Stipendienprogramm „Wie schaffen wir eine tatsächliche Partnerschaft?“
Das Internationale Parlaments-Stipendium gibt es dieses Jahr zum ersten Mal gesondert für afrikanische Staaten. Sieben Stipendiaten aus Namibia und Südafrika sind derzeit im Bundestag unterwegs. Mit vier Abgeordneten diskutierten sie über Entwicklungszusammenarbeit, Energie-Partnerschaften und die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte.
Zeena, Jemima, Suzie, Karabo, Emily, Kumbee und Kwame sind seit dem 4. Januar in Berlin. In ihren Heimatländern studieren sie Jura, Politik oder Germanistik. Sie sind hier, weil sie sich für internationale Beziehungen, Klima-Gerechtigkeit, Bildungspolitik und Frauenrechte interessieren. Und weil sie das deutsche parlamentarische System kennenlernen möchten.
Im Bundestag haben sie Vorträge über die Rolle von Fraktionen, Opposition und Regierung gehört, sie haben Ausschuss-Sitzungen und Plenardebatten besucht und in einem Planspiel den Weg einer Gesetzgebung nachgespielt. Sie haben politische Stiftungen und das ARD-Hauptstadtstudio besucht. In den Gedenkstätten Hohenschönhausen und Topographie des Terrors haben sie sich mit deutscher Geschichte und Erinnerungskultur beschäftigt. Zum Abschluss ihres Stipendiums werden sie Ende Januar eine Woche lang ein Praktikum in einem Abgeordnetenbüro machen. Jetzt aber sitzen sie erst mal in einem Konferenzraum im Bundestag, mit Blick auf die Glaskuppel des Reichstagsgebäudes, um sich mit Mitgliedern der Parlamentariergruppe Südliches Afrika auszutauschen.
„Was erwarten Sie von Europa?“
Als Vorsitzende der Parlamentariergruppe begrüßt Michelle Müntefering (SPD) die Gäste. Der Austausch mit jungen Menschen sei „ein Schlüssel für die Zusammenarbeit der Kontinente“, sagt sie. Deshalb möchte sie von den jungen Stipendiaten wissen: „Was erwarten Sie von Europa? Was sollten wir besonders im südlichen Afrika tun?“
Suzie antwortet: „Es gibt eine globale Tendenz, Afrika wie ein Land zu behandeln.“ Der Kontinent sei aber sehr vielfältig. Es hätten bei Weitem nicht alle afrikanischen Länder die gleichen Interessen. Deshalb wünsche sie sich eine differenziertere Sicht auf Afrika.
„Wir wissen noch immer zu wenig über den Kontinent“, stimmt Müntefering zu. Es sei eine wichtige Aufgabe, den Menschen in Deutschland diese Tatsache bewusst zu machen und ihnen aufzuzeigen, welche Chancen in einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit afrikanischen Ländern liege.
Aufarbeitung der Kolonialgeschichte
Kwame sagt, er wünsche sich, dass Deutschland seine Kolonialgeschichte ernsthafter aufarbeite. Den Stipendiaten sei aufgefallen, dass es in Berlin kein entsprechendes Mahnmal gebe: „Das tut uns weh.“
Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen) stimmt ihm zu, dass die Aufarbeitung in Deutschland langsam vorangehe. Vielen Menschen sei die eigene Kolonialgeschichte gar nicht bewusst.
„Wir wollen unseren Teil beitragen, das aufzuarbeiten“, verspricht Müntefering. Deshalb habe die damalige Koalition das Thema 2017 zum ersten Mal im Koalitionsvertrag festgehalten. Der aktuelle Koalitionsvertrag gehe sogar noch weiter. Das sei auch ein wichtiges Zeichen nach außen: „Da schauen andere Länder in Europa sehr genau hin.“
Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe
Emily betont den Unterschied zwischen Entwicklungshilfe und Entwicklungszusammenarbeit. „Wir möchten als Partner gesehen werden“, erklärt sie. Das sei auch ihr Ziel, antwortet Müntefering. Der Begriff „auf Augenhöhe“ dürfe keine Phrase bleiben, sondern müsse mit Leben gefüllt werden. „Wie schaffen wir eine tatsächliche Partnerschaft?“, fragt sie in die Runde. Aus ihrer Sicht bedeute das auch, zu teilen und ein gemeinsames Wachstum anzustreben.
Gerold Otten (AfD) sagt, viele Afrikaner kämen nach Europa, um Arbeit zu finden. „Aber die Menschen brauchen eine Perspektive vor Ort“, meint Otten. Deshalb müsse Deutschland nicht nur Förder- und Austauschprogramme aufsetzen, sondern auch in Afrika investieren – und daran die Bedingung knüpfen, dass die entsprechenden Projekte vor Ort zu mehr Beschäftigung führten. Das sei echte Aufbauarbeit.
IPS-Stipendiaten im Portrait
Chancen im Bereich Energie
Als große Chance für Afrika sieht Olaf in der Beek (FDP) den Energie-Bereich: „Früher haben wir Öl in Saudi-Arabien gekauft, dann kaufen wir jetzt eben Wasserstoff in Afrika.“ Die Wertschöpfungskette müsse dabei in Afrika bleiben. Dann sei das „gut investiertes Geld“ für alle Seiten.
Schauws berichtet von einem großen Wasserstoffprojekt, das die Parlamentariergruppe in Namibia besucht hat. Wenn die Bundesregierung in Namibia Wasserstoff einkaufe, stehe sie auch in der Verantwortung, dafür zu sorgen, „dass die Menschen von diesem Wirtschaftsort profitieren“. Es müsse Bildungsangebote, Austauschprogramme und Forschungskooperationen geben. Dann bestehe hier in der Tat die „Chance auf ein sehr positives Narrativ“.
Zusammenarbeit in der Bildung
Das Thema Bildung greift Emily auf. In Deutschland gebe es einen Mangel an Arbeitskräften, in Afrika dagegen einen Überfluss an jungen Menschen, die keine Ausbildung bekämen. Sie fragt, ob darin nicht eine Chance liegen könnte.
Die Koalitionsvertreter stimmen ihr zu. Wichtig sei dabei aber, so Müntefering, nicht nur vielversprechende junge Leute aus Afrika abzuwerben, die dann dort fehlten. „Brain Drain“ nennt man das. „Wir dürfen kein Staubsauger sein, der das Wissen aus anderen Ländern nur absaugt, sondern ein Ventilator.“
„Brain Exchange statt Brain Drain“, schlägt Kumbee vor. Erstrebenswert sei doch ein echter Austausch von Wissen.
Positivbeispiele für gute Zusammenarbeit
Zum Schluss hat Karabo noch eine Frage an die Parlamentarier: Sie möchte wissen, welche ganz konkreten Projekte sie als erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und afrikanischen Ländern empfinden.
„Da gibt es große und kleine Dinge“, sagt Michelle Müntefering. Als „großes“ Beispiel nennt sie die Binationale Kommission mit Südafrika: „Das ist ein Austausch auf höchster Regierungsebene“, erklärt die Abgeordnete. Kleinere, aber auch konkretere Projekte seien etwa die drei deutschen Schulen in Südafrika oder Frauen-Netzwerke, die sich für die Sicherheit von Frauen in Südafrika einsetzten. Und einen Wunsch für die Zukunft ergänzt sie noch: einen großen Jugendaustausch mit Namibia aufzubauen.