Antrag Infos über Tierhaltung auf Lebensmitteln einführen
Eric Matt
Milch, Eier, Steak oder Käse: Die Ampel-Fraktionen möchten noch dieses Jahr ein verbindliches Kennzeichen für Lebensmittel auf den Weg bringen, das besagt, wie die Tiere gehalten werden.
Steht ihr manchmal vor dem Kühlregal und wisst nicht, welche Wurst oder welche Milch ihr kaufen sollt? Immerhin sehen viele Verpackungen fast gleich aus, die Produkte schmecken oft ähnlich und woher das Zeug kommt – das weiß doch sowieso niemand so ganz genau. Manche nehmen dann einfach das Billigste – was nicht unbedingt das Beste für Tier, Mensch und Umwelt ist.
Mehr Durchblick beim Einkauf für Bürgerinnen und Bürger ist das Ziel der Ampel-Fraktionen. Sie fordern ein verbindliches Tierhaltungskennzeichen und brachten im Bundestag einen entsprechenden Antrag ein. Dadurch soll der „dringend notwendige Aufbruch“ in der Landwirtschafts- und Ernährungspolitik erreicht werden. Von den übrigen Fraktionen kam in der Bundestagsdebatte teils Lob, teils aber auch heftige Kritik.
Was fordern die Ampel-Fraktionen genau?
Die Ampel-Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP möchten durch das Tierhaltungskennzeichen einen „Aufbruch hin zu einer klima-, umwelt- und tiergerechten Landwirtschaft sowie einer zukunftsfähigen und gesunden Ernährungspolitik“ erreichen. Durch das Kennzeichen würde auf den Produkt-Packungen beispielsweise stehen, woher das Fleisch oder der Käse stammt, wie viel Auslauf das Schwein hatte oder welches Futter die Kuh bekam. Dabei soll das Kennzeichen auch Transport und Schlachtung der Tiere umfassen.
Kurz gesagt: Durch das neue Kennzeichen sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher Transparenz darüber bekommen, was sie an der Ladentheke kaufen. Dafür möchten die Ampel-Fraktionen auch „die Nutztierhaltung in Deutschland tiergerecht umbauen“ sowie bis zum Jahr 2030 dreißig Prozent der Flächen in Deutschland für Öko-Landbau nutzen. Weitere Forderungen sind, die Zusammenarbeit auf EU-Ebene zu verbessern, Lebensmittelverschwendung zu verhindern oder auch, „an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt zu beenden“.
Grüne: „Tatsächlicher Aufbruch“
Renate Künast von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erklärte, dass nach „16 Jahren Stillstand jetzt ein tatsächlicher Aufbruch“ stattfinden müsse. Dabei dürfe man den Landwirten jedoch nicht „vorgaukeln“, dass sich nichts verändere. Zukünftig müsse man Gesundheit und Produktionsbedingungen sowie Klima und Tierschutz in den Mittelpunkt stellen. „Was wir nicht weiter tun können und wollen, ist, dass wir sagen: Die Landwirtschaft soll das mal allein regeln“, so Künast.
Die aktuelle Landwirtschaft sei „in einem falschen System, in einer falschen Struktur“. Daher müsse die Politik nun neue Rahmenbedingungen schaffen, um grundlegende Veränderungen zu erreichen, die dann auch im Kampf gegen den Klimawandel helfen. Ein Fünftel des menschgemachten Klimawandels nämlich sei auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Künast sagte: „Wir wollen ein Gesamtpaket auflegen, das wirklich heißt: nachhaltige Alternativen für die Landwirtschaft, nachhaltige Alternativen für das jetzige Ernährungssystem.“
CDU/CSU: Bloße Verlagerung ins Ausland?
„Über Ihre Ziele kann man sich mehr oder weniger einig sein. Aber es geht um die Frage der Umsetzung, und die Antworten darauf sind Sie oft schuldig geblieben“, kritisierte der CDU/CSU-Abgeordnete Hermann Färber. Das von der Ampel geforderte Tierhaltungskennzeichen verlagere das Problem lediglich auf die EU-Ebene und schaffe keinerlei Anreize, um das Tierwohl tatsächlich zu verbessern. „Wenn Sie die Bauern mitnehmen wollen, wenn Sie bei der Verbesserung des Tierwohls schneller vorankommen wollen, dann brauchen die Bauern Perspektiven, sie brauchen Anreize für die Betriebe“, so Färber.
Der Unionsabgeordnete erklärte, dass die Hauptaufgabe von Landwirtschaft die Ernährung der Bevölkerung sei – und erst dann Tierwohl, Klimaschutz oder Biodiversität kämen. Man müsse daher aufpassen, dass nicht durch zu strenge Regeln „die Produktion ins Ausland verlagert wird und von dort dann Produkte mit größerem ökologischem Fußabdruck zurückkommen“.
SPD: „Win-win-Situation“
Laut der SPD-Abgeordneten Luiza Licina-Bode forderten vor allem junge Menschen, dass „der Tierschutz nicht mehr stiefmütterlich behandelt werden“ darf. Daher brauche es neben der Tierhaltungs- auch eine Herkunftskennzeichnung. „Das bringt mehr Transparenz, auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die zunehmend wissen wollen, was sie in ihren Einkaufswagen legen“, so Licina-Bode.
Zukünftig solle sich „die Investitionsförderung danach richten, wie hoch die Haltungskriterien angesetzt werden“. Was das bedeutet? Wer für mehr Tierschutz sorgt, bekommt auch mehr Geld. „Das ist eine Win-win-Situation.“ Die SPD-Abgeordnete forderte, tiergerechte Ställe zu bauen, Anbindehaltung und Tierversuche zu beenden und Lebendtiertransporte zu reduzieren. Bei Lebendtiertransporten werden Tiere in weit entfernte Länder gefahren, um dort geschlachtet zu werden. Die Fahrt und der enge Raum sorgen Experten zufolge für enormen Stress.
AfD: „Ökodiktatorische Ideologie“
„Dieses Papier liest sich wie ein Abbruchprogramm für die deutsche Landwirtschaft: keine konkreten Ideen, keine zukunftstauglichen Innovationen“, kommentierte der AfD-Abgeordnete Frank Rinck. Der Ampel-Antrag strotze vor „ökodiktatorischer Ideologie“. Er kritisierte das Vorhaben, bis 2030 dreißig Prozent der Flächen für ökologischen Anbau zu nutzen, da sich dies negativ auf die Lebensmittelversorgung auswirken werde. „Auffangen wollen Sie das mit Importen aus Ländern, die geringere Standards haben als unsere heimischen Bauern“, so Rinck.
Generell zweifle er daran, dass die Landwirte überhaupt ökologisch wirtschaften wollten. Während der Antrag eine tier- und klimagerechte Landwirtschaft fordere, dächten die Ampel-Fraktionen nicht „eine Sekunde über die Sorgen der Landwirte nach“. Rinck fasste zusammen: „Nach nicht einmal 100 Tagen Ihrer desaströsen Politik ist schon zu erkennen, dass Sie die deutsche Landwirtschaft in den Ruin treiben.“
FDP: „Betrieben steht das Wasser bis zum Hals“
Gero Clemens Hocker von der FDP-Fraktion kritisierte die Unionfraktion, da diese in den letzten 16 Jahren selbst das Landwirtschaftsministerium angeführt habe und ihre Unzufriedenheit daher „eine peinliche Farce“ sei. Daher sei nun das Ziel der neuen Regierung, die „größten Versäumnisse der letzten 16 Jahre anzugehen“. Um die Verbraucher in die Pflicht zu nehmen, sei ein Tierhaltungskennzeichen wichtig, da dann niemand mehr sagen könne, er wisse nicht, woher die Produkte stammten.
Der FDP-Abgeordnete forderte gesamteuropäische Standards, um für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Hocker beendete seine Rede: „Landwirtschaft hat nicht 16 Jahre, nicht zwölf Jahre, nicht zehn oder fünf Jahre Zeit. Vielen Betrieben in Deutschland steht das Wasser bis zum Hals, und wir werden dafür sorgen, dass sie auch in Deutschland wieder eine Perspektive bekommen.“
Linke: „Geld in die Hand nehmen“
„Neuausrichtung für mehr Umwelt-, Tier- und Klimaschutz im Einklang mit den Interessen der Landwirtinnen und Landwirte, das klingt vielversprechend und ist dringend nötig“, lobte Ina Latendorf von der Fraktion Die Linke. Jedoch reichten Forderungen nicht aus, sondern es brauche auch konkrete Maßnahmen und die finanziellen Mittel, da es den „geforderten Umbau nicht für lau“ gebe. „Sie müssen für eine sozial-ökologische Strukturförderung Geld in die Hand nehmen“, kommentierte Latendorf. Ohne eine ausreichende Finanzierung sei auch das Ziel von 30 Prozent Öko-Landbau ab 2030 nicht erreichbar. Der Antrag lasse vor allem eines vermissen: „Eine Honorierung sozialer Leistungen. Der alleinige Fokus auf Klima- und Umweltleistungen ist mir zu einseitig.“ Latendorf verwies darauf, dass es auch für sozial schwächere Familien möglich sein müsse, sich eine gesunde Ernährung zu leisten.
Die komplette Bundestagsdebatte seht ihr hier im Video, das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de.
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.