Jürgen Pohl (AfD) „Mindestlohn kein Schutz vor Altersarmut“
Die Bundesregierung will den Mindestlohn auf 12 Euro pro Stunde erhöhen. Die Richtung stimmt, sagt Jürgen Pohl von der AfD-Fraktion. Er kritisiert jedoch die Höhe, das Verfahren und noch einiges mehr.
Die Bundesregierung möchte den gesetzlichen Mindestlohn ab Oktober auf 12 Euro pro Stunde anheben. Eine gute Idee?
Grundsätzlich begrüße ich die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro pro Stunde. Ich kritisiere allerdings die Höhe. Sie garantiert nicht einmal einen Schutz vor Altersarmut.
Außerdem finde ich die Art, wie die Mindestlohnerhöhung beschlossen wird, nicht in Ordnung. Eigentlich zuständig ist die Mindestlohnkommission, die die Höhe nach vielen Kriterien herleitet. Sie hat zuletzt im Juni 2020 mit konkreten Ergebnissen getagt. Seitdem wurde auf politischer Ebene viel über den Mindestlohn gestritten. Und dann hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für die Erhöhung vorgelegt.
Den Mindestlohn ohne Einbezug der eigentlich zuständigen Mindestlohnkommission zu erhöhen, untergräbt das Vertrauen in die staatlichen Institutionen. Die Höhe ist jetzt rein politisch bestimmt. Das finde ich falsch. Der Mindestlohn sollte wieder nach ökonomischen Kriterien festgelegt werden.
Können Menschen, die 12 Euro verdienen, eine auskömmliche Rente erwirtschaften?
Nein. Laut Berechnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales reichen 12 Euro Mindestlohn pro Arbeitsstunde nicht, um nach 45 Arbeitsjahren eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu bekommen.
Menschen, die im Alter von der Grundsicherung – also von Sozialleistungen – leben, benötigen im Durchschnitt 856 Euro brutto, sofern sie nicht in einer Einrichtung für Senioren leben. Der neue Mindestlohn würde nicht ausreichen, um auf diesen Betrag zu kommen. Berechnungen zufolge bräuchte es einen Stundenlohn von 12,97 Euro, um nach 45 Jahre Vollzeitarbeit eine Netto-Rente in dieser Höhe zu bekommen. Die Bundesregierung sollte deshalb doch bitte ihre eigenen Berechnungen zur Kenntnis nehmen.
Mit demselben Gesetz will die Regierung auch die Minijob-Verdienstgrenze von 450 auf 520 Euro erhöhen. Finden Sie das richtig?
Mit Minijobs sind Beschäftigungsverhältnisse gemeint, bei denen die Menschen bisher nicht mehr als 450 Euro verdienen. Man nennt diese Arbeitnehmer auch geringfügig beschäftigte Personen. Sie müssen zum Beispiel keine Lohnsteuer auf ihr Gehalt zahlen.
Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung die Verdienstmöglichkeiten der geringfügig Beschäftigten ausweiten. Die Verdienstgrenze soll auf 520 Euro angehoben werden.
Ich finde das nicht richtig. Meiner Meinung nach werden damit die schlechten Arbeitsbedingungen dieser Beschäftigungsverhältnisse ausgeweitet und zementiert. Das lehne ich als Sozialpolitiker ab, insbesondere mit Blick auf die drohende Altersarmut, die oft damit einhergeht. Viele dieser Arbeitnehmer werden so in diesen Verhältnissen angestellt bleiben und müssen ihr Gehalt dauerhaft mit Hartz IV aufstocken. Hierdurch verfestigt sich eine fehlende soziale Absicherung für Arbeitnehmer, da sie unter anderem keinen Anspruch auf Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld haben.
Bei der Debatte haben Sie in Ihrer Rede das Thema Inflation angesprochen. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Mindestlohn und Inflation?
Inflation, also Teuerung, bezeichnet den Anstieg des Preisniveaus über einen bestimmten Zeitraum. Steigt das allgemeine Preisniveau, kann man für jeden Euro weniger Güter und Dienstleistungen kaufen. Folglich kann der Arbeitnehmer für 12 Euro Mindestlohn weniger Waren erwerben als zum Beispiel noch vor einem halben Jahr. Die Inflation frisst also den Vorteil des nun höheren Mindestlohnes sofort auf. Auch deshalb fällt der Lohnanstieg gar nicht so üppig aus, wie die Fraktionen der Ampel-Koalition behaupten.
Sie sagten auch, die AfD wolle mit „einer soliden Wirtschafts- und Sozialpolitik Mindestlöhne endlich überflüssig werden lassen“ – welche Maßnahmen meinen Sie?
Gemeint ist eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, zu der Wohlstandslöhne gehören, auf deren Basis man eine Familie gründen kann. Im besten Fall sollte man so auch in der Lage sein, ein Eigenheim kaufen zu können und zur Alterssicherung beizutragen. Was früher noch möglich war, bleibt heutigen Normalverdienern meist verwehrt.
Ursache hierfür ist die Lohnzurückhaltung der letzten Jahrzehnte, die auch politisch gewollt war. Bei dem, was zu verteilen gewesen ist, wäre für die Arbeitnehmer viel mehr drin gewesen. So gingen Hundertausende einträgliche Arbeitsplätze verloren und damit Wachstums- und Wohlstandschancen. Mit einer gerechteren Lohnentwicklung wäre der Mindestlohn überflüssig, denn er ist nur eine Notlösung auf Zeit.
Die AfD würde zudem in Mitteldeutschland eine Sonderwirtschaftszone errichten. Dort wären Abgaben und Steuersätze niedriger. Außerdem sollten dort einfachere Regeln in vielen Bereichen gelten, etwa im Baurecht.
Zur Person
Jürgen Pohl wurde 1964 in Magdeburg geboren. Er machte zunächst eine Berufsausbildung zum Elektromonteur, studierte dann Rechtswissenschaften an der Universität Halle. Seit 1992 ist er Rechtsanwalt in eigener Kanzlei und seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.
(Mira Knauf)