Expertenanhörung Wohin mit dem Schrott?
Eric Matt
10,3 Kilogramm – so viel Elektroschrott schmeißen wir im Schnitt pro Person jährlich weg. Zu viel davon landet im Hausmüll oder in der Natur. Das will die Bundesregierung mit einem neuen Gesetz ändern. Von Experten gab es Lob und Kritik.
Ein unbrauchbares Handy in der Schublade, eine kaputte Waschmaschine im Keller, ein veralteter Fernseher auf dem Dachboden – in unseren Haushalten verbirgt sich eine Menge Elektroschrott. Diesen dürfen wir nicht in den normalen Müll schmeißen, sondern müssen ihn an speziellen Rücknahmestellen entsorgen.
Die Bundesregierung möchte die Anzahl dieser Rücknahmestellen erhöhen und dafür sorgen, dass mehr Elektroschrott eingesammelt wird. Dazu hat sie den Entwurf für ein Gesetz vorgelegt: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes. Wie beurteilen Experten die Pläne der Regierung? Das wollte der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit in einer öffentlichen Anhörung wissen.
Wo liegt das Problem?
853.000 Tonnen – so viel Schrott an Elektro- und Elektronikgeräten haben die Deutschen im Jahre 2018 entsorgt. Eine Tonne entspricht 1.000 Kilogramm. Das bedeutet, dass in Deutschland eine Person jährlich im Durchschnitt 10,3 Kilogramm an Elektroschrott wegschmeißt. Das sind 0,2 Kilogramm mehr als ein Jahr zuvor und sogar 1,5 Kilogramm mehr als im Jahre 2015. Die Zahlen stammen aus einer aktuellen Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes.
Im Vergleich mit anderen Staaten der Europäischen Union (EU) produziert Deutschland viel Elektroschrott: Der EU-weite Durchschnitt pro Bürger liegt bei „nur“ 8,9 Kilogramm pro Person, wie das Statistische Bundesamt im März diesen Jahres berichtete.
Für die Entsorgung von Elektroschrott gibt es besondere Rücknahmestellen, da es verboten ist, diesen in den gewöhnlichen Hausmüll oder gar in die Natur zu schmeißen. Dort wird gesammelt – wie viel, bestimmt die EU: Seit 2019 gibt es von der Europäischen Union eine neue Vorgabe zur Sammelquote von Elektroschrott. Diese besagt, dass die Mitgliedsstaaten mindestens 65 Prozent der Elektro- und Elektronikgeräte sammeln müssen, und zwar 65 Prozent der durchschnittlich in den drei Vorjahren neu in den Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte.
Thema Elektroschrott
Bundesregierung möchte mehr Rücknahmestellen
Mit ihrem Gesetzentwurf möchte die Bundesregierung diese Vorgaben der Europäischen Union erfüllen. Dies sei bisher noch nicht gelungen. „Mit einer Sammelquote von 43,1 Prozent für das Berichtsjahr 2018 liegt Deutschland noch weit unter der vorgegebenen europäischen Zielmarke“, erklärt die Bundesregierung.
Ein weiteres Problem sei, dass zu wenig Elektroschrott recycelt werde. Recycling bedeutet, dass man bereits genutzte Produkte beziehungsweise das Material aufbereitet und wiederverwendet. Dies sei wichtig, da „im Sinne der Abfallhierarchie und des Ressourcenschutzes eine längere Lebensdauer und Nutzung von Elektro- und Elektronikgeräten unabdingbar“ sei.
Die Bundesregierung möchte diese Ziele unter anderem dadurch erreichen, indem sie mehr Rücknahmestellen für Elektroschrott bereitstellt. So sollen zukünftig auch Lebensmittelgeschäfte Elektroschrott zurücknehmen, wenn sie „über eine Gesamtverkaufsfläche von mindestens 800 Quadratmetern verfügen und mehrmals im Kalenderjahr oder dauerhaft auch Elektro- und Elektronikgeräte anbieten“. Bisher mussten das beispielsweise nur Elektrofachmärkte oder Baumärkte.
Was halten Experten von den Plänen?
Illegale Entsorgung stoppen
„Wir müssen politisch mehr machen, um die Langlebigkeit von Produkten, um die Reparierbarkeit und Wiederverwendung von Produkten zu stärken“, sagte Tim Bagner von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände.
Besonders wichtig sei außerdem zu verhindern, dass Elektroschrott illegal entsorgt werde. Es benötige daher mehr „Verbrauchersensibilität und Aufklärung, wo der richtige Entsorgungsweg ist“. Gleichzeitig sei es ebenso richtig, dass nun auch der Lebensmittelhandel stärker in die Verantwortung genommen werden soll.
Verschiedene Maßnahmen kombinieren
Christian Eckert, Leiter der Abteilung Umweltschutzpolitik beim Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), erklärte, dass man die Sammelmenge von Elektroschrott nur durch die Kombination mehrerer Maßnahmen erhöhen könne.
„Insgesamt erkennen wir bei dem vorliegenden Vorschlag zahlreiche Maßnahmen, um zu dieser Erhöhung der Sammelmenge beizutragen. Daher bewerten wir einen Großteil der angestrebten Maßnahmen als positiv“, lobte Eckert den Gesetzentwurf. Jedoch müssten einzelne Stellen des Gesetzentwurfes noch abgeändert werden.
„Da geht noch was“
„Mit Blick auf den Klimawandel wird es immer bedeutender, die Rohstoffverwertung vollständig hinzubekommen, denn auch die Energiewende muss mit guten Rohstoffen versorgt werden“, erklärte Herwart Wilms, der Geschäftsführer des Entsorgungsunternehmens Remondis ist.
Der Gesetzentwurf gehe zwar in die richtige Richtung, jedoch bemerkte Wilms auch: „Meine Damen und Herren, da geht noch was.“ So bleibe das Gesetz beispielsweise „hinter seinen Möglichkeiten und eigenen Ansprüchen zurück. Die vorgesehenen Änderungen werden aus unserer Sicht nicht ausreichen“.
Auf drei Geräte begrenzen
Als Experte war auch Benjamin Peter geladen, der Abteilungsleiter Umweltpolitik beim Handelsverband Deutschland (HDE) ist. Er erklärte, dass man durch den Gesetzentwurf 25.000 neue Rücknahmestellen errichten müsse, was zu einer großen Belastung führe. Insbesondere in Innenstädten sei es für viele Geschäfte nämlich schwierig, ausreichend Platz zu schaffen, um den Elektroschrott lagern zu können.
Der Experte erklärte daher: „Die Rücknahme sollte für den Handel nur in haushaltsüblichen Mengen erforderlich sein. Deswegen plädieren wir dafür, dass die Gesamtzahl der zurückgegebenen Geräte auf drei begrenzt wird, damit die Rückgabe gleichmäßiger und auf mehrere Marktbesuche verteilt wird.“
„Immer mehr Energie- und Wasserverbrauch“
„Der Verbrauch kritischer Rohstoffe steigt stark an. Es ist der am schnellsten wachsende Abfallstrom global, europa-, und deutschlandweit“, erklärte Sascha Roth, Referent für Umweltpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU).
Um Elektro- und Elektronikgeräte herzustellen, entstehe „immer mehr Abfall, mehr Chemikalieneinsatz, mehr Energie- und Wasserverbrauch“. Die Digitalisierung würde diese Entwicklung noch weiter verstärken. Die Probleme ließen sich nicht nur durch Sammel- und Recyclingquoten beheben. Es brauche ebenso neue Gesetze, die hälfen, Produktion und Konsum zu verändern.
„Rücknahme durch Handel gescheitert“
„Eine klare Zielorientierung zu mehr Nachhaltigkeit muss tiefer greifen. Noch immer sind Forderungen nach einer verbindlichen Langlebigkeit oder Reparaturfreundlichkeit nicht erschöpfend beantwortet“, kritisierte Uwe Feige vom Kommunalservice Jena.
Sowohl die Vorgaben der Europäischen Union als auch der Gesetzentwurf der Regierung setzten auf „Masse vor Klasse“. Die Rücknahme von Elektroschrott „durch den Handel darf in Summe als gescheitert bezeichnet werden“. Feige sprach sich daher für eine Stärkung der kommunalen Strukturen aus.
Proteste mit Verletzten und Toten
„Wir haben ein großes Problem in Bezug auf Rohstoffe. Deutschland ist der fünftgrößte Verbraucher von metallischen Rohstoffen“, erklärte Johanna Sydow, Mitglied der Vereine Germanwatch und Runder Tisch Reparatur. Es sei daher nicht möglich, sich die Sammelquoten schönzureden, „sondern wir müssen schauen, dass wir wesentliche Fortschritte machen“. Schon heute führe die Rohstoffbeschaffung zu immer mehr Protesten, bei denen es zu vielen Verletzten und Toten vor Ort komme.
Außerdem würden die Metalle, die in Elektro- und Elektronikgeräten enthalten sind, sieben Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachen. Treibhausgase sind laut den allermeisten Wissenschaftlern für den Klimawandel maßgeblich mitverantwortlich.
Die komplette Anhörung findet ihr wie immer auf bundestag.de und hier im Video:
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.