Neue Parlamentschefin Bärbel Bas: „Ich werde die Präsidentin aller Abgeordneten sein“
Die Mitglieder des 20. Bundestages haben Bärbel Bas an die Spitze des neuen Parlaments gewählt. Welche Aufgaben auf die SPD-Politikerin zukommen, was sie von der neuen Wahlperiode erwartet und welche Themen ihr besonders am Herzen liegen, lest ihr hier.
Der Bundestag hat eine neue Präsidentin: Die SPD-Politikerin Bärbel Bas steht an der Spitze des 20. Parlaments – als dritte Frau in der Geschichte der Bundesrepublik.
Ihre Wahl empfinde sie als „Zeitenwende“, sagte die Duisburgerin während ihrer Antrittsrede. „Es tut unserem Land gut, wenn die Bürgerinnen und Bürger sehen: Im Herzen der Demokratie trägt eine Frau die Verantwortung.“
Chefin des Hohen Hauses
Bisher übten elf Männer das zweithöchste Staatsamt aus, zuletzt der CDU/CSU-Abgeordnete Wolfgang Schäuble. Aber nur zwei Frauen: Annemarie Renger und Rita Süssmuth. Nun ist mit Bas also eine weitere Präsidentin dazugekommen. Die 53-Jährige, die seit 2009 im Bundestag sitzt, ist überzeugt: „Die Verantwortung ist lange noch nicht gerecht auf allen Schultern verteilt.“ Daran zu arbeiten, sehe sie als eine ihrer besonderen Aufgaben als Bundestagspräsidentin.
Laut der Geschäftsordnung vertritt Bas mit ihrem neuen Amt das Parlament in der Öffentlichkeit. Sie wird in Zukunft zum Beispiel an Staatsempfängen teilnehmen und Reden bei wichtigen Anlässen halten. Außerdem steht sie an der Spitze der Bundestagsverwaltung. Das heißt, sie ist die oberste Dienstherrin der rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Als Chefin des Hohen Hauses übt sie zudem die Polizeigewalt und das Hausrecht im Bundestag aus.
Breite Mehrheit für Bas
Ihre wahrscheinlich bekannteste Aufgabe aber erledigt Bas im Plenarsaal: Als Parlamentschefin leitet sie die Sitzungen der neuen Wahlperiode. Das heißt, sie eröffnet und schließt die Sitzungen, ruft die Tagesordnungspunkte auf und erteilt den Rednerinnen und Rednern das Wort. Dabei muss sie stets unparteiisch sein und dafür sorgen, dass im Plenum Ordnung herrscht. Halten sich Abgeordnete nicht an die Regeln, kann Bas sie ermahnen, ihnen das Wort entziehen oder sie sogar für bis zu 30 Sitzungstage von Sitzungen ausschließen.
Traditionell steht das Amt der Bundestagschefin der stärksten Fraktion zu, also der SPD, die Bas für den Posten vorschlug. Abgestimmt wurde während der ersten Sitzung des neuen Parlaments, der sogenannten konstituierenden Sitzung, am vergangenen Dienstag. Das Ergebnis: 576 von 724 Stimmen für Bas, und damit deutlich mehr als nötig. Es sei eine „Ehre“, in dieses Amt gewählt worden zu sein, sagte die Parlamentschefin und versicherte, sie werde „die Präsidentin aller Abgeordneten sein“.
„Vielfalt ist eine Chance“
Dabei ist der 20. Bundestag nach Bas Worten vor allem eines: besonders jung und besonders vielfältig. Seine Mitglieder seien in ganz verschiedenen Teilen der Gesellschaft verwurzelt, brächten ganz unterschiedliche Berufserfahrungen und Herkunftsgeschichten mit. „Die Vielfalt ist eine Chance für uns alle“, so die Bundestagspräsidentin, „in diesem Haus, aber auch außerhalb“.
Denn die bunte Zusammensetzung des Parlaments könne helfen, Vorurteile und Misstrauen zu überwinden. Bas warb für mehr Bürgernähe und appellierte an die Abgeordneten: „Lassen Sie uns viele Menschen ansprechen, auf die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land zugehen, vor allem auf jene, die sich von der Politik seit Langem nicht mehr angesprochen fühlen.“
„Hass und Hetze sind keine Meinung“
Gleichzeitig mahnte sie, Politik müsse verständlich sein. Es sei wichtig, auch komplizierte Themen in eine verständliche Sprache zu übersetzen. Sie stehe für ein Parlament, das die Politik hinaustrage in die Gesellschaft. Und für ein respektvolles Miteinander. Das forderte sie auch mit Blick auf den Umgang der Abgeordneten untereinander. Zwar gehörten unterschiedliche Stimmen und Meinungen zur parlamentarischen Debatte, sagte Bas, aber: „Hass und Hetze sind keine Meinung.“
Aus Sicht der Bundestagspräsidentin ist ein respektvolles Miteinander umso wichtiger, als „viele große, strittige Themen“ auf die Parlamentarier zukämen: unter anderem der Klimawandel, die Coronapandemie, das Wahlrecht. Die Abgeordneten forderte Bas auf: „Lassen Sie uns gemeinsam Politik machen – zum Wohl der Menschen in unserem Land, in der Europäischen Union und weltweit.“
Wer ist Bärbel Bas?
Bärbel Bas legte im Jahr 1984 ihren Hauptschulabschluss ab und wollte ursprünglich technische Zeichnerin werden. Dafür schrieb sie nach eigenen Angaben 80 Bewerbungen – ohne jeglichen Erfolg. Daher absolvierte sie stattdessen eine Ausbildung zur Bürogehilfin, die sie später durch ein Studium zur Personalmanagement-Ökonomin ergänzte. Die 53-Jährige ist bereits seit 1988 SPD-Mitglied und sitzt seit 2009 als direkt gewählte Abgeordnete für den Wahlkreis Duisburg I im Deutschen Bundestag. Seit 2019 war Bas stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Zum Abgeordneten-Profil auf bundestag.de
Hilfe von den Vizes
Unterstützt wird die neue Parlamentschefin bei ihren Aufgaben von vier Vizepräsidentinnen und einem Vizepräsidenten: Aydan Özoğuz (SPD), Yvonne Magwas (CDU/CSU), Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), Wolfgang Kubicki (FDP) und Petra Pau (Die Linke). Der Kandidat der AfD, Michael Heinz Kaufmann, bekam bei der Wahl am Dienstag keine Mehrheit.
Zusammen bilden die Präsidentin und ihre Stellvertreterinnen und Stellvertreter das Bundestagspräsidium. Während der Sitzungen wechseln sie sich in der Regel alle zwei Stunden ab. Außerdem trifft sich die Runde regelmäßig, bespricht wichtige Angelegenheiten rund um die Leitung des Hauses und trifft gemeinsam mit dem Ältestenrat Vereinbarungen, damit das Parlament und seine Verwaltung ihre Aufgaben erfüllen können.
Mehr zur konstituierenden Sitzung könnt ihr auf bundestag.de nachlesen und euch hier in voller Länge anschauen:
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