Wachstum Durch Corona-Hilfen nachhaltiger wirtschaften?
Luca Samlidis
Die Wirtschaft leidet stark unter der Corona-Krise. Nun soll sie mit viel Geld vom Staat neuen Schwung bekommen. Lässt sich gleichzeitig etwas für Nachhaltigkeit bewirken? Darüber debattiert der Bundestag.
Ob Diskothekenbesitzer, Einzelhändler, Konzertveranstalter, Tourismusanbieter, Busunternehmer, Flugzeugbauer- und Betreiber oder etwa Reeder – viele Bereiche leiden massiv unter der Corona-Krise. Deutschlands Wirtschaft bricht gewaltig ein und noch ist unklar, wie schnell sie es schaffen wird, wieder aus dem tiefen Tal herauszuklettern.
Um die Wirtschaft anzukurbeln, hat die Bundesregierung ein großes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, ein sogenanntes Konjunkturpaket. Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause bewilligte der Bundestag erste Teile davon. So wurde etwa das Corona-Steuerhilfegesetz beschlossen. Und um die vielen Hilfsmaßnahmen zu finanzieren, entschied der Bundestag, dass der Bund dieses Jahr knapp 147 Milliarden Euro mehr ausgeben darf als ursprünglich geplant.
Wohin soll das Geld fließen?
Wie genau dieses viele Geld ausgegeben werden soll, darüber wurde in den letzten Wochen im Parlament heftig diskutiert. Dabei kam auch wiederholt die Frage auf, ob man nicht besonders jene Wirtschaftsbereiche fördern solle, die zur Nachhaltigkeit beitragen. Eine nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können. Oder anders ausgedrückt: Hier und heute sollten Menschen mit den Ressourcen haushalten und die Erde bewahren, so dass sie nicht auf Kosten zukünftiger Generationen leben.
Bei einer öffentlichen Sitzung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung sagte etwa Maja Göpel, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung "Globale Umweltveränderungen": „Wir brauchen dringend eine Transformation des Wirtschaftens.“ Sie meint damit, dass Deutschland seine Wirtschaft so umbauen müsse, dass sie stärker auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist. Die Corona-Krise sei eine Chance, diese Veränderung anzugehen, sagte Göpel.
E-Fahrzeuge und Wasserstoff-Technologie
Tatsächlich steckt im Konjunkturpaket ein „Zukunftspaket“. Unter anderem sollen die Digitalisierung und klimafreundliche Technologien besonders unterstützt werden. Geld soll zum Beispiel in die Förderung von E-Fahrzeugen und Wasserstoff-Technologie sowie in den weiteren Ausbau von Offshore-Windenergie, also Windrädern auf dem Meer, fließen.
Im Bundestag haben FDP und Bündnis 90/Die Grünen eigene Vorschläge für einen sozial-ökologischen Umbau vorgelegt, also Pläne für eine Transformation der Wirtschaft im Zuge der Corona-Hilfen. Kurz vor der Sommerpause wurden sie diskutiert. Die Aussprache im Plenum zeigte deutliche Unterschiede zwischen den Fraktionen.
Wie stark sollen die Corona-Hilfen ‚steuern‘?
Sowohl FDP als auch Grüne betonen in ihren Anträgen vor allem das nationale Ziel der "Klimaneutralität". Dies bedeutet, dass die allermeisten Treibhausgase eingespart werden und der Rest ausgeglichen werden muss, etwa durch Aufforstung oder Speicherung. Auf welchem Wege die Bundesrepublik zu diesem Ziel gelangen soll, dazu haben die beiden Oppositionsfraktionen allerdings unterschiedliche Ansichten.
So schreiben die Liberalen in ihrem Antrag, dass die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen den Markt nicht verzerren dürfe. Strenge Kriterien für Corona-Hilfen und weitgehende gesetzliche Regelungen lehnen die Liberalen ab. Sie fordern allerdings einen stärkeren Fokus auf Innovationskraft und die Erforschung klimafreundlicher Industrie und Technologie.
Der Antrag der Grünen hingegen fordert soziale und ökologische Kriterien für die Corona-Hilfen: „Alle Programme müssen darauf zielen, die ökologische Transformation voranzubringen und unsere Gesellschaft klimagerecht, zukunftsfähig, fit für das digitale Zeitalter und widerstandsfähig zu machen.“
Gehen Klima und Wirtschaft zusammen?
Die Abgeordneten der CDU/CSU sehen sich in der Mitte zwischen beiden Positionen und möchten "die bewährten Strukturen der sozialen Marktwirtschaft nutzen, um eine nachhaltige Marktwirtschaft zu etablieren", wie es Rüdiger Kruse formulierte. Carsten Träger von der SPD betonte in der Aussprache, dass Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftswachstum „Hand in Hand am besten“ gingen.
AfD: Moderne Kernkraft fördern
Die AfD warnte, dass Deutschland – sollten die Ideen der Grünen umgesetzt werden – seine Fähigkeit verlieren könnte, Kredite aufzunehmen. Die Grünen wollten von "oben anordnen, welche Technologie gefördert und welche verhindert wird".
Zustimmung fand die Forderung der Liberalen, offen gegenüber jedweder Technologie zu sein. Die AfD plädierte für die Förderung moderner Kernkraft-Technologie. Mit ihr sei man „nicht gezwungen, sich zwischen Klimaschutz oder Versorgungssicherheit zu entscheiden“. Die Fraktion lehnte die Anträge von FDP und Grünen ab.
Linke: Soziale Gerechtigkeit fördern
Der Linken gingen die Anträge nicht weit genug. Sie forderte einen „grundsätzlichen Richtungswechsel hin zu sozialer Gerechtigkeit, hin zu einer nachhaltigen, emissionsfreien Wirtschaft". Die Corona-Krise solle nicht als Anlass genommen werden, beispielsweise den Mindestlohn zu senken oder Unternehmen zu unterstützen, die ihrer sozialen Verantwortung nicht gerecht würden.
Fachleute beraten weiter
Nach der Sommerpause werden die Anträge von FDP und Grünen den Bundestag weiter beschäftigen.
Der FDP-Antrag „Nachhaltiges Wachstum – Der Weg aus der Rezession in eine klimaneutrale Zukunft“ wurde an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit überwiesen. Der „Zukunftspakt für einen sozial-ökologischen Aufbruch aus der Krise“ der Grünen wird federführend im Ausschuss für Wirtschaft und Energie weiter beraten.
Hier seht ihr die Debatte im Video:
Luca Samlidis
..spricht fließend studentisch und lebt auf dieser Welt seit kurz vor der Jahrtausendwende. Fühlt sich erwachsen - trinkt aber keinen Kaffee. Seit Jahren querbeet als Journalist und Moderator aktiv und wohnt mittlerweile in Bonn am Rhein. Großer Fan von politischem Engagement.