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UMWELTSCHUTZ Wer bezahlt unseren Plastikmüll?

Hanna Kazmirowski

Weggeworfene Einwegverpackungen verschmutzen die Umwelt. Die Bundesregierung plant deshalb, dass Kunststoffhersteller die Entsorgung mitbezahlen sollen. Weniger Plastik wollen alle, doch über die Maßnahmen sind sich die Abgeordneten im Bundestag nicht einig.

Junge Frau trinkt aus einer Plastikflasche

Plastik ist in unserem Alltag allgegenwärtig. © shutterstock.com/mimagephotography

Plastik ist praktisch, aber deswegen auch überall: in Verpackungen, To-Go-Bechern, Luftballons oder Zigaretten. Im Durchschnitt hat 2021 jeder Mensch in Deutschland 76 Kilogramm Kunststoffabfall verursacht. Um den zu reduzieren, müssen wir weniger Kunststoffe einsetzen.

Der Vorschlag der Bundesregierung

In den vergangenen zwei Jahren sind in Deutschland zwei Gesetze für besseres Recycling entstanden. Seit Juli 2021 gibt es deshalb keine Trinkhalme und kein Einweggeschirr aus Plastik mehr. Als weiteren Schritt plant die Bundesregierung nun eine sogenannte Einwegkunststoffabgabe: Die Hersteller von Kunststoffen sollen Geld in einen Fonds des Umweltbundesamtes einzahlen, aus dem die Müllentsorgung in den Städten und Gemeinden mitfinanziert wird. Die Idee dahinter ist das „Verursacherprinzip“: Unternehmen, die die Umweltverschmutzung mitverursachen, sollen für den Schaden Verantwortung übernehmen.

Umweltministerin: „Das Problem an der Wurzel packen“

Die Bundesministerin für Umweltschutz, Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), hat den Gesetzentwurf in der ersten Lesung am 19. Januar im Parlament vorgestellt. „Wir packen das Problem mit diesem Gesetz an der Wurzel“, sagte sie. Wenn Hersteller für umweltschädliche Materialien draufzahlen müssten, setze man einen Anreiz, auf umweltfreundlichere Alternativen umzusteigen.

Den Fonds soll eine Kommission aus Vertretern von Umwelt- und Verbraucherverbänden sowie Unternehmen begleiten, die über die Gelder entscheiden.

CDU/CSU: „Gravierende Mängel“

Die Unionsabgeordnete Anja Weisgerber zeigte sich zwar einverstanden mit dem Gesetzesvorhaben, doch gebe es „gravierende Mängel“ bei der Art und Weise, wie diese Kommission organisiert werden soll. Sie sei zu bürokratisch und teuer, denn man müsse die Kommission erst neu bilden. Besser sei es, eine schon bestehende Behörde mit dem Fonds zu beauftragen. Außerdem forderte Weisgerber, dass die Kommission mindestens zur Hälfte aus Vertretern der Unternehmen bestehen müsse, damit auch deren Interessen beachtet würden.

Björn Simon von der Unionsfraktion lenkte den Fokus auf die internationale Ebene: Deutsche Produkte wären im Ausland weniger wettbewerbsfähig, wenn sie teurer würden. Er finde es „nicht sinnvoll“, wenn jedes Land in der EU eigene Maßstäbe hätte – statt vorzupreschen solle Deutschland lieber auf Leitlinien der EU-Kommission warten.

SPD: „Wir wollen Motivation und Umbau“

Das Ziel des Gesetzes sei nicht, Plastik zu verbieten, sondern „Motivation und Umbau“ bei den Kunststoffherstellern zu erreichen, stellte Bernhard Daldrup von der SPD-Fraktion klar. Indem man dem Plastikmüll einen Preis gebe, wüssten die Hersteller, dass auch dessen Entsorgung Geld koste. Die Städte und Gemeinden würden gleich doppelt profitieren: Es gebe weniger Müll auf den Straßen und eine finanzielle Entschädigung dafür, dass sie den Müll wegräumen müssen.

Sein Kollege Michael Thews wies jedoch darauf hin, dass man das Gesetz in Zukunft auf andere umweltunfreundliche Materialien anpassen müsse. „Wir müssen die Entwicklung genau beobachten“, sagte er.

AfD: „Die Bundesregierung beschuldigt Unschuldige“

Andreas Bleck von der AfD verteidigte die Unternehmen: Nicht die Hersteller, sondern die Verbraucher sollten für die illegale Entsorgung von Abfällen bestraft werden. Außerdem fehlten seiner Meinung nach aktuell noch Alternativen zu Plastik. Mit der Abgabepflicht „beschuldigt die Bundesregierung Unschuldige“, meinte er daher. Bleck glaube nicht, dass die neue Regulierung die Umwelt wirklich sauberer mache. Deshalb sei der Gesetzentwurf „ungeeignet“.

FDP: „Wir dürfen uns nichts vormachen“

Judith Skudelny (FDP) sagte, ihre Fraktion wolle darauf achten, dass das Gesetz kosteneffizient und transparent umgesetzt werde. Denn um die Kommission für den Fonds einzurichten, brauche es letztendlich das Geld der Steuerzahler. Skudelny betonte außerdem, dass auch die Bürgerinnen und Bürger für die Verschmutzung verantwortlich seien. „Für den meisten Plastikmüll, vor allem für die Zigarettenkippen, sind die Verursacher in erster Linie die Menschen.“ Sie forderte daher die Städte auf, diese Ordnungswidrigkeiten zu ahnden.

Linke: „Eine reine Show“

Ralph Lenkert von der Fraktion Die Linke warf der Bundesregierung vor, dass die Umsetzung der EU-Vorgaben „eine reine Show“ sei. Er verglich die Arbeit der Ampel-Koalition mit einem Teenager, der das Chaos in seinem Zimmer nur in den Schrank stopft, statt richtig aufzuräumen. Lenkert erinnerte daran, dass die Kunststoffhersteller eigentlich schon seit 2021 für nicht recyceltes Plastik bezahlen müssten – stattdessen würden die meisten Kosten immer noch die Bürgerinnen und Bürger tragen.

Im Namen seiner Fraktion machte er einen Gegenvorschlag: Die 1,37 Milliarden Euro, die Deutschland dieses Jahr für nicht recyceltes Plastik an die EU zahlen müsse, sollten die Hersteller übernehmen. Eine Steuer auf Plastikprodukte würde den Anreiz setzen, weniger davon zu verbrauchen.

Grüne: „Mit Fingerspitzengefühl gemacht“

Jan-Niclas Gesenhues (Bündnis 90/Die Grünen) entgegnete auf die Kritik Fraktionen von CDU/CSU und AfD, dass in der geplanten Kommission in der Tat sechs Vertreter der Hersteller vorgesehen seien. „Die Wirtschaft ist also beteiligt“, stellte er klar. Die Bundesregierung habe den Gesetzentwurf bewusst „ausgewogen und mit Fingerspitzengefühl gemacht“.

Pro Jahr kommen in Deutschland eine Million Tonnen Einwegkunststoff neu auf den Markt. „Angesichts der Dramatik dieser Krise hätte man auch noch deutlich mehr machen können“, räumte der Abgeordnete ein.

Die Details des Gesetzentwurfs und den Gegenantrag der Linken diskutieren die Abgeordneten als nächstes in den Ausschüssen.

Hier seht ihr die Debatte im Video:

Mitmischen-Autorin

Hanna Kazmirowski

Hanna Kazmirowski studiert Interkulturelle Europa- und Amerikastudien in Halle und Paris und hat ein Faible für Französisch und Englisch. Wenn sie mal keine Texte schreibt, Podcasts hört oder mit Leuten spricht, macht sie gerne Sport, Fotos oder Musik. Sie freut sich über alle kleinen und großen Dinge, die sie in der Welt und im Alltag neu entdeckt und lernt.

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