Staatsschulden „Die Last nicht auf der jungen Generation abladen“
Warum muss sich Deutschland Geld leihen? Und wer zahlt das dann zurück? Karsten Klein (FDP) erklärt das Wichtigste rund um die Staatsschulden. Er wurde kürzlich in das Gremium des Bundestages gewählt, das dafür zuständig ist.
Können Sie kurz erklären, was Staatsschulden eigentlich sind? Und: Warum muss sich Deutschland Geld leihen?
Wenn man mehr Geld ausgibt, als man einnimmt, macht man Schulden. Das gilt für den Staat genauso wie für jeden anderen. Wenn der Staat mehr Geld ausgibt – zum Beispiel für den Straßenbau, für die Polizei und vieles mehr – als er einnimmt, dann muss er sich verschulden. Die Haupteinnahmequelle des Staates sind Steuern.
Wer leiht uns Geld?
Das kann man so einfach gar nicht sagen. Die Bundesrepublik Deutschland kennt ihre Schuldner nicht im Einzelnen, darüber gibt es nur Schätzungen. Wir wissen, dass viele Zentralbanken (zum Beispiel die Europäische Zentralbank), Banken und Versicherungen dem Staat Geld leihen. Es liegt dem Staat also keine namentliche Liste dieser Geldgeber vor. Wir gehen davon aus, dass über 50 Prozent der deutschen Schulden vom Ausland gehalten werden.
Es gibt strenge Regeln, wie hoch die Staatsschulden sein dürfen. Wie lauten die?
Es gibt zum einen europäische Regelungen, die für alle Länder der Europäischen Union gelten. Das sind die sogenannten Maastricht-Kriterien. Eine wichtige Regel betrifft die gesamten Schulden eines Landes. Die sollen nicht zu hoch werden. Ein Land darf sich nur bis zu einer bestimmten Höhe im Verhältnis zu seiner jährlichen Wirtschaftsleistung verschulden – nämlich bis zu 60 Prozent. Die zweite wichtige Regel auf europäischer Ebene betrifft das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben des Staates. Sind die Ausgaben höher als die Einnahmen, nennt man die Differenz Staatsdefizit. Dieses Defizit darf pro Jahr nicht höher als drei Prozent der Wirtschaftsleistung sein.
In Deutschland haben wir sogar noch viel strengere zusätzliche Regeln. Wir haben die sogenannte Schuldenbremse, die auch im Grundgesetz steht. Danach darf sich der Bund in normalen Zeiten nur in einem sehr geringen Umfang, nämlich 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung, verschulden. Also eigentlich fast gar nicht.
Gibt es Ausnahmen?
Ja, die deutsche Schuldenbremse lässt Ausnahmen zu. Wenn es eine Notsituation gibt wie aktuell die Corona-Krise oder zum Beispiel eine Naturkatastrophe, dann darf der Bund sich auch über diese 0,35 Prozent hinaus verschulden.
Wegen der Corona-Pandemie geben wir derzeit mehr Geld aus als sonst, zum Beispiel für Impfstoffe, Masken, Wirtschaftshilfen. Gleichzeitig haben wir weniger Einnahmen. Denn die Wirtschaft ist durch die Krise belastet, es wird also nicht so viel Geld verdient und die Unternehmen können dem Staat weniger Steuern zahlen als sonst. Diese Lücke schließen wir mit Schulden.
Wann werden wir denn die Schulden, die wir während der Corona-Pandemie gemacht haben, zurückgezahlt haben?
Die Corona-Schulden müssen nach der aktuellen Planung bis 2042 zurückgezahlt sein. Das geht 2023 los, da werden wir 3,5 Milliarden Euro zurückzahlen. Ab 2026 wird die jährliche Summe dann auf fast 15 Milliarden Euro erhöht. Und so werden wir bis 2042 alle Schulden, die wir bisher aufgrund der Corona-Pandemie aufgenommen haben, abbezahlt haben.
Das Geld, das Deutschland heute leiht, muss die junge Generation später zurückzahlen. Wie kann die Politik dafür sorgen, dass nicht zu viel zu Lasten der Jungen geht?
Das ist ein ganz wichtiges Thema, die Generationengerechtigkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat ja vor Kurzem in Bezug auf den Klimawandel klar gesagt: Wir dürfen nicht alle Last auf die junge Generation abladen. Und das gilt natürlich auch für die Staatsverschuldung. Genau deshalb gibt es sowohl die europäischen Regeln als auch die deutsche Schuldenbremse. Die sollen sicherstellen, dass die Verschuldung zum einen gedeckelt ist und dass die Schulden zum anderen auch in einem bestimmten Zeitraum zurückgezahlt werden. So wie jetzt bei den Corona-Notkrediten. Damit eben zukünftige Generationen nicht an den Schulden der Vergangenheit ersticken müssen.
Das Gremium, in das Sie kürzlich gewählt wurden, soll die Bundesregierung im Hinblick auf die Staatverschuldung kontrollieren. Wie machen Sie das?
Das ist ein wirklich spannendes Gremium, weil man da hinter die Kulissen schauen kann, wie der Staat Schulden aufnimmt. Wir werden also darüber informiert, wie und zu welchen Konditionen Deutschland sich Geld leiht. Und wir beobachten, ob der Bund sich an die vom Deutschen Bundestag festgelegten Regeln und Summen hält.
Und was machen Sie, wenn er das nicht tut?
Wenn er das nicht tun sollte, würden wir dagegen vorgehen und ein parlamentarisches Verfahren einleiten. Das ist aber meines Wissens in der Praxis noch nie passiert.
Über Karsten Klein
Der Diplom-Kaufmann Karsten Klein ist 44 Jahre alt und sitzt seit 2017 für die FDP im Deutschen Bundestag. Er ist sowohl im Haushaltsausschuss als auch im Rechnungsprüfungsausschuss Obmann für seine Fraktion. Außerdem sitzt er im Bundesfinanzierungsgremium und im Gremium gemäß Paragraf 3 des Bundesschuldenwesengesetzes. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.
(jk)