Nachhaltigkeit Opposition kritisiert Strategiepapier der Regierung
Eric Matt
Die Wirtschaft soll wachsen, aber Klima und Umwelt sollen darunter nicht leiden. Wie kann das gelingen? Die Bundesregierung beschreibt ihre Sicht in der „Nationalen Bioökonomiestrategie“. Die Opposition sieht das Papier überwiegend kritisch.
Die Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt, Wetterextreme nehmen zu, Ressourcen schrumpfen und gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung weiter – bis zum Jahr 2100 womöglich auf über elf Milliarden Menschen.
Was kann Deutschland beitragen, damit die Weltgemeinschaft diese Herausforderungen meistern kann? Die Bundesregierung antwortet auf diese Frage mit der Nationalen Bioökonomiestrategie, über die die Abgeordneten des Deutschen Bundestages kürzlich debattierten.
Die Reaktionen reichten vom Lob dafür, dass die Gesellschaft eingebunden werden soll bis zum Vorwurf, das Ganze sei "dreist und scheinheilig".
Was bedeutet Bioökonomie?
Das Wort Bioökonomie setzt sich aus den Wörtern Bio, also biologisch, und Ökonomie, also Wirtschaft, zusammen.
Die Bioökonomie beschäftigt sich mit der elementaren Frage, wie Gesellschaften sich einerseits wirtschaftlich weiterentwickeln, andererseits aber Klima und Umwelt schützen können. Laut Bundesregierung gehe es hierbei um die „Grundfragen der Welt von morgen“.
Was steht im Strategiepapier?
Das Strategiepapier erklärt auf rund 40 Seiten, wie Deutschland „Ökonomie und Ökologie für ein nachhaltiges Wirtschaften verbinden“ und „biologisches Wissen mit technologischen Lösungen“ vereinen kann. Zuständig für die Nationale Bioökonomiestrategie sind vor allem das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie das Bundeslandwirtschaftsministerium.
Die Bundesregierung möchte beispielsweise Gas und Kohle – sogenannte fossile, endliche Rohstoffe – durch Holz oder Pflanzen – also nachwachsende Rohstoffe – ersetzen. Dadurch soll CO2 eingespart werden. CO2 ist die Abkürzung für Kohlenstoffdioxid. Das Gas ist für den Klimawandel maßgeblich mitverantwortlich.
Ebenso wirbt das Strategiepapier beispielsweise dafür, „die Risiken von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft“ zu reduzieren oder auch weniger Fleisch zu essen.
Um die Herausforderungen zu bewältigen, müsse man in neue Technologien, Digitalisierung und Forschung investieren. Die Bundesregierung plädiert dafür, die Probleme europaweit und global anzugehen.
Bundesregierung: „Nachhaltigkeit made in Germany“
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) erklärte in der Debatte: „Die wachsende Weltbevölkerung benötigt immer mehr Nahrungsmittel und Rohstoffe, und gleichzeitig müssen wir Klima, Umwelt und Artenvielfalt schützen.“
Deshalb müsse Deutschland jetzt die „Weichen zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft“ stellen, damit „unsere Kinder und Enkelkinder sehen, dass wir Nachhaltigkeit auch in Generationengerechtigkeit denken“.
Um dies zu schaffen, brauche es „Technologieoffenheit statt ideologischer Scheuklappen“. Die Bioökonomiestrategie setze sich für eine Nachhaltigkeit ein, „die dann der Exportschlager made in Germany der Zukunft ist“.
CDU/CSU: „Vorreiterrolle“
„Die Bioökonomie zeigt uns, dass sich Ökonomie und Ökologie nicht ausschließen, sondern wir können sie auf kluge Art und Weise miteinander verbinden und vernetzen und so was gutes Neues erschaffen“, sagte Katrin Staffler von der Fraktion CDU/CSU.
Hierbei habe „Deutschland in der Bioökonomie seit Jahren einen Spitzenplatz“, weshalb man eine „Vorreiterrolle“ einnehmen müsse.
Dabei solle man auch Bürgerinnen und Bürger mitnehmen, denn es gebe „heute noch viel zu viele Vorbehalte gegenüber modernen, sicheren, hilfreichen biobasierten Technologien“.
SPD: „Zukunftsweisender Ansatz“
Der SPD-Abgeordnete René Röspel erklärte, die Bioökonomie sei „ein sehr zukunftsweisender Ansatz, wenn nicht sogar der einzige Ansatz, der unsere Existenz nachhaltig sichern wird“. Bioökonomie sei aber nicht nur „das Miteinander von Ökologie und Ökonomie plus Sozialem“, sondern sie müsse „im Zentrum des Wirtschaftens“ stehen.
Er ergänzte in Richtung Bundesregierung: „Ausdrücklich gut finden wir in der Strategie, dass Sie mehr Partizipation der Zivilgesellschaft vorhaben.“ Anstatt sich auf einzelne Technologien festzulegen, sprach sich Röspel für einen ganzheitlichen Ansatz aus.
AfD: „Wissenschaftlich nicht anerkannt“
Norbert Kleinwächter von der AfD-Fraktion sagte, dass „die Nationale Bioökonomiestrategie der Bundesregierung nicht viel mit Forschung und Wissenschaft zu tun“ habe. Der AfD-Abgeordnete sprach sich für „Biotechnologie“ anstatt Bioökonomie aus, da letztere „wissenschaftlich überhaupt nicht anerkannt“ sei.
Kleinwächter richtete seine Worte an die Bundesregierung: „Sie bauen Arbeitsplätze ab. Sie tragen dazu bei, dass der Mittelstand im Prinzip nicht mehr frei forschen und entwickeln kann. Und genau das ist eine Gefahr für Deutschland.“
FDP: „Sehr schwammig“
Mario Brandenburg von der FDP-Fraktion kritisierte, dass die Strategie der Bundesregierung „leider sehr schwammig“ und schwer messbar sei. Auch wenn er das Ziel der Regierung teile, müsse diese „ganz klar benennen, an was für Punkten man Erfolg oder Misserfolg misst“.
Denn jeder wisse, „dass in Deutschland die Innovation nicht an klugen Köpfen und im Übrigen auch nicht an der Forschungsfinanzierung scheitert“. Vielmehr scheitere es daran, dass nicht klar sei, wie man was umsetzen wolle.
Die FDP-Fraktion hatte einen eigenen Antrag zur Bioökonomiestrategie eingebracht.
Linke: Besser „eine andere europäische Landwirtschaftspolitik“
„Unbestritten können mit Bioökonomie spannende Projekte realisiert werden. Damit kann der Verbrauch von fossilen Ressourcen verringert und durch nachwachsende Rohstoffe ergänzt werden“, erklärte die Linksabgeordnete Petra Sitte.
Damit werde aber auch die „Lebensmittelproduktion und bisherige Bodennutzung weiter unter Druck geraten“, da beispielweise mehr Bäume gefällt werden müssten.
Sitte sprach sich daher für „eine andere europäische Landwirtschaftspolitik, nämlich unter ökologischen Gesichtspunkten,“ aus.
Grüne: „Dreist und scheinheilig“
Der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner kritisierte die Strategie der Bundesregierung. „Die Vorlage bleibt Stückwerk mit vielen Leerstellen. Das ist keine Strategie, sondern ein grün aufgemachtes Floskel-Sammelsurium“, so Ebner.
Der Unterschied zwischen dem, was die Bundesregierung sage und dem, was sie wirklich mache, sei „dreist“ und „scheinheilig“.
Dennoch lobte er die „partizipativen Ansätze“, denn „die Umstellung unseres Wirtschaftens auf echte Nachhaltigkeit bedarf der engen gesellschaftlichen Einbindung“.
Die gesamte Debatte könnt ihr euch im Video anschauen.
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.