Zum Inhalt springen

Plan für vier Jahre „Deutschland ist ein starkes Land“

Eric Matt

Corona, Klima oder etwa Digitales  – in seiner ersten Regierungserklärung erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), wohin er Deutschland steuern möchte. Kritik kam aus der Opposition. Der Kanzler gebe „blumige Versprechen“, er zeige sich zu wenig begeistert, seine Politik gleiche einer „Geisterfahrt".

Scholz am Rednerpult des Bundestages bei seiner ersten Regierungserklärung

Die Klimaneutralität, so Scholz in seiner Regierungserklärung, sei Deutschlands größte Transformation seit 100 Jahren. © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Wohin geht die Reise? Was soll in Deutschland in den nächsten vier Jahren passieren? Was plant die Bundesregierung? Antworten auf diese Fragen gab es von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch, den 15. Dezember, im Deutschen Bundestag. Der Regierungschef gab seine erste Regierungserklärung ab. Dies hat Tradition: Jeder Bundeskanzler oder jede Bundeskanzlerin gibt zu Beginn der Amtszeit eine Erklärung ab, in der er oder sie die geplante Regierungspolitik vorstellt.

Scholz äußerte sich beispielsweise zur Coronapandemie, zum Klimawandel, zur Globalisierung und Digitalisierung oder auch zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Breite Zustimmung erhielt der Bundeskanzler von den Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, die die Regierung stützen. Teils heftige Kritik übten hingegen die Oppositionsfraktionen.

Scholz: „Wir werden den Kampf gewinnen“

„Vor uns liegen große Aufgaben. Wir haben keine Zeit zu verlieren“, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz zu Beginn seiner Rede. Dies gelte insbesondere für die Coronapandemie. Hierzulande gebe es „viel zu hohe Infektionsraten“, erschöpftes Gesundheitspersonal und lange Schlangen vor den Impfstationen. Zu alldem komme nun noch die Virusvariante Omikron. Dennoch zeigte sich Scholz kämpferisch: „Wir werden diesen Kampf gewinnen. Wir werden die Krise überwinden.“

Hierfür sei wichtig, dass sich möglichst viele Menschen impfen ließen. Die Mehrheit der Gesellschaft verhalte sich „solidarisch, vernünftig und vorsichtig“. Jedoch gebe es auch eine „kleine extremistische Minderheit“, die Verschwörungstheorien und Desinformationen verbreite. Scholz erklärte: „Dieser winzigen Minderheit der Hasserfüllten werden wir mit allen Mitteln unseres Rechtsstaats entgegentreten. Unsere Demokratie ist eine wehrhafte Demokratie.“

„Regierung des Fortschritts“

Scholz sprach auch andere Themen an: So versprach er eine „Regierung des technischen, des sozialen, des gesellschaftlichen und des kulturellen Fortschritts“. Der Kanzler forderte ein „entschlossenes, systematisches und international abgestimmtes Vorgehen“, um die Klimaziele einzuhalten. Zur Erklärung: Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahre 2045 klimaneutral zu sein. Das bedeutet, dass wir nicht mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre geben (emittieren), als wir beispielsweise durch Wälder aufnehmen könnten. Laut Scholz liegt „damit die größte Transformation seit mindestens 100 Jahren“ vor Deutschland.

Scholz kündigte zudem milliardenschwere Ausgaben beispielsweise für neue Wohnungen, Schienenwege, Ladesäulen oder Stromnetze an. Außerdem forderte Scholz eine „gerechte Globalisierung“ und einen „digitalen Aufbruch“. Der Kanzler versuchte, Mut zu machen: „Unser Deutschland ist ein starkes Land. Wir alle gemeinsam haben nicht den geringsten Grund, uns vor der Zukunft zu fürchten – ganz im Gegenteil.“

Soweit die Regierungserklärung des Bundeskanzlers. Und was sagten die Bundestagsabgeordneten zur Rede Scholz‘?

CDU/CSU: „Fortschritt braucht Begeisterung“

„Ich erwarte von einem Kanzler in der ersten Regierungserklärung nicht, dass er kleinteilig den Koalitionsvertrag referiert, sondern, dass er die großen Linien zeigt“, kritisierte der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus. Er kommentierte: „Fortschritt und Zukunft braucht Begeisterung.“ Diese aber habe Scholz nicht gezeigt.

Die CDU/CSU-Fraktion hingegen habe „ein Bild von diesem Land“. Daher wolle man nicht immer nur dagegen halten, sondern eine konstruktive und „gestaltende Opposition“ sein. Was gut sei, unterstütze die Unionsfraktion. Was schlecht sei, lehne sie ab. „Ich kann Ihnen die Hand dazu reichen, dass unsere Fraktion jederzeit bereit ist, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“, versicherte Brinkhaus.

Durch die Coronapandemie und weitere Krisen hätten die Bürgerinnen und Bürgern jedoch ihr Lächeln verloren. Er forderte daher: „Es muss unser gemeinsames Ziel sein, dass wir dieses Lächeln wieder zurückgewinnen, und so wollen wir engagiert Politik machen.“

Grüne: „Wir leiten die Wende ein“

Katharina Dröge von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bedankte sich bei den Unionsabgeordneten „für das Angebot, konstruktiv zusammenzuarbeiten“. Die neue Co-Fraktionsvorsitzende erklärte jedoch auch: „Es wurde dringend Zeit, dass dieses Land eine neue Regierung bekommt, die die Herausforderungen der Zukunft angeht und nicht nur darüber spricht, was nicht geht.“ Zuvor habe man nämlich immer nur dann etwas getan, „wenn es wirklich gar nicht mehr anders möglich war“.

Dies zeige sich vor allem im Kampf gegen den Klimawandel. „Mit diesem Koalitionsvertrag leiten wir die Wende ein“, so Dröge. Hierbei denke die Ampel-Koalition ganzheitlich und wolle in allen Sektoren etwas verändern. Dazu gehörten beispielsweise Veränderungen zugunsten des Klimas in der Verkehrspolitik, der Wirtschaftspolitik oder auch bei den Erneuerbaren Energien. Das sind die Energien wie Wind- oder Sonnenkraft, die nahezu unerschöpflich verfügbar sind. Dröge forderte die Opposition auf, mitzuhelfen: „Die Aufgabe ist so groß, dass wir das nur gemeinsam schaffen. Dafür braucht man die Opposition genauso wie die Regierung.“

AfD: „Es ist eine Geisterfahrt“

„Der lärmende Fehlstart, den ihre aus links-grünen Betonköpfen und umgefallenen Liberalen zusammengezimmerte Regierung hingelegt hat, sucht seinesgleichen“, kommentierte die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. Die Ampel-Koalition gehe von Beginn an „auf Konfrontationskurs mit der Realität, mit der Freiheit, mit den Bürgern und mit den europäischen Nachbarn“.

Sie kritisierte unter anderem, dass das Bundesinnenministerium vor allem Rechtsextremismus bekämpfen wolle, wobei der „allgegenwärtige Links- und Islamextremismus“ nur wenig thematisiert werde. Die FDP sei dabei der „Steigbügelhalter für grün-linke Projekte und Allmachtsfantasien“ und Scholz durch seine Corona-Politik ein „Kanzler der Spaltung“. Weidel warnte vor „eskalierender Messergewalt, Rohheitsdelikten und der wachsenden Unsicherheit“. Sie resümierte: „Es ist eine Geisterfahrt. Korrigieren Sie diesen Kurs! Einen Sie dieses Land, statt es weiter zu spalten.“

FDP: „Das ist einfach nur dumm“

„Die Pandemie hält unser Land nach wie vor in Atem. Wir sind in einer vierten Welle“, merkte der neue FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr an. Anders als vor einem Jahr aber gebe es keine flächendeckenden Schließungen und Ausgangssperren. Dies liege unter anderem daran, dass man derzeit so viel impfe wie noch nie zuvor.

Wichtig sei nun aber auch, die Wirtschaft nach der „coronabedingten Krise auf den Wachstumspfad zurückzubringen“. Dazu forderte er unter anderem „massive Investitionen in Bildung“ und bezahlbare Wohnungen. Noch immer nämlich hingen die Chancen junger Menschen zu oft von Herkunft und Elternhaus ab. Die Ampel-Koalition wolle das „Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft“ wieder einlösen.

Dürr kritisierte die Unionsfraktion, da diese vor einem „strammen Linkskurs und offenen Grenzen“ warne. Er kommentierte: „Das sind Worte, die Rechtspopulisten verwenden. Das ist nicht konservativ. Das ist einfach nur dumm.“

Linke: „Blumige Versprechen“

Amira Mohamed Ali von der Fraktion Die Linke erklärte: „Es ist Zeit zu klotzen und nicht immer nur zu kleckern, Herr Scholz.“ So würde der Bundeskanzler das Gesundheitspersonal zwar loben, an deren Bezahlung aber nichts ändern. Die Linken-Fraktionsvorsitzende findet das „unglaublich“. Als Ergebnis hätten viele Pflegerinnen und Pfleger „ernüchtert ihren Beruf an den Nagel gehängt“.

Daher müsse nun das gesamte Gesundheitssystem „vom Kopf auf die Füße gestellt werden“. Hierbei dürfe es nicht um Wirtschaftlichkeit, sondern lediglich um die Gesundheit von Menschen gehen. Viele Bürgerinnen und Bürger würden sonst „den letzten Rest Vertrauen in die Politik verlieren“. Anstatt konkreter Lösungen aber gebe die Bundesregierung nur „blumige Versprechen“ ab. Ali kritisierte, auch, „dass das normale Leben immer teurer und teurer wird“, die Löhne aber nicht anstiegen.

SPD fordert „bahnbrechende Transformation“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich erklärte, die aktuelle Pandemie sei „eine Existenzfrage für die Demokratie und für die gesamte Gesellschaft“. Um hierbei erfolgreich zu sein, brauche es vor allem eines: „Impfen, impfen, impfen.“

Über eine Impfpflicht aber müsse man „gewissenhaft, differenziert und offen“ debattieren. So gebe es auch SPD-Abgeordnete, die eine Impfpflicht kritisch sähen. „Deswegen brauchen wir eine Grundsatzdebatte in diesem Haus. Wir wollen sie ermöglichen“, erklärte Mützenich.

In den nächsten Jahren gebe es weitere Aufgaben, die „riesengroß und umfassend“ seien. Dabei brauche es eine „bahnbrechende Transformation“ in verschiedenen Bereichen: dem Klimawandel, der Qualifizierung und Weiterbildung, dem Mindestlohn oder auch im BAföG-System – also der staatlichen Unterstützung von Schülern und Studierenden. Mützenich erklärte: „Durch Vernunft, Konzentration und Überzeugung wollen wir helfen, Gutes zu schaffen.“

Was ist eine Regierungserklärung?

Zu Beginn seiner oder ihrer Amtszeit gibt der jeweilige Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin vor dem Bundestag eine Regierungserklärung ab. Dabei stellt er oder sie dem Parlament die Regierungspolitik der kommenden vier Jahre vor. Rein rechtlich ist die Erklärung nicht verbindlich, politisch wichtig aber ist sie schon. Daran muss sich Scholz nach vier Jahren wohl messen lassen, wenn es um die Bilanz seiner Amtszeit geht.

Üblicherweise gibt ein Regierungschef oder eine -chefin während der Legislaturperiode immer mal wieder Erklärungen zu aktuellen politischen Themen vor dem Parlament ab. Dazu verpflichten kann der Bundestag sie jedoch nicht.

Die komplette Regierungserklärung mit anschließender Aussprache seht ihr hier im Video, das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de.

© DBT

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
Mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

Du hast auch Lust, bei uns mitzumischen?

Schreib für uns!

Mehr zum Thema