Kinderkommission Experten: Klimawandel auf den Stundenplan
Eine „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ stand im Mittelpunkt einer Sitzung der Kinderkommission des Bundestages. Im Gespräch mit Experten erfuhren die Abgeordneten etwa, warum eine nachhaltige Einstellung nicht immer zu nachhaltigem Handeln führt.
Was wissen junge Menschen über den Klimawandel? Was muss sich in Kitas und Schulen ändern, damit Kinder Zusammenhänge in der Natur besser verstehen? Und wie lernen sie, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen und danach zu handeln?
Das waren einige der Fragen, mit denen sich die Kinderkommission des Deutschen Bundestages (KiKo) vor Kurzem befasste. Es war die erste Anhörung unter der Leitung der neuen Vorsitzenden Charlotte Schneidewind-Hartnagel. „Wir beschäftigen uns als Kinderkommission unter meinem Vorsitz in den nächsten Wochen mit dem Thema Kinder und Umwelt“, sagte die Grünen-Abgeordnete.
In jeder Sitzung lädt sie dafür ganz unterschiedliche Fachleute ein: vom Kinderarzt bis zur Fridays for Future-Aktivistin. Zum Gespräch Ende Februar waren Expertinnen und Experten aus dem Bildungsbereich dabei.
Wie lehrt man nachhaltige Entwicklung?
Eine der Expertinnen war Ute Krümmel von der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. Die Initiative macht sich stark für eine gute Bildung von Mädchen und Jungen in Kitas, Horten und Grundschulen. Im Fokus stehen die sogenannten MINT-Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – sowie die „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, kurz BNE.
Das Konzept von BNE soll helfen, die Folgen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und zu zukunftsfähigem Denken und Handeln zu befähigen. Zu den zentralen Themen zählen Klimawandel, Biodiversität, nachhaltiger Konsum und globale Gerechtigkeit.
Krümmel unterstützt Kita-Leitungen, Erzieherinnen und Grundschullehrer dabei, BNE in ihren Einrichtungen umzusetzen. Sie sagte: „Kinder sind neugierig und erschließen sich vorurteilsfrei ihre Umwelt.“ Dabei sähen sie auch, dass Bäume vertrockneten und Müll im Meer schwimme. Laut der Expertin sind Umweltbewusstsein und umweltbewusstes Verhalten schon bei Siebenjährigen gut ausgeprägt. Das gehe aus einer amerikanischen Studie hervor. Beides nähme bis ins Alter von zehn Jahren zu – und fiele dann mit der Pubertät ab.
Wie Einstellungen das Verhalten bestimmen
Auffällig sei, dass Umweltbewusstsein und umweltschützendes Verhalten schon bei Kindern nicht immer in einem engen Zusammenhang ständen, so die Expertin. Das heißt, dass sie zwar wissen, was in ihrer Umwelt passiert, aber nicht immer so handeln, dass sie ihre Umwelt schützen.
Ein Problem, das auch vielen Erwachsenen bekannt sei. Krümmel gab ein Beispiel: „Wir wissen, dass auch ein Teil unseres Plastikmülls im Meer landen wird. Dennoch benutzen wir nach wie vor sehr viele Einwegprodukte.“ Wichtig sei deshalb die Frage: Wie können Einstellungen das Verhalten bestimmen?
„Hier kann und sollte Bildung für nachhaltige Entwicklung ansetzen“, so Krümmel. Und zwar, indem Kinder die Möglichkeit bekämen, sich intensiv mit zukunftsrelevanten Themen auseinanderzusetzen – altersgerecht und im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Solche sogenannten Schlüsselthemen seien zum Beispiel Vielfalt, Ernährung, Konsum und Gerechtigkeit.
Es gehe darum, Zusammenhänge zu erforschen, Fragen nachzugehen oder in Projekten gemeinsam den Kita- und Schulalltag zu verändern. Krümmel erklärte: „Wichtig ist, dass auf Erkenntnis und Reflexion auch Entscheidung und Handlung folgen.“ Kinder bräuchten die Erfahrungen, selbst wirksam sein zu können.
„Nicht nur informiert sein, sondern informiert handeln“
Auch Thomas Hohn von der Umweltorganisation Greenpeace sagte: „Der entscheidende Kern für Kinder und Jugendliche im Kontext Bildung ist nicht nur informiert sein, sondern vielmehr informiert handeln.“ Einer Studie zufolge trage nämlich das Wissen junger Menschen wesentlich weniger zu ihrem nachhaltigen Verhalten bei als ihre Gefühle, Emotionen und Verbundenheit zu Natur. Das Motto laute deshalb: „Vom Wissen zum Handeln.“
Als Wegweiser für BNE dient die sogenannte Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung. Dieser „Weltzukunftsvertrag“ wurde 2015 von den 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UN) verabschiedet. „Eine Blaupause für eine friedlichere, klimafreundlichere Welt“, sagte Hohn. Die Agenda solle den Weg in eine bessere Welt ebnen. Dabei berücksichtige sie die vier Aspekte Ökologie, Ökonomie, Soziales und Kultur.
Immer lernen und breit denken
Für Deutschland werde der Pfad zum Erreichen dieser 17 Ziele in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie beschrieben, erklärte Hohn. Wichtig beim Thema Klimawandel und Bildung sei darüber hinaus das UNESCO-Weltaktionsprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung. Eines der fünf Handlungsfelder beschreibe die wirksame Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.
Hohn ist Sprecher des Bündnisses „ZukunftsBildung“, einer Initiative deutscher Nichtregierungsorganisationen, die sich dafür einsetzt, BNE im gesamten Bildungssystem strukturell zu verankern. Zu den Kernanliegen gehöre außerdem die systematische Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Lernenden in Bildungsfragen sowie eine gute Bildung für alle, erklärte Hohn. „Wir treten für ein ganzheitliches und lebenslanges Lernen und Bildungsverständnis ein.“
Schülervertreter: Schulen verfehlen ihren Auftrag
Ein Umdenken beim Thema Klimawandel und Bildung forderten auch Luisa Regel und Jeremy Jarsetz vom Landesschülerausschuss Berlin (LSA), der sich für die Rechte der rund 350.000 Berliner Schülerinnen und Schüler stark macht. Regel und Jarsetz sagten: Schule nehme ihren Auftrag im Bereich Klima nicht ernst genug. „Unser Schulgesetz sagt, dass Schulen ein Höchstmaß an Urteilskraft, gründlichem Wissen und Können vermitteln sollen“, so die LSA-Pressesprecherin.
Allerdings verfehlten viele Schulen ihre Aufgabe, die jungen Menschen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern nach Grundsätzen der Demokratie zu erziehen. „Dies können Schulen nur erreichen, indem sie breitgefächert über die Ursachen und Folgen des Klimawandelns für uns und die nachfolgenden Generationen aufklären.“
Schule habe neben ihrem Bildungsauftrag schließlich auch einen Erziehungsauftrag, fügte der stellvertretende LSA-Vorsitzende Jarsetz hinzu. „Diesem muss sie beim Thema Klimawandel dringend gerecht werden.“ Für viele bilde Schule einen Raum für Soziales, eine Möglichkeit zum Austausch.
Der LSA fordere deshalb, dass Klimabildung schon in der Grundschule beginne, damit Kinder das Thema und seine Relevanz in einem entspannten Rahmen kennenlernen könnten. „Dann werden sie hoffentlich zu umweltbewussten Erwachsenen“, sagte Jarsetz. Allerdings werde ihnen an vielen Schulen kaum Raum gegeben, sich frei zu entfalten.
Kein „Weiter so“
Konkret fordere der LSA Klimabeiräte auf Schul-, Bezirks- und Landesebene, sagte Regel. In diesen sollen die Beteiligten die Möglichkeit erhalten, sich über Fragen zum Thema Klima auszutauschen und verbindliche Beschlüsse zu formulieren. „Nur so schaffen wir es, dass der Unterricht für Schülerinnen und Schüler attraktiv bleibt und sie zum Umdenken anregt.“
Außerdem müsse der Klimawandel so oft es gehe Teil des Unterrichts sein. Dabei solle der Fokus auf zwei Fragen liegen: „Was kann ich gegen den Klimawandel tun? Und: Was kann der Staat durch strukturelle Veränderungen erreichen?“
Jarsetz ergänzte: Es solle an allen Berliner Schulen einen jährlichen Projekttag zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit geben. Ziel hierbei soll sein, mit den Schülerinnen und Schülern Lösungsansätze zu finden – ob fürs große Ganze oder für den kleinen Kreis der Schule.
Darüber hinaus fordere der LSA, dass Schule ein „klimagerechter Bildungsraum“ werde, sagte Regel. Das bedeute ein Umdenken zum Beispiel beim Schulessen in der Mensa und bei der Mülltrennung. Die beiden sind sich sicher: Wenn das Thema Klimaschutz in der Schule in den Vordergrund rücke, wachse eine Generation heran, die ein geschärftes Bewusstsein für die Probleme des 21. Jahrhunderts habe und sie dadurch lösen könne. Eine bessere Bildung im Bereich Klima sei der Schlüssel zum Erfolg für ein nachhaltigeres und klimaneutrales Leben, sagte Regel. „Nur ein deutliches Umdenken kann Probleme lösen“, so die LSA-Pressesprecherin. Ein „Weiter so“ gebe es nicht.
Das komplette Fachgespräch der KiKo könnt ihr im Video anschauen: