Experten zu Gesetzentwurf Regierung: Bienen, Schmetterlinge und Co schützen
Warum verschwinden so viele Insekten? Was plant die Regierung, damit es wieder summt und brummt in der Natur? Und vor allem: Was sagen Expertinnen und Experten dazu? Darum ging es kürzlich im Umweltausschuss.
In Deutschland gibt es immer weniger Insekten. Das ist schlecht für unser Ökosystem. Denn Bienen, Schmetterlinge und Co bestäuben Pflanzen und sind Nahrung für zahlreiche Tiere. Seit Jahren geht die Zahl der Insekten zurück, viele Arten sterben aus. Gründe dafür gibt es einige: Zu viel Dünger und Pflanzenschutzmittel, sagen viele Forscher. Dazu immer mehr Beton statt Wiesen, Stadtlichter statt schwarzem Nachthimmel.
Anhörung zum Insektenschutz
Was die Bundesregierung gegen das Insektensterben tun will, war Mitte April Thema einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses. Mit dabei waren zehn Expertinnen und Experten, darunter Umweltwissenschaftler und Landwirte. Vor allem von letzteren erntete die Regierung jede Menge Kritik für ihre Insektenschutzpolitik. In einem Punkt waren sich aber alle Sachverständigen einig: Es muss dringend gehandelt werden.
Im Mittelpunkt des Treffens stand ein Gesetzentwurf, mit dem die Regierung das Bundesnaturschutzgesetz ändern und so Insekten in Deutschland besser schützen will. Sie sagt: Um die Lebensbedingungen von Insekten zu verbessern, müssten zügig konkrete Maßnahmen her. Gleichzeitig wolle sie aber auch die Interessen der Landwirte berücksichtigen. Dem Gesetzentwurf liegt das Aktionsprogramm Insektenschutz zugrunde, das das Kabinett im September 2019 verabschiedet hatte und mit dem die Regierung das Insektensterben bekämpfen will.
Dabei war es „nicht ganz einfach“, das Gesetz auf den Weg zu bringen, wie die Ausschussvorsitzende Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) sagte. Schließlich sei es ein „durchaus streitiges Thema“. Auch, weil sich Interessen des Landwirtschaftsministeriums und des Umweltministeriums gegenübergestanden hätten. Das Ergebnis sei ein Kompromiss. Was genau steht darin?
Was plant die Regierung?
Eine der Maßnahmen ist es, wichtige Lebensräume von Insekten – Streuobstwiesen, artenreiches Grünland, Trockenmauern und Steinriegel, wozu etwa auch Steinwälle gehören, – als Biotope per Gesetz zu schützen. Auch sollen nach dem Willen der Regierung bestimmte Biozide, also Chemikalien zum Bekämpfen von Insekten, in einigen Schutzgebieten nicht mehr verwendet werden dürfen.
In Naturschutzgebieten und Nationalparks will die Regierung außerdem neue Straßenbeleuchtungen verbieten, sie will den Einsatz von Himmelsstrahlern, auch Skybeamer genannt, einschränken und bestimmte Insektenfallen im Freien untersagen. Das hat den Hintergrund, dass solche künstlichen Lichtquellen Insekten anlocken, die dort vor Erschöpfung verenden oder Fressfeinden wie Spinnen und Fledermäusen zum Opfer fallen.
FDP fordert mehr Forschung
Auf der Tagesordnung stand außerdem ein Antrag der FDP-Fraktion. Darin sprechen sich die Liberalen für eine „ergebnisorientierte Insektenschutzpolitik“ aus und fordern, dass die Regierung ihre Maßnahmen auf wissenschaftliche Erkenntnisse aufbaut. Die Antragsteller sagen: „Um zu untersuchen, ob es politischen Handlungsbedarf zum Schutz der heimischen Insekten gibt, ist eine umfangreiche wissenschaftliche Analyse des Ausgangszustandes notwendig.“
Konkret verlangt die Fraktion mehr Wissen über den Zustand der Insekten hierzulande. Und sie macht sich dafür stark, ein klares Ziel zu formulieren. Sollen die Maßnahmen dafür sorgen, dass es mehr Insekten gibt? Oder geht es um eine große Vielfalt – also mehr Insektenarten? Die Liberalen fordern: Es müsse mehr geforscht werden, „damit die Insektenschutzpolitik kein Schuss ins Blaue“ werde. Außerdem sprechen sie sich dafür aus, Landwirtschaft und Naturschutz zusammen zu denken. Eine erfolgreiche Insektenschutzpolitik sei nur mit der Landwirtschaft möglich – nicht gegen sie.
Landwirtschaft ist Teil der Lösung
Wie sieht der aktuelle Wissensstand beim Thema Insektensterben aus? Das fasste Prof. Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung zusammen. Besonders betroffen sind laut dem Experten wildlebende Bestäuber: So seien weltweit mehr als 40 Prozent der Bienenarten gefährdet. Der Biologe sprach sich dafür aus, die Landwirtschaft im Kampf gegen das Insektensterben nicht als Feind zu betrachten, sondern als Teil der Lösung.
Rückenwind bekam die Regierung für ihren Gesetzentwurf von Dr. Torsten Mertins von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. „Der Insektenschutz ist ein wichtiges kommunales Anliegen“, so der Sachverständige. Die geplanten Regelungen seien „gut und richtig“. Allerdings gab Mertins zu bedenken, dass es eine Sache sei, ein Gesetz zum Insektenschutz zu verabschieden. Die tatsächliche Umsetzung vor Ort sei eine andere. In den Kommunen bedürfe es dafür „erhebliche Kapazitäten“.
Landwirte sind gegen mehr Regeln und Gesetze
Kritik gab es von Georg Mayerhofer, der in Niederbayern einen Familienbetrieb bewirtschaftet. Als Landwirt, Jäger und Imker habe er ein „großes Verständnis für die Belange der Natur, der Biodiversität und der Artenvielfalt“, sagte Mayerhofer. Ihm sei es ein Anliegen, Landwirtschaft weiterzuentwickeln und „die enormen Herausforderungen“ anzunehmen. Allerdings: „In den letzten Jahren wurde das Leben von uns Landwirten immer schwieriger und komplexer.“ Maßnahmen liefen häufig an der Praxis vorbei. Mayerhofer forderte mehr Forschung und finanzielle Unterstützung für Landwirte – statt „noch mehr Gesetze und Regelungen.“
Das Aktionsprogramm setze zu sehr auf Verbote und Auflagen, kritisierte auch Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband. Er sagte: Insektenschutz sei für Landwirte ein sehr wichtiges Thema. Sie stellten sich diesem Ziel. Allerdings lege das Aktionsprogramm den Fokus zu sehr auf die Landwirtschaft, viele andere Ursachen würden ausgeklammert. Die Landwirte forderten deshalb unter anderem, alle gesellschaftlichen Gruppen einzubeziehen.
Ökotoxikologe fordert weniger Pestizide
Zustimmung fand der Regierungsentwurf bei Prof. Dr. Sabine Schlacke vom Institut für Umwelt- und Planungsrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er setze Anreize für einen stärkeren Insektenschutz und verankere nötige Verbote, sagte die Expertin. Ein paar Änderungsvorschläge wollte sie dem Ausschuss dennoch mit auf den Weg geben: Zum Beispiel schlug sie vor, ein neues Ziel aufzunehmen, nämlich den Schutz der Nachtlandschaft. Das heißt, dass Lichtverschmutzung, also zu viel Lichtquellen, die den Nachthimmel erhellen, stärker eingeschränkt werden sollte.
Aus Sicht von Dr. Carsten Brühl vom Institut für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau liegt die Hauptursache des Insektenrückgangs in der Agrarlandschaft im Einsatz von Pestiziden, also sogenannten Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Als Ökotoxikologe beschäftigt sich Brühl mit den Auswirkungen von Pestiziden auf die Umwelt. Dass Pestizide im Ackerbau in Naturschutzgebieten verboten werden sollen, begrüßte Brühl. Allerdings betreffe dies gerade einmal 0,35 Prozent der Ackerfläche in Deutschland. Der Experte forderte, es brauche große zusammenhängende pestizidfreie Flächen, generell weniger Pestizide und mehr Flächen, die biologisch bewirtschaftet würden.
„Graben zwischen Landwirtschaft und Naturschutz“
Gegenwind kam von Dr. Hubert Heilmann von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern. Der Gesetzentwurf verfolge „keinen kooperativen Naturschutzansatz“ und sei „eher ein Rückschritt“, kritisierte Heilmann. Statt gesellschaftliche Leistungen zu fördern, ginge es darin um Bestrafung. Der Experte mahnte: Der Graben zwischen Landwirtschaft und Naturschutz müsse zugeschüttet und nicht vertieft werden. Letzteres sei aber durch den Gesetzentwurf mit seinen Verboten der Fall.
Verbesserungsbedarf sieht auch Dr. Holger Hennies, Landwirt und Vorsitzender des niedersächsischen Bauernverbandes. Als Positivbeispiel stellte er den Abgeordneten den „niedersächsischen Weg“ vor, der vor allem auf freiwillige Maßnahmen der Landwirte setze. Dieser sei allerdings durch das Aktionsprogramm Insektenschutz gefährdet.
„Wir haben ein Handlungsdefizit“
„Das Prinzip der Freiwilligkeit ist ohne Alternative“, sagte Dr. Jürgen Metzner, Geschäftsführer des Deutschen Verbands für Landschaftspflege. Jedoch brauche jede Freiwilligkeit auch einen Rahmen. Zwar bedeute das Gesetz erste wichtige Schritte, aber die Werkzeuge passten noch nicht. Metzner sprach sich zum Beispiel dafür aus, attraktive Anreize für landwirtschaftliche Betriebe zu schaffen.
Der Insektenrückgang sei eine Tatsache, die durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt sei, sagte Dr. Beate Jessel. Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz ist überzeugt: „Wir haben kein Erkenntnisdefizit, wir haben ein Handlungsdefizit“. Weil die Gründe für den Insektenrückgang vielfältig seien, begrüße sie den vielseitigen Ansatz des Gesetzentwurfes. Allerdings seien weitere Schritte notwendig, zum Beispiel im Bereich Pflanzenschutzmittel.
Die gesamte Anhörung findet ihr auf bundestag.de oder könnt ihr euch im Video anschauen.