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Nationale Strategie Wie holen wir Olympia nach Deutschland?

Eric Matt

Zehntausende Menschen in Stadien, bunt bemalte Gesichter und mitreißende Wettkämpfe – das machen sportliche Großveranstaltungen aus. Deutschland will attraktiver Austragungsort sein, dafür gibt es nun eine Nationale Strategie. Doch mit dieser waren Experten unzufrieden.

Athletin beim Hochsprung

Olympische Spiele in Deutschland? Die gab es seit fast 50 Jahren nicht mehr. Das soll sich mit der Nationalen Strategie für Sportgroßveranstaltungen ändern. © Shutterstock.com/Diego Barbieri

Ob Fußball-Europameisterschaften, Olympische und Paralympische Spiele oder Handball-Weltmeisterschaften: Sportliche Großveranstaltungen elektrisieren die Massen, sie schaffen ein „Wir-Gefühl“ und sie sind für das austragende Land auch eine Möglichkeit, sich der Welt zu präsentieren.

Doch welches Land darf welches Turnier austragen? Dies entscheidet sich durch sehr unterschiedliche Bewerbungsprozesse, in denen viele Länder miteinander konkurrieren. Die Bewerbungen sind komplex und Ausschreibungen hart umkämpft.

Deutschland kann auf Erfolge zurückblicken: Im vergangenen Jahrzehnt fanden über 50 Welt- und Europameisterschaften in unserem Land statt. Damit das so bleibt, haben Entscheider aus Sport und Politik nun eine Nationale Strategie Sportgroßveranstaltungen entworfen. Doch ist diese Strategie gelungen? Das wollte vor Kurzem der Sportausschuss von Experten in einer Anhörung wissen.

Was steht drin?

Zuständig für die Strategie war das Bundesinnenministerium, das aktuell Horst Seehofer (CSU) leitet, und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). Der DOSB ist ein Dachverband, dem rund 90.000 deutsche Sportvereine angehören. Insgesamt umfasst das Strategiepapier knapp 100 Seiten.

Darin steht: Nötig sei die Strategie vor allem, da „die Konkurrenz in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen“ sei. So hätten beispielsweise „verschiedene Länder in Asien ihre Position auf dem Sportmarkt stark ausgebaut“. Daher müsse Deutschland „besser werden und weiterhin aktiv bleiben, um das hohe deutsche Niveau in der Ausrichtung von Sportgroßveranstaltungen bei international wachsendem Wettbewerb zu halten“, heißt es in der Einleitung.

Die zentralen Ziele der Strategie seien „zum einen, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands international zu sichern und zu stärken und zum anderen, große Sportereignisse dazu nutzen, unsere Gesellschaft positiv weiter zu entwickeln“. Ein weiteres Ziel der Strategie sei außerdem, dass Deutschland zukünftig wieder Olympische und Paralympische Spiele austragen solle. Dies war zuletzt 1972 der Fall. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD ist eine Strategie für Sportgroßveranstaltungen vorgesehen.

"Starke Bilder machen einen riesen Unterschied"

„Sportgroßveranstaltungen in Deutschland zählen. Erinnerungen zählen. Starke Bilder machen einen riesen Unterschied“, sagte der ehemalige Basketball-Nationalspieler Johannes Herber, der als Geschäftsführer des Vereins „Athleten Deutschland" geladen war.

Er selbst habe seine Liebe zum Basketball erst entdeckt, als die Europameisterschaft 1993 in Deutschland stattfand. „Ich war zehn. Ich hatte noch nie ein Basketballspiel gesehen. Und elf Jahre später wurde ich selbst Nationalspieler“, so Herber. Der Experte sprach sich dafür aus, dass sich Deutschland stärker vernetzen müsse, um so „internationale Präsenz“ zu zeigen.

Welche Sportereignisse können teuer werden?

Tilman Heuser, Berliner Landesgeschäftsführer beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), erklärte, dass „fast alle Sportgroßveranstaltungen in Deutschland auf eine breite Akzeptanz“ träfen und es keine „mangelnde Begeisterung“ gebe.

Kontrovers werde es nur dann, wenn „Sportgroßveranstaltungen einen erheblichen Aus- und Neubau von Sportinfrastruktur erfordern und mit hohen Kosten verbunden sind“. Doch welche Sportveranstaltungen dies im Einzelnen sind, thematisiere die Nationale Strategie nicht. Daher „fehlt es der Strategie bereits an der Analyse“.

Auch die Schattenseiten beleuchten

„Weder ein Nachhaltigkeits- noch ein Menschenrechtskonzept wird überhaupt nur erwähnt, obwohl das inzwischen Standard bei Sportgroßveranstaltungen ist“, kritisierte Sylvia Schenk, die für Transparency International Deutschland geladen war.

Die ehemalige Olympia-Teilnehmerin sprach von „krampfhaftem Bemühen, nur die positiven Auswirkungen heranzuziehen und die Risiken allenfalls verschämt zu erwähnen“. Sie forderte für das Planen und Umsetzen von Sportgroßveranstaltungen „Transparenz, echte Partizipation, Schutz der Umwelt, Maßnahmen gegen den Klimawandel und die Achtung der Menschenrechte“.

„Das Papier ist untauglich“

Unzufrieden zeigte sich auch der Sportjournalist Jens Weinreich. Er erklärte: „Das Papier in dieser Form ist untauglich. Sie sollten das stoppen und dafür sorgen, dass das völlig neu erarbeitet wird.“

Der Nationalen Strategie fehle es „grundsätzlich an Transparenz in jeder Beziehung“, da im 21. Jahrhundert „zwingend öffentlich debattiert“ und auch Finanzen offengelegt werden müssten. Weinreich beendete seine Rede: „Es mangelt an Kompetenz und die Bevölkerung hat kein Vertrauen.“

„Nicht zur Publikation geeignet“

Prof. Dr. Jürgen Schwark von der Deutschen Sporthochschule Köln sagte, dass durch eine Sportgroßveranstaltung „die gesellschaftlichen und sozialen Widersprüche für zwei, drei Wochen verdrängt, aber nicht überwunden werden“ könnten.

Die Nationale Strategie beinhalte viele begriffliche Unschärfen, unzutreffende Behauptungen und widersprüchliche Anforderungen. „Von meiner Seite erhält der Text das Prädikat: nicht zur Publikation geeignet“, urteilte Schwark.

Umsetzung bleibt fraglich

Als Experte war auch Dr. Holger Preuß geladen, der an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Sportsoziologie und Sportökonomie lehrt. Er erklärte, dass eine Nationale Strategie für Sportgroßveranstaltungen durchaus Erfolg haben könne. Dies zeigten beispielsweise Großbritannien, Dänemark oder Kanada.

Deutschland habe von diesen Ländern „viele der guten und bewährten Ansätze aufgenommen und systematisch weitergedacht“. Fraglich sei aber noch die „organisatorische Umsetzung“, da es bisher noch viele ungeklärte Fragen gebe.

Die gesamte Expertenanhörung des Sportausschusses könnt ihr auf bundestag.de nachlesen oder euch im Video anschauen.

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
Mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

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