Neue Studie Wie können wir sozialer und nachhaltiger werden?
Hanna Kazmirowski
Die Klimakrise gefährdet unsere Lebensgrundlagen. Eine Studie der Deutschen Bischofskonferenz hat untersucht, was wir dagegen tun können. Mit den Ergebnissen haben sich Abgeordnete im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung beschäftigt.
Wir teilen uns mit mehr als acht Milliarden Menschen einen Planeten, der immer heißer wird. Klar ist also, wir brauchen effektive Klimaschutzmaßnahmen – diese dürfen aber keine Gesellschaftsgruppe übermäßig benachteiligen. Dass ökologische und soziale Herausforderungen zusammenhängen, hat auch Papst Franziskus erkannt. Darum hat eine Sachverständigengruppe der Deutschen Bischofskonferenz in einer Studie untersucht, wie eine „sozial-ökologische Transformation“ gelingen kann. Das Ziel dieses Wandels ist, dass alle Menschen jetzt und in Zukunft gut leben können, ohne dabei die Ökosysteme der Erde zu überlasten. Der Leiter der Studie, Johannes Wallacher, hat die Ergebnisse des Projekts den Abgeordneten im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung vorgestellt. In diesem Gremium sitzen Mitglieder aus allen Fraktionen.
Was den Wandel aktuell behindert
In allen Bereichen sprechen Politiker und Expertinnen zurzeit von einer „Wende“: Energiewende, Mobilitätswende, Agrarwende. An diesen Beispielen haben die Fachleute in ihrer Studie festgestellt, was die aktuellen Probleme der nachhaltigen Entwicklung sind. Ein zentraler Punkt sei die Kohle, die als vermeintlich günstige Energiequelle immer noch abgebaut und verbrannt werde. Die Experten stellen in ihrer Studie klar, dass die versteckten Kosten dahinter – nämlich die negativen Klimafolgen – den zukünftigen Generationen aufgebürdet würden. So mahnte Johannes Wallacher im Bundestag, dass die Kohlevorräte nicht genutzt werden sollten, um das verbleibende C02-Budget zu schonen. Denn wie Forschende errechnet hätten, dürfe die Menschheit nur noch ein bestimmtes Maß an klimaschädlichen Treibhausgasen ausstoßen, damit sich die Erde nicht mehr als um 1,5 Grad erwärme.
Auch in der Verkehrspolitik erkennt die Studie Probleme: Statt Mobilität grundsätzlich neu zu denken, brächten Politik und Unternehmen aktuell vor allem Elektrotechnologie voran. Die könne aber nicht die einzige Lösung sein, stellte Wallacher klar, denn auch dort trügen die Verursacher noch nicht die Kosten für die Rohstoffe und die umweltschädigende und unsoziale Produktion. Stattdessen litten die Natur und unterbezahlte Arbeitskräfte darunter.
Im Bereich der Landwirtschaft machten wiederum ein zu hoher Fleischkonsum, Lebensmittelverschwendung und schlechte Produktionsbedingungen für Tier und Mensch Probleme.
Vier Stellschrauben für den Wandel
Damit der Wandel hin zu einer sozialen und nachhaltigen Weltgemeinschaft langfristig gelingen könne, brauche es umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen, erklärte Wallacher. Diese hätten die Macher der Studie in vier Kategorien eingeteilt:
Zum einen fordern die Fachleute gesetzliche Regelungen, die soziale und nachhaltige Erfindungen förderten und im Gegenzug umweltschädliche Aktionen bestraften. So solle zum Beispiel CO2 einen Preis bekommen, sodass Unternehmen und Personen dafür zahlen müssten, wenn sie viel verursachten. Da solche Klimaschutzmaßnahmen aber auch Menschen mit schwachem Einkommen belasten könnten, brauche es einen sozialen Ausgleich, sagte Wallacher. Das könnte eine sogenannte Klimaprämie sein: Diejenigen, die am Ende eines Jahres den geringsten ökologischen Fußabdruck hätten, bekämen vom Staat am meisten Geld zurück.
Zum anderen fordert die Studie, dass Politiker transparenter arbeiten und die Bevölkerung stärker an politischen Entscheidungen beteiligen sollen. Bürgerräte beispielsweise würden die Demokratie stärken. Dafür müssten Politikerinnen und Politiker aber mutiger werden und den Menschen mehr zutrauen, forderte Wallacher im Namen der Projektgruppe. Die Gesellschaft müsse verstehen, wie notwendig die Maßnahmen seien.
Es geht nicht um Verzicht
Umweltschutz werde oft mit Verboten und Verzicht assoziiert. Darum gehe es bei dem Konzept aber gar nicht, sagte Wallacher. Stattdessen werbe die vierte Stellschraube der Studie für eine Kultur der „Suffizienz“. Das bedeute, die Gesellschaft müsse genügsam werden statt immer höher, schneller und weiter zu wollen. „Wir brauchen vorbereitend, ergänzend und erweiternd einen Bewusstseinswandel, der der Tatsache Rechnung trägt, dass wir in einer begrenzten Welt angekommen sind“, sagte der Experte. Zu diesem gesellschaftlichen Wandel könne auch die Kirche einen Beitrag leisten, denn sie sehe Genügsamkeit traditionell als Tugend. Somit könnten sich auch die Gemeinden mit nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzen.
Wichtig sei bei der Transformation, dass alle Aspekte gemeinsam betrachtet würden – Politiker und Politikerinnen dürften sich also nicht nur das herauspicken, was ihnen passe, betonte Wallacher. Außerdem müsse das Konzept auch mit anderen Ländern abgestimmt werden. Damit auch Afrika und Asien mit der Kohleverstromung aufhörten, sollten Länder wie Deutschland den afrikanischen Partnern „großzügige und faire Angebote“ für Klimaschutzmaßnahmen machen und sie finanziell unterstützen.
Die Studie will nicht bevormunden
Auch wenn die Studie beanspruche, ein Modernisierungskonzept für die gesamte Gesellschaft zu sein, wolle sie keine konkreten Handlungsweisen über die richtige Ernährung oder Fortbewegungsmittel vorschreiben, erklärte Wallacher. Vielmehr biete sie eine Zielperspektive, an der sich die Abgeordneten in ihrer politischen Arbeit künftig orientieren könnten.
Hier seht ihr die Sitzung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung im Video:
Hanna Kazmirowski
Hanna Kazmirowski studiert Interkulturelle Europa- und Amerikastudien in Halle und Paris und hat ein Faible für Französisch und Englisch. Wenn sie mal keine Texte schreibt, Podcasts hört oder mit Leuten spricht, macht sie gerne Sport, Fotos oder Musik. Sie freut sich über alle kleinen und großen Dinge, die sie in der Welt und im Alltag neu entdeckt und lernt.