Digitale Sicherheit Bundestagswahl vor Cyberattacken schützen
Eric Matt
Hackerangriffe, Fake News, Verschwörungstheorien: Wie lässt sich verhindern, dass ausländische Medien, Hacker oder gar Extremisten die Bundestagswahl bedrohen? Die FDP-Fraktion legte einen Antrag zur Cybersicherheit vor. Auch die anderen Fraktionen sehen Gefahren.
Professionelle Hacker, die Computer und Konten von Politikern angreifen. Ausländische Medien, die Falschmeldungen streuen. Extremistische Gruppierungen, die über Soziale Medien Verschwörungstheorien verbreiten. Das digitale Zeitalter birgt viele Gefahren für die Demokratie. Wie kann man da eine sichere Bundestagswahl gewährleisten?
Diese Frage debattierten kürzlich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Dabei ging es in Erster Lesung um einen Antrag der FDP-Fraktion. Dieser verfolgt das Ziel, die kommende Bundestagswahl vor Desinformationen und Cyberangriffen zu schützen.
Welche Probleme könnte es geben?
Dazu ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr: Am 3. November 2020 wählten die USA einen neuen Präsidenten. Der Herausforderer Joe Biden von der Demokratischen Partei gewann die Wahl mit deutlichem Vorsprung gegen den damaligen republikanischen Präsidenten Donald Trump. Noch heute – ein halbes Jahr später – glauben viele amerikanische Bürger, dass Wahlbetrug vorliege und man ihnen die Wahl „gestohlen“ habe.
Doch wie kommt es zu einem solchen Irrglauben? – Durch verbreitete Unwahrheiten, Falschmeldungen, Verschwörungstheorien und intensive Bemühungen, demokratische Wahlen zu delegitimieren – sie also als unrechtmäßig darzustellen.
Ähnliche Szenarien wären auch für Deutschland denkbar. In den vergangenen Jahren beispielsweise war kein anderer Mitgliedsstaat der Europäischen Union häufiger Ziel von beispielsweise russischen Desinformationskampagnen. Desinformationskampagnen sind systematisch verbreitete Falschmeldungen – kurz: Fake News. So gab es in Deutschland seit dem Jahr 2015 über 700 Desinformationskampagnen, wie ein Bericht des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) informiert. Auf den nächsten Plätzen folgen Frankreich mit „nur“ 300, Italien mit 170 und Spanien mit 40 Angriffen dieser Art.
So könnte es theoretisch auch in Deutschland passieren, dass einzelne Parteien und Bürger sowie Bürgerinnen die Wahlergebnisse anzweifelten. Ebenso könnten durch Hackerangriffe vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen oder Politiker bedroht werden.
Was schlägt die FDP vor?
Die FDP-Fraktion möchte mit ihrem Antrag die Bundestagswahl 2021 vor Desinformation und Cyberangriffen schützen. Der bevorstehende Wahlkampf nämlich müsse „von einem fairen Meinungskampf und von der Chancengleichheit der politischen Parteien geprägt sein“. In den vergangenen Jahren jedoch sei „weltweit zu beobachten, dass insbesondere autoritär regierte Staaten versuchen, auf den Prozess der Meinungs- und Willensbildung im Vorfeld von Wahlen in anderen Ländern Einfluss zu nehmen“.
Die FDP-Fraktion erklärt in ihrem Antrag, dass die Coronapandemie das Risiko von Cyberangriffen noch verstärke, da viele Wahlkampfveranstaltungen nicht in Präsenz, sondern online stattfänden.
Daher solle sich die Bundesregierung „auf europäischer und internationaler Ebene für die Einführung von Standards für eine digitale Wahlbeobachtung einsetzen“. Außerdem möchten die FDP-Abgeordneten eine „Taskforce zur Erhöhung der Resilienz gegen Desinformation und Cyberangriffe“ einrichten. Eine Taskforce ist eine extra gebildete Arbeitsgruppe, um komplexe Probleme zu lösen – in diesem Fall Cyberangriffe. Des Weiteren fordert die Fraktion beispielsweise Hilfsangebote für Kandidaten, neue Forschungsprojekte, eine enge Zusammenarbeit mit Angeboten Sozialer Medien oder einen „bundesweiten Aktionstag für die Demokratie“.
Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle sagte: „Wir dürfen es uns mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und als offene Gesellschaft nicht gefallen lassen, dass wir unterwandert werden. Schützen wir gemeinsam die Bundestagswahlen 2021.“ Für ihn lohne sich die Debatte bereits, wenn danach Wahlbeteiligte „diese Gefahren besser auf dem Schirm haben“.
Wie sicher ist die Bundestagswahl, Herr Dr. Thiel?
Was sagen die anderen Fraktionen zur Vorlage der FDP-Fraktion?
CDU/CSU warnt vor Deepfakes
„Ich sage etwas, was ich selten sage: Eigentlich ist alles, was Sie in Ihrem Antrag anführen, vollkommen richtig“, lobte der CDU/CSU-Abgeordnete Christoph Bernstiel. Jedoch hätte es den FDP-Antrag gar nicht gebraucht, „denn das Bundesinnenministerium ist bereits dabei, genau diese Maßnahmen umzusetzen“. Bernstiel warnte insbesondere vor sogenannten Deepfakes. Deepfakes sind gefälschte Bild- oder Tonaufnahmen.
Wie das konkret aussehen könnte? Ein fiktives Beispiel des CDU/CSU-Abgeordneten: Wenige Tage vor der Bundestagswahl könnte ein täuschend echtes Video auftauchen, das illegale Geschäfte zwischen einer Politikerin und einem Unternehmer zeigen würde. Durch die ausgetüftelte Technik wäre es schwer, zu beweisen, dass es sich um eine Fälschung handelt. Dies könnte drastische Konsequenzen auf den Wahlausgang haben. „Auf dieses Phänomen müssen wir uns vorbereiten“, so Bernstiel.
AfD: „Kann man in Deutschland frei seine Meinung sagen?“
„Sorgen um faire Wahlen sind ja berechtigt, aber sind ausländische Mächte da unser größtes Problem?“, fragte der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann. Deutschland habe „viel größere hausgemachte Probleme, etwa mit der Meinungsfreiheit“. So würde eine aktuelle Studie zeigen, dass zwei Drittel der Menschen Angst hätten, ihre Meinung offen zu äußern. „Kann man in Deutschland wirklich frei seine Meinung sagen?“ wollte Baumann wissen.
Mehr als ausländische Desinformationskampagnen bereiten Baumann die öffentlich-rechtlichen Sender Sorgen – also etwa ARD und ZDF. Er kritisierte, dass die AfD „praktisch unterschlagen“ werde und erklärte abschließend: „Zwar schließen die Wahllokale erst am 26. September, doch Desinformation, Manipulation und insofern auch Wahlbetrug haben längst begonnen.“
SPD: „Wir werden die Wahlen schützen“
Der SPD-Abgeordnete Sebastian Hartmann erklärte, die FDP habe „einen wirklich sehr guten Antrag vorgelegt“. So thematisiere der Antrag einerseits die Problematik der Desinformation, beschäftige sich andererseits aber auch mit IT-Sicherheit. Hartmann warnte davor, dass Wahlen „durch Fake News und Desinformationskampagnen in Zweifel gezogen“ werden könnten.
Der Bundestag müsse dafür sorgen, „dass das Mandat der Abgeordneten ausgeübt werden kann und dass jede Partei auch die Möglichkeit hat, auf sich aufmerksam zu machen“. Entscheidend sei dabei, „dass diese Wahlen frei, geheim, gleich und vor allen Dingen geschützt sind“. Der SPD-Abgeordnete erklärte: „Wir wollen die demokratischen Wahlen schützen, wir werden die demokratischen Wahlen schützen.“
Grüne: Scharf regulieren statt hofieren
„Über all das diskutieren wir hier seit Jahren, und passiert ist nichts. Sie haben die Probleme ignoriert und die vielen guten Initiativen aus der Opposition blockiert“, kritisierte Konstantin von Notz die Bundesregierung. Laut dem Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen tobe „längst ein neuer Informationskrieg im Digitalen“. Im Gegensatz zur Europäischen Union und anderen Staaten blieben in Deutschland bisher aber passende Maßnahmen aus.
„Wir brauchen vor allem Antworten auf eine komplett außer Rand und Band geratene Onlinewerbelandschaft auf den großen Plattformen. Dafür darf man aber große Tech-Giganten nicht hofieren, sondern muss scharf regulieren“, so von Notz.
Linke: Zwischen Demokratie und Sicherheit
Für die Fraktion Die Linke gab Petra Pau ihre Rede zu Protokoll. Sie gibt darin dem FDP-Antrag Recht, denn „es mehren sich die Fälle, bei denen versucht wird, digital Einfluss auf demokratische Entscheidungen zu nehmen, solche zu manipulieren.“ Das geschehe auch hierzulande, auch „der Bundestag und damit Sie alle sind im Visier“.
Pau schreibt, dass es bereits „demokratiegefährdend“ sei, wenn auf persönliche Kontaktdaten zugegriffen werde. Sie warnt aber auch vor dem Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Sicherheit: So würden die Koalitionsfraktionen immer dann schnell mehr Zugriffsbefugnisse für Sicherheitsbehörden fordern, wenn es um innere Sicherheit ginge.
Der Antrag der FDP wurde im Anschluss der Debatte zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen. Die komplette Debatte findet ihr wie immer auf bundestag.de und könnt sie euch auch im folgenden Video anschauen.
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.