Neue Kommission Parlament soll kleiner und moderner werden
Eric Matt
Mit 709 Abgeordneten ist der Bundestag recht groß. Und nach der Wahl im September könnte er gar noch größer werden. Eine neue Kommission soll Vorschläge für eine Reform des Wahlrechts liefern – und das Parlament modernisieren.
Mit 709 Abgeordneten sitzen im Bundestag derzeit viel mehr Politiker und Politikerinnen als die eigentlich vorgesehenen 598. Der Grund liegt in sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandaten – dazu später mehr. Viel zu viele Abgeordnete, sagen zahlreiche Kritiker. Der Bundestag ist eines der größten Parlamente weltweit. Mancher spottet gar, noch größer sei eigentlich nur der chinesische Volkskongress.
Mäkelige Stimmen über das Parlament gibt es auch zu anderen Themen: Zu wenige Frauen säßen im Parlament, sagen die einen, manche Abläufe seien intransparent, schimpfen die anderen, und einige finden es nicht gut, dass man erst ab 18 Jahren wählen darf.
Um auf kritische Stimmen zu reagieren und die hiesige Demokratie fit für die Zukunft zu machen, gibt es seit Kurzem eine neue Kommission. Diese soll vor allem solche Fragen beantworten: Wie lässt sich verhindern, dass sich der Bundestag immer weiter vergrößert? Wie gelingt eine faire Wahlrechtsreform?
Was ist das für eine Kommission?
Das Gremium mit dem langen Titel „Kommission zur Reform des Bundeswahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit“ ist neu: Am 23. Juni dieses Jahres fand die konstituierende – also die erste – Sitzung statt.
Die Kommission besteht je zur Hälfte aus Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen sowie aus Wissenschaftlern und Experten. Den Vorsitz der Kommission teilen sich die SPD-Abgeordnete Sonja Amalie Steffen und Ansgar Heveling von der CDU/CSU-Fraktion.
Das Gremium legt zwar jetzt los, muss jedoch vom neuen Bundestag nach der Wahl am 26. September erneut bestätigt und eingesetzt werden.
Um welche Themen geht es?
Die Kommission soll ihre Ergebnisse bis zum 23. Juni 2023 präsentieren und hat zwei Hauptaufgaben. Erstens: das aktuell bestehende Wahlrecht reformieren – also erneuern. Zweitens: untersuchen, wie die Arbeit des Parlaments in Sachen Digitalisierung und Bürgerbeteiligung modernisiert werden kann.
Zur Wahlrechtsreform: Die Kommissionsmitglieder sollen eine Lösung für das Problem finden, dass der Bundestag sich immer weiter vergrößert. Die gesetzlich vorgesehene Zahl von 598 Bundestagsabgeordneten wird immer wieder überschritten, angefangen von 622 bei der Wahl 2009 über 631 in 2013 bis zu 709 bei der Wahl in 2017. Experten zufolge könnte der neu gewählte Bundestag im September sogar noch größer werden, je nachdem, wie das Wahlergebnis ausfällt.
Exkurs: Wieso ist der Bundestag so groß?
Es ist etwas kompliziert: Dass der Bundestag größer ist als vorgesehen, liegt an unserem Wahlsystem – dem sogenannten personalisierten Verhältniswahlrecht. Das sieht vor, dass es eine Erst- und eine Zweitstimme gibt. Mit der Erststimme wählen die Bürgerinnen und Bürger eine Person (Stichwort „personalisiert“), also eine Kandidatin oder einen Kandidaten, der im Wahlkreis antritt. Wer dort die meisten Stimmen erhält, zieht direkt in den Bundestag ein. Mit der Zweitstimme wählt man eine Partei. Die Zweitstimmen entscheiden darüber, wieviel Prozent der Sitze eine Partei im Parlament bekommt (Stichwort „Verhältnis“).
Wenn nun eine Partei durch die Erststimmen mehr Bundestagssitze errungen hat, als ihr durch die Zweitstimmen zustehen, dann entsteht ein sogenanntes Überhangmandat: Die Partei bekommt zusätzliche Sitze. Dadurch stimmen dann die Prozente nicht mehr. Um diese wieder zu korrigieren, erhalten die anderen Parteien Ausgleichsmandate.
Mehr Frauen ins Parlament
Die Kommission soll in ihren Vorschlägen einer Wahlrechtsreform außerdem ausarbeiten, wie es gelingt, mehr Frauen in den Deutschen Bundestag zu bringen. Aktuell sind von den 709 Abgeordneten nur 223 weiblich. Das entspricht einem Frauenanteil von 31,4 Prozent. Bei den Fraktionen ist die Lage unterschiedlich und reicht von 10,9 Prozent* bei der AfD-Fraktion bis zu 58,2 Prozent* bei Bündnis 90/Die Grünen.
*Stand Oktober 2017
Moderner arbeiten und Bürger beteiligen
Wie kann die Arbeit des Parlaments transparenter werden? Wie kann sie mit der Digitalisierung Schritt halten? Auch auf diese Fragen will die neue Kommission Antworten finden.
Außerdem sollen sich Bürgerinnen und Bürger stärker beteiligen und ihre Anregungen einbringen können. Auch gesellschaftliche Debatten, etwa, ob Jugendliche schon ab 16 Jahren wählen dürfen sollten, wird die Kommission aufgreifen.
Ebenfalls wird sie thematisieren, ob die Amtszeit von Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzlern beschränkt werden sollte. Dies ist beispielsweise für US-amerikanische Präsidenten der Fall – auf acht Jahre, also zwei Wahlperioden à vier Jahre.
Die Debatte im April diesen Jahres im Plenarsaal zur neuen Kommission könnt ihr euch hier im Video anschauen.
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.