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Arbeitsminister Heil (SPD) „Wir wollen den Menschen mehr zutrauen“

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales stellte sich im Bundestag kritischen Fragen zu Langzeitarbeitslosen und dem geplanten Bürgergeld, zur Situation von Auszubildenden und zur Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt.

Minister Hubertus Heil auf der Regierungsbank im Plenarsaal

Hubertus Heil (SPD) kündigte im Bundestag „grundlegende Veränderung des Sozialstaats“ an. © picture alliance/photothek/Janine Schmitz

„Aus der Krise Fortschritt machen“

Am Mittwoch war der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD) im Bundestag, um sich den Fragen der Abgeordneten zu stellen. Zu Beginn der Regierungsbefragung erklärte er, wie sein Ministerium mit dem Krieg in der Ukraine und dessen Folgen für Deutschland umgehe. Drei Dinge habe man sich vorgenommen:

Erstens solle der Arbeitsmarkt „robust und intakt“ bleiben. In der Pandemie sei es gelungen, durch Kurzarbeit viele Arbeitsplätze zu retten. Zur Erklärung: Unternehmen konnten sich in der Corona-Krise für Kurzarbeit entscheiden, wenn sie weniger Arbeit hatten als sonst. Mitarbeiter, die fest angestellt waren, konnten dann weniger als sonst oder auch gar nicht arbeiten. Trotzdem bekamen sie einen Teil ihres Lohns weiter ausgezahlt und der Arbeitgeber übernahm weiterhin alle Sozialleistungen wie etwa die Krankenversicherung. Das hatte für die Mitarbeiter den Vorteil, dass sie ihren Arbeitsplatz behielten und für das Unternehmen, dass es seine Mitarbeiter halten konnte und bei ihrer Bezahlung vom Staat unterstützt wurde. Als wieder genug Arbeit da war, lief alles wieder wie zuvor.

In Zeiten des Krieges gebe es neue Probleme, sagte Heil, etwa die Störung von Lieferketten. Deshalb habe man die Maßnahmen zur Kurzarbeit verlängert.

Zweitens wolle das Ministerium auf die steigenden Preise antworten und Bürgerinnen und Bürger entlasten. Für diejenigen, die wenig verdienen, komme die Steigerung des Mindestlohns auf zwölf Euro genau richtig – laut Heil „für 6,5 Millionen Menschen eine Lohnerhöhung“. Zur Erklärung: Die Bundesregierung möchte die Lohnuntergrenze zum 1. Oktober auf zwölf Euro brutto die Stunde anheben und hat dazu einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht.

Und drittens sei es wichtig, so der Minister, die vielen Geflüchteten aus der Ukraine „vernünftig zu behandeln“. So würden sie rechtlich mit anerkannten Asylbewerbern gleichgesetzt, damit sie alle Leistungen in Anspruch nehmen könnten, etwa Krankenversicherung. Es werde eine „große Anstrengung“, ihnen Zugang zur deutschen Sprache, zur Kinderbetreuung und zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Aber, sagte Heil, er wolle „aus der Krise Fortschritt machen“.

Keine Strafen mehr für Hartz-IV-Empfänger

Kai Whittaker (CDU/CSU) sprach das Vorhaben der Bundesregierung an, die Strafen (Fachwort Sanktionen) gegen Hartz-IV-Empfänger für ein Jahr aufzuheben. Zur Erklärung: Bei Fehlverhalten müssen die Bezieher dieser Sozialleistung aktuell mit Geldkürzungen rechnen. Das Jobcenter tut dies etwa bei versäumten Terminen oder wenn jemand beispielsweise eine Fortbildung ohne guten Grund abbricht oder eine zumutbare Arbeitsstelle ablehnt.

„Sie stören damit das Rechtsempfinden vieler Bürgerinnen und Bürger“, warf Whittaker dem Minister vor. Der widersprach: Die Bundesregierung wolle „das System grundlegend verändern, entbürokratisieren und den Menschen mehr zutrauen“. Die Aufhebung der Sanktionen sei da nur ein kleiner Schritt, das große Ziel sei das geplante Bürgergeld als bedingungslose Grundsicherung für jeden. Es solle das Hartz-IV-System ablösen. Man dürfe nicht allen Langzeitarbeitslosen unterstellen, sie seien zu faul zum Arbeiten, betonte Heil. Stattdessen müsse man sie „ermutigen und unterstützen“, eine Arbeit zu finden.

Ausbildungsgarantie für alle?

Jens Teutrine (FDP) sagte, während der Pandemie sei die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge dramatisch zurückgegangen. Schüler konnten weniger Praktika machen, die Berufsorientierung sei damit schwieriger geworden, und so komme es weiter zu „Mismatching“. Das bedeutet: Für einen offenen Ausbildungsplatz bewerben sich nicht die passenden Kandidaten. Heil gab dem Abgeordneten recht, Corona habe die Situation für junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchten, erschwert. Die Bundesregierung wolle das mit einem „Sommer der Ausbildung“ ausgleichen und gleichzeitig strukturelle Maßnahmen umsetzen, um dafür zu sorgen, dass genug Ausbildungsplätze angeboten werden. Er persönlich fände es außerdem gut, wenn ab der 7. Klasse ein Fach „Arbeit, Technik, Wirtschaft“ angeboten würde, in dem Schülerinnen und Schüler verschiedene Berufe kennenlernten.

Mareike Wulf (CDU/CSU) fragte nach der im Koalitionsvertrag angekündigten Ausbildungsgarantie. Die werde kommen, antwortete der Minister. Ziel sei, möglichst jedem jungen Menschen eine Chance auf Ausbildung zu geben. Aufgrund der unterschiedlichen Situation in den verschiedenen Regionen Deutschlands könne man das aber nicht „mit einem einzigen Schalter“ umsetzen, sondern brauche „ein Setting von Instrumenten“.

Weiterbildungspläne

Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen) fragte, was die von der Ampel-Koalition geplante Transformation – also die Wandlung der Gesellschaft in verschiedenen Bereichen wie Klimaschutz und Digitalisierung – für den Arbeitsmarkt bedeute. Heilt antwortete: Wenn man „die Beschäftigten von heute“ dazu befähigen wolle, „die Arbeit von morgen“ zu machen, brauche es eine nationale Strategie für Weiterbildung. Die beinhalte verschiedene Maßnahmen, etwa ein „Lebenszeiten-BAföG“ oder einen „Transformationszuschuss“ für Unternehmen, die in Weiterbildung investierten.

Geflüchtete in Arbeit bringen

Rasha Nasr (SPD) wollte wissen, was zu tun sei, um Geflüchtete besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Heil sagte, die Fachkräftesicherung sei ein wichtiges Thema. Man müsse zum einen „inländische Potenziale heben“, indem man zum Beispiel dafür sorge, dass Menschen, die hier leben, eine Ausbildung bekämen, sich weiterbilden könnten und nicht langzeitarbeitslos würden. Zum anderen brauche man aber auch Arbeitskräfte aus dem Ausland. Deshalb wolle die Bundesregierung „das Einwanderungsgesetz grundlegend erneuern“. Heil betonte: „Es kommen nicht nur Arbeitskräfte, es kommen Menschen“ – deshalb müsse man das Thema Integration von Anfang an mitdenken.

Maßnahmen gegen Altersarmut

René Springer (AfD) sprach die Situation von Rentnerinnen und Rentnern an und kritisierte, dass sie bei dem kürzlich vom Bundestag beschlossenen Entlastungspaket der Bundesregierung nicht bedacht worden seien. Dem widersprach der Minister. Der Heizkostenzuschuss etwa werde an Wohngeld-Empfänger ausgezahlt, die Hälfte seien Rentner. In einem Punkt stimmte er allerdings zu: „Ich gebe Ihnen recht, dass wir mehr gegen Altersarmut tun müssen.“ Der beste Weg sei seiner Ansicht nach, so Heil, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Denn: „Altersarmut ist die Folge von Armut im Erwerbsleben.“ Die Erhöhung des Mindestlohns sei ein wichtiger Schritt.

Matthias W. Birkwald (Die Linke) begrüßte es, dass Menschen, die aufgrund von chronischen Erkrankungen nicht mehr arbeiten können, in Zukunft durch die Grundrente mehr Geld bekommen sollen. Er wollte wissen, mit wie viel sie rechnen könnten. Heil antwortete, er könne den Haushaltsverhandlungen im Bundestag nicht vorgreifen. Zur Erklärung: Voraussichtlich am 3. Juni wird der Bundestag entscheiden, wieviel Geld die Bundesregierung für welche Bereiche ausgeben darf. Auf jeden Fall sei die Grundrente aber eine „Riesenverbesserung“ für drei Millionen Menschen in Deutschland, sagte Heil.

Die komplette Regierungsbefragung seht ihr hier im Video:

(jk)

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