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Beteiligung Wie Bürgerräte helfen können, die Demokratie zu stärken

Raphael Fröhlich

Viele Menschen sind unzufrieden mit der Demokratie in Deutschland. Bürgerräte sind eine Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürger in politische Prozesse einzubeziehen. Bei einer Veranstaltung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages diskutierten Experten über das Für und Wider.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (links) mit anderen Gesprächsteilnehmern am Tisch

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sprach sich klar für Bürgerräte aus. © DBT/Florian Gaertner/phototek

Mehr als die Hälfte der Deutschen ist der Ansicht, dass es jenseits von Wahlen in Deutschland nicht genügend Beteiligungsmöglichkeiten gibt. Das ergab eine repräsentative Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Universität Bonn.

Ob sich jemand von der Politik ausreichend beteiligt fühlt und wie zufrieden er mit der Demokratie ist, bedingt sich gegenseitig. Wie kann man also dafür sorgen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland von der Politik besser vertreten fühlen, und dabei gleichzeitig die Demokratie für mehr Menschen interessanter machen?

Der Bundestag hat im Frühjahr dieses Jahres beschlossen, dass er Bürgerräte organisieren will. Die Hoffnung: Unter den zufällig ausgelosten Teilnehmerinnen und Teilnehmern soll sich dank der unterschiedlichen Meinungen und Perspektiven ein konstruktiver, fairer Austausch ergeben. Inhaltliche Grundlagen sollen verschiedene Expertinnen und Experten liefern, damit alle auf den gleichen Wissensstand gebracht werden. Moderatoren sorgen dafür, dass auch Zurückhaltende zu Wort kommen. Die Lösungen werden der Politik übergeben, die diese bei ihren Entscheidungen mit berücksichtigen kann.

Bürgerräte können Strukturen der Demokratie ergänzen

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ist überzeugt: „Es stimmt etwas nicht zwischen Teilen der Bürgerschaft und dem demokratischen System.“ Bürgerräte könnten da helfen, die traditionellen Strukturen unserer Demokratie zu ergänzen und Bürgerinnen und Bürger auch zwischen den Wahlen stärker einzubinden. Denn: „Wer an einem Bürgerrat teilnimmt, lernt die komplexe politische Entscheidungsfindung kennen.“

Damit das gelinge, sei es wichtig, dass die Bürgerräte unsere Gesellschaft möglichst vielfältig abbilden, sagt Bas. Deshalb werden die Bürgerinnen und Bürger zwar zufällig per Losverfahren ausgewählt, dabei werden aber unterschiedliche Kriterien wie Alter, Geschlecht oder Bildung berücksichtigt. So entsteht ein realistisches Abbild der Gesellschaft im Bürgerrat.

Mit „Deutschlands Rolle in der Welt“ war der zuletzt vom Bundestag eingesetzte Bürgerrat thematisch noch recht abstrakt gehalten. Das wurde von einigen Teilnehmern des Bürgerrates kritisiert. Die Parlamentspräsidentin meint jetzt: Bürgerräte sollen sich mit Themen befassen, die kontrovers sind, die Menschen in ihrem Alltag jedoch auch betreffen – wie eine zur Debatte stehende allgemeine, gemeinnützige Dienstpflicht.

Letztlich sei es entscheidend, was mit den Empfehlungen der Bürgerräte geschehe: „Auch hier brauchen wir ein verbindliches und transparentes Verfahren und Vorgehen.“ Wenn man die Umsetzung der Ergebnisse verspreche, müsse man auch Wort halten – „sonst schaffen wir neue Politikverdrossenheit“.

Mini-Öffentlichkeiten werden geschaffen

Doch können Bürgerräte die Politik auch entlasten, indem kontroverse Themen an diese schlicht abgegeben werden? Florian Meinel, Professor an der Universität Göttingen, hält von dieser Erwartung nicht viel: „Es ist klar, dass Bürgerräte institutionell dafür nicht besonders gut geeignet sind.“ Beispielsweise könnten sie nur wenig Folgeverantwortung für eigene politische Entscheidungen übernehmen. Seine Befürchtung: Die Komplexität des politischen Prozesses erhöhe sich tendenziell eher, weil die Politik einen weiteren Akteur hat, der Aufmerksamkeit für ein bestimmtes Thema schaffen kann.

Andererseits seien auch die Parlamente in den digitalisierten Öffentlichkeiten dauernd „in einem Raum der hypernervösen Dauerpräsenz aktiv“. Heißt: Politikerinnen und Politiker können Stimmungen im Internet sofort verfolgen, statt wie früher auf Wahlen warten zu müssen. Der Professor sieht in Bürgerräten einen Gegenraum dazu, der Anwesenheit, Diskurs und Entschleunigung mit sich bringe.

Und er macht in ihnen noch einen weiteren Vorteil aus, den bereits Bas betont hatte: „Die Losverfahren, mit denen man Mitglied in einem Bürgerrat wird, sind repräsentativ.“ Nicht umsonst werden Bürgerräte auch als „Mini-Öffentlichkeiten“ oder als Abbildung eines „Miniatur-Deutschlands“ bezeichnet.

Bürgerräte sehen Themen differenziert

Dieses Losverfahren ist eigentlich eine alte, urdemokratische Tradition, erinnert Gisela Erler: Sie habe „mal Griechisch gelernt“, sich im Gymnasium aber nicht damit befasst, dass bereits „die Athener mit dem Losverfahren gearbeitet haben“. Erler war von 2011 bis 2021 Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg und an der Einführung dortiger Beteiligungsformate beteiligt. Sie ist sich sicher: Es folgen „differenzierte Vorschläge“ aus einem Bürgerrat und „nie ein einfaches Ja oder Nein“: „Dass die Bürger irreales Zeug einbringen, stimmt überhaupt nicht.“

Sie kenne außerdem kein Instrument, das breiter aufgestellt sei als ein Bürgerrat. Doch nur wenn sich die politischen Akteure auf die Bürgerräte einließen und diese an Institutionen angebunden seien, könnten sie „ihr Potenzial entfalten“.

Das Video der Veranstaltung der Wissenschaftlichen Dienste könnt ihr euch hier anschauen:

Mitmischen-Autor

Raphael Fröhlich

ist 19 Jahre alt und auf dem Weg, das Abitur in Tübingen zu machen. Daneben ist er immer wieder bei verschiedenen Lehrredaktionen anzutreffen und berichtet am liebsten über Themen, die den Gerechtigkeitssinn in ihm wecken.

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