Service für Abgeordnete „Statistiken helfen bei Entscheidungen“
Wie viele Kinder müssen aktuell zuhause betreut werden? Wie viele Grippe-Tote es gab im Winter? Wenn Abgeordnete diese und andere Zahlen wissen möchten, fragen sie Bettina Mertel. Sie leitet das Servicebüro für Statistik im Bundestag.
Was sind typische Themen, zu denen Abgeordnete Zahlen erfragen?
Im Moment erreichen uns viele Anfragen, die mit der Corona-Pandemie zusammenhängen: Wie viele Familien oder Alleinerziehende haben Kinder, die Zuhause betreut werden müssen, wenn Schulen und Kitas geschlossen sind? Was verdienen Menschen, die in Berufen arbeiten, die als relevant für unser Wirtschafts- oder Gesundheitssystem gelten? Wie viele Menschen sind im letzten Jahr an den Folgen der saisonalen Grippe gestorben und wie alt waren sie? Wie viele intensivmedizinische Betten gibt es in deutschen Krankenhäusern? Wie viele Selbständige gibt es, die das Soforthilfeprogramm der Bundesregierung in Anspruch nehmen können? Wie entwickelt sich die Nachfrage nach Toilettenpapier, Desinfektionsmittel oder Seife?
Und in Nicht-Corona-Zeiten?
Das Statistische Bundesamt erstellt insgesamt 378 Statistiken – zu Themen wie Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit oder etwa Umwelt. Die Abgeordneten fragen nach allen Themenbereichen, manchmal stellen wir sehr umfangreiche Datenpakete zusammen.
Wie häufig bekommen Sie Anfragen von Abgeordneten?
Im Durchschnitt erreichen uns vier bis fünf Anfragen pro Arbeitstag, die meisten davon telefonisch oder per E-Mail.
Wie schnell können Sie in der Regel antworten?
Das ist sehr unterschiedlich. Wenn nur nach einer Zahl oder Tabelle gefragt wird, die in unserer Datenbank vorliegt, können wir diese schnell zusenden. Aber manchmal müssen wir Kollegen aus unseren Fachbereichen in Wiesbaden und Bonn bitten, Sonderauswertungen anzufertigen.
In der Regel beantworten wir alle Anfragen per E-Mail. So können die Abgeordneten die Informationen in Ruhe nachlesen und wir vermeiden Missverständnisse oder Zahlendreher.
Sie sprachen von Sonderauswertungen, was genau ist das?
Das bedeutet, dass die Informationen zwar grundsätzlich in unseren Datensätzen enthalten sind, aber nicht standardmäßig ausgewertet werden. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir weisen die Größe von Unternehmen anhand der Zahl ihrer Beschäftigten aus, und zwar normalerweise für 0-9, 10-49, 50-249 und 250 und mehr Beschäftigte. Wenn dann jemand nach Unternehmen mit weniger als 100 oder mehr als 500 Beschäftigten fragt, müssen wir diese Zahlen extra berechnen.
Am aufwändigsten sind Anfragen zu Zahlen für Landkreise oder Gemeinden. Die müssen wir mit den Statistischen Landesämtern koordinieren.
Was passiert mit den Antworten, wie werden sie im Bundestag genutzt?
Statistiken helfen den Abgeordneten bei Entscheidungen, etwa wenn sie neue Gesetze beschließen möchten oder bestehende Gesetze überprüfen wollen. Unsere Zahlen helfen den Parlamentariern auch dabei, den Erfolg oder Misserfolg politischer Programme und Maßnahmen einschätzen zu können. So haben wir beispielsweise ein sogenanntes Integrations-Monitoring. Das liefert Zahlen, wie die gesellschaftliche Eingliederung ausländischer Mitbürger beziehungsweise von Menschen mit Migrationshintergrund läuft, und zwar im Bildungssystem, auf dem Arbeitsmarkt und in anderen Bereichen. Wir haben auch Nachhaltigkeits-Indikatoren. Die messen, ob die Maßnahmen gegen den Klimawandel greifen und zum Beispiel erneuerbare Energien stärker genutzt werden oder die Wirtschaft ressourcenschonend arbeitet.
Was, wenn eine Frage nicht beantwortet werden kann? Kann das auch Anstoß für eine neue Erhebung sein?
Unsere wichtigsten Datenquellen sind natürlich unsere eigenen. Wir recherchieren aber auch in den Datenbanken amtlicher Datenhalter in Europa und weltweit. Sofern wir wissen, welche andere vertrauenswürdige Stelle über die entsprechenden Daten verfügt, zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit oder das Robert-Koch-Institut, dann bitten wir die Abgeordneten, dort direkt nachzufragen.
Eine neue Erhebung können wir nicht ohne weiteres durchführen. Welche Statistiken wir erstellen dürfen, ist genau gesetzlich geregelt. Aber natürlich kann der Bedarf an Daten irgendwann auch in ein neues Statistikgesetz münden. Dieses würde vom Bundestag oder dem Europäischen Parlament beschlossen.
Über Bettina Mertel
Bettina Mertel hat an der Freien Universität Berlin Soziologie studiert. Ihre Nebenfächer waren Volkswirtschaftslehre und Statistik. Seit 2008 arbeitet sie beim Statistischen Bundesamt – erst in der Zweigstelle in Bonn, dann im Haupthaus in Wiesbaden und seit 2011 in Berlin. Das Servicebüro für Statistik im Deutschen Bundestag leitet sie seit Ende 2014.
(jk)