Fachkräftemangel Gesetz soll Einwanderung vereinfachen
Fachkräfte aus dem Ausland sollen helfen, die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu verbessern. Die Bundesregierung hat dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Im Plenum diskutierten die Fraktionen darüber.
In der Pflege, in der Kinderbetreuung, in der IT: In Deutschland fehlen viele Fachkräfte. Die Bundesregierung hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem sie dem Fachkräftemangel etwas entgegensetzen möchte. In dem Entwurf „zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ heißt es, man wolle in erster Linie weiterhin inländische und innereuropäische Potenziale heben.
Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten
Dies reiche aber nicht aus, um den Fach- und Arbeitskräftebedarf zu sichern. Deswegen müsse man zusätzlich Fachkräfte aus Drittstaaten gewinnen und ihnen in Deutschland einen rechtmäßigen Aufenthalt gewähren, schreibt die Bundesregierung. Als Drittstaatsangehörige werden übrigens alle Bürgerinnen und Bürger aus Ländern bezeichnet, die nicht der EU oder dem Europäischen Wirtschaftsraum angehören.
Drei Säulen der Fachkräfteeinwanderung
Das letzte Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung stammt aus dem Jahr 2020. Die Bundesregierung schreibt, eine qualifikations- und bedarfsorientierte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt habe sich hier bewährt. Die Fachkräfteeinwanderung soll – aufbauend auf dem Gesetz von 2020 – künftig auf drei Säulen beruhen: auf der Fachkräftesäule, der Erfahrungssäule und der Potenzialsäule.
Fachkräftesäule: Die Blaue Karte EU
Laut Entwurf soll die Fachkräftesäule das zentrale Element der Einwanderung bleiben. Damit ist die Einwanderung gemeint, wie sie derzeit im Zusammenhang mit der sogenannten Blauen Karte EU erlaubt ist. So soll „hochqualifizierten Drittstaatsangehörigen“ der Aufenthalt in der EU ermöglicht werden. Antragsteller müssen ein abgeschlossenes Hochschulstudium nachweisen und es gibt eine Gehaltsgrenze, die erfüllt werden muss. Die Blaue Karte EU ermöglicht beispielsweise einen vereinfachten Familiennachzug, einen unbefristeten Aufenthalt oder einen Jobwechsel.
Mit dem Gesetzentwurf würden bestehenden Gehaltsschwellen für Berufe, die besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind, abgesenkt. Gehaltsschwellen legen nämlich fest, ab welchem Bruttogehalt bestimmte dauerhafte Aufenthaltstitel beantragt werden können. So soll eine niedrige Mindestgehaltsschwelle für Berufsanfänger mit akademischem Abschluss geschaffen werden. Das erleichtere die Arbeitsaufnahme für Berufseinsteiger.
Erfahrungssäule: Nachträgliches Anerkennungsverfahren
Die Erfahrungssäule würde Fachkräften in Zukunft die Einwanderung ermöglichen, auch wenn der Berufsabschluss in Deutschland nicht formal anerkannt sei. Unter der Voraussetzung, dass ein Arbeitsvertrag besteht, dürfte trotzdem eingewandert werden. Dafür werden eine berufliche Qualifikation und mindestens zweijährige Erfahrung gefordert. Ein Anerkennungsverfahren müsste dann nachträglich durchlaufen werden.
Potenzialsäule: Die Chancenkarte
Die Potenzialsäule richtet sich an Menschen, die noch keinen Arbeitsvertrag in Deutschland haben. Mit der sogenannten Chancenkarte soll es den Anwärtern ermöglicht werden, nach Deutschland zu kommen und vor Ort nach Arbeit zu suchen. Voraussetzungen dafür seien unter anderem Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug, heißt es im Entwurf. Zudem biete die Chancenkarte Möglichkeiten zur Probearbeit oder Nebenbeschäftigung.
Über diese Möglichkeit der Einwanderung haben wir auch im Interview mit Arbeitsmarktexperte Ulrich Walwei gesprochen. Mehr dazu hier.
Weitere Neuerungen
Neu ist laut Bundesregierung auch, dass IT-Spezialisten künftig eine Blaue Karte EU erhalten können, wenn sie zwar keinen Hochschulabschluss besitzen, „aber bestimmte non-formale Qualifikationen nachweisen können“. Man wolle mit diesen Regelungen die Attraktivität Deutschlands für „besonders qualifizierte Drittstaatsangehörige“ steigern, heißt es in der Vorlage.
Auch die Aufnahme eines Studiums in Deutschland soll attraktiver gemacht werden. Zum Beispiel soll es erweiterte Möglichkeiten zur Nebenbeschäftigung bei Studienaufenthalten geben.
In einer knapp 70-minütigen Debatte diskutierten die Fraktionen im Plenum über den Gesetzentwurf.
SPD: „Eines der modernsten Einwanderungsrechte der Welt“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser eröffnete die Debatte und betonte, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei. Es sei ein Fehler gewesen, das lange nicht anzuerkennen. Nun fehlten Hunderttausende Fachkräfte und der Fachkräftemangel schade dem Land. Und er bremse bei wichtigen Themen wie beim Klimaschutz. Denn auch für den Ausbau von Solar- und Windenergie fehlten im Moment mehr als 200.000 Fachkräfte.
Die Ministerin sagte deshalb deutlich, dass man mehr Fachkräften aus anderen Ländern brauche, um den Fachkräftebedarf zu decken. Wer das nicht wahrhaben wolle, gefährde die Unternehmen, die Wirtschaft und den Wohlstand des Landes. Um attraktiver zu werden, müssten Fachkräfte aus dem Ausland sich wohlfühlen. Dafür brauche man in Deutschland ein sicheres Umfeld und eine gute Willkommenskultur. Die Vorlage sei ein Entwurf für eines der modernsten Einwanderungsrechte in der Welt, so Faeser.
CDU/CSU: „Einwanderung von Minderqualifizierten“
Deutschland brauche ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das diesen Namen auch verdiene, fand Alexander Throm von der CDU/CSU-Fraktion. Diesem Anspruch werde das Gesetz nicht gerecht. Denn die Antwort auf alle Fragen laute, die Anforderungen an die Qualifikation zu reduzieren. Damit werde das Einwanderungsgesetz in eine Einwanderung von Minderqualifizierten verkehrt, so Throm.
Eine gute Ausbildung und eine gute Qualifikation seien aber der Garant für einen langfristigen sicheren Arbeitsplatz und verhinderten auch Einwanderung in die Sozialsysteme. Denn es sei besonders wichtig, das Sozialsystem vor Missbrauch zu schützen, so der Abgeordnete. Zum Abschluss schlug Throm vor, eine neue Bundesagentur für Einwanderung zu schaffen, die die überlasteten Ausländerbehörden in den Kommunen entlastet könne.
Grüne: „Fachkräfte stärken unsere Sozialsysteme“
Deutschland brauche eine Willkommenskultur, die die Menschen, die in unser Land kommen, einlade, forderte Katharina Dröge von der Grünenfraktion und kritisierte die Politik der CDU/CSU-Fraktion stark. Die Menschen, die als Fachkräfte zu uns kämen, hätten einen Arbeitsplatz und zahlten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Somit stärkten sie unsere Sozialsysteme, so Dröge.
Sie führte die Tatsache, dass so viele Fachkräfte fehlten, auf die 16 Jahre unionsgeführte Politik zurück und mahnte, die CDU/CSU-Fraktion würde den deutschen Wirtschaftsstandort ruinieren, wenn sie so weitermache.
FDP: „Müssen ein attraktives Land werden“
Schon rein aus wirtschaftlicher Perspektive sei man dazu gezwungen, ein Einwanderungsland zu sein, sagte Lukas Köhler (FDP). Er glaube, man müssen den Standort Deutschland dringend verbessern, denn es gebe schon längst nicht nur ein reines Fachkräfteproblem, sondern einen Arbeitskräftemangel. Deutschland müsse deshalb ein attraktives Land werden und der Gesetzentwurf gehe genau in die richtige Richtung, so Köhler. Zudem müssten die bürokratischen Verfahren einfach und möglich gemacht werden. Denn Leute, die kommen wollten, dürften nicht daran gehindert werden, schloss der Abgeordnete.
AfD: „Regierung wirbt um Minderqualifizierte“
Wenn die Einwanderungshürden weiter abgesenkt würden, kämen zwar mehr Migranten ins Land, aber Fachkräfte würden dabei in der Minderzahl sein, schätze Gerrit Huy von der AfD-Fraktion. Da die Hochqualifizierten nicht mehr kämen, werbe die Regierung jetzt um die Minderqualifizierten, kritisierte Huy weiter. Viele davon würden wohl kurzzeitig im Arbeitsmarkt auftauchen, sich langfristig aber in den Sozialsystemen zu Hause fühlen. Man sollte stattdessen endlich das „millionenschwere Arbeitskräftepotenzial aus dem Bürgergeld in den Arbeitsmarkt bringen“, so Huy.
Linke: „Arbeitgeber müssen sich an eigene Nase fassen“
Gute Arbeitsbedingungen und anständige Löhne müssten das Fundament der Fachkräfteeinwanderung sein, betonte Susanne Ferschl von der Linksfraktion. Aber die Situation sei nicht so dramatisch, wie sie dargestellt werde, fuhr sie fort. Nur in 26 von 144 Berufsgruppen gebe es derzeit einen Mangel. Vielmehr fehlten Arbeitskräfte vorrangig dort, wo die Löhne niedrig und die Arbeitsbedingungen schlecht seien, so Ferschl. Arbeitgeber müssten sich deshalb „an die eigene Nase fassen“. Eine hohe Tarifbindung, Sozialversicherungspflicht und eine dauerhafte Bleibeperspektive seien die Voraussetzungen für eine Erwerbsmigration.
Die komplette Debatte könnt ihr euch im Video ansehen. Das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de. Außerdem gab es eine Anhörung des Innenausschusses zum Thema Fachkräfteeinwanderung. Mehr darüber lest ihr hier.