bedeutet: Wer heute 14 Jahre alt ist, der muss mit den Steuern, die von seinem Einkommen abgehen, mithelfen, diese Schulden abzutragen. Und zwar, bis er 50 Jahre alt ist.
Sie gehören der CDU/CSU-Fraktion an und sind somit Mitglied der Opposition: Wie stehen Sie zum Bundeshaushalt 2022, hätten Sie das Geld anders verteilt?
Wir hätten gerne weniger Schulden gemacht und in diesem Bereich gibt es einen Punkt, den die CDU/CSU-Fraktion besonders kritisch sieht. In den Ministerien werden diesmal sehr viele neue Beamte eingestellt werden, was hohe Kosten verursacht. Und wenn man sowieso schon in einer Situation ist, in der man wieder Schulden macht, muss man unserer Meinung nach gerade an dieser Stelle sparsam sein. Deshalb hätten wir uns gewünscht, dass an dieser Stelle weniger Geld ausgegeben wird.
Sie sind der neue Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Gibt es Aufgaben, die Sie besonders spannend finden?
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat schon eine besondere Position, denn die Haushälter – egal, ob sie aus einer die Regierung stützenden Fraktion oder aus einer Oppositionsfraktion stammen – halten sehr gut zusammen. Sie kontrollieren die Regierung sorgfältig, damit eins nicht passiert: dass irgendwo unnötig oder falsch Geld ausgegeben wird. Da kommt es vor, dass das Parlament der Regierung immer mal selbstbewusst ein Stopp-Signal zeigt. Und dann wird beispielsweise einheitlich beschlossen, dass Geld nicht ausgegeben werden darf oder erst ausgegeben werden darf, wenn sichergestellt ist, dass es auch gut ausgegeben wird. Als Vorsitzender leitet und moderiert man die Sitzung und bereitet die Tagesordnungspunkte vor. Die Rolle als Vorsitzender ist spannend, weil man eine hohe Verantwortung für das Geld der Bürgerinnen und Bürger trägt, das wir als Politiker schließlich nur verwalten.
Zur Person
Helge Braun wurde 1972 in Gießen geboren. Er studierte Humanmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen und promovierte 2007. Seit 1990 ist er Mitglied der CDU, zuvor war er bereits Mitglied der Jungen Union. Im Jahr 2002 wurde er erstmals Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2018 bis 2021 war Helge Braun Chef des Bundeskanzleramts und damit einer der engsten Mitarbeiter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.
(Mira Knauf)