Türen-Serie Teil 5 Der Andachtsraum
Wir zeigen euch unbekannte Türen im Deutschen Bundestag. Diesmal: der Eingang zu einem Moment der Ruhe inmitten des parlamentarischen Trubels.
Ein grauer Quader aus sandgestrahltem Granit, darauf ein schlichtes Holzkreuz. 24 Holzstühle mit schmaler Sitzfläche und hohen Lehnen, ein schmuckloses Taufbecken und sechs rechteckige Kunstwerke mit unzähligen eingeschlagenen Nägeln, die an der Wand lehnen – das war’s, mehr ist hier kaum zu sehen. Der Andachtsraum im Bundestag hat nichts von der Opulenz zahlreicher Altarräume. Er ist schlicht eingerichtet, kühl und riecht nach Stein und Holz. Im vorderen Bereich – dort, wo der Granitaltar steht – fällt schwaches Licht herein. Von draußen hört man kaum etwas, höchstens das leise Rauschen des Verkehrs, der an der Südseite des Reichstagsgebäudes vorbeizieht.
Eine Kante im Boden zeigt nach Osten – also in Richtung Jerusalem, aber auch in Richtung Mekka, dem wichtigsten Wallfahrtsort der Muslime. Der Andachtsraum im Bundestag steht allen Religionen offen. Er ist ein überkonfessioneller Raum der inneren Einkehr und Ruhe. Deshalb sind im Gebetsraum auch kaum religiöse Symbole zu finden. Gestaltet wurde der Raum von dem Düsseldorfer Künstler Günther Uecker im Jahr 1999, also in dem Jahr, in dem der Bundestag von Bonn nach Berlin umzog.
Übrigens gab es auch zu Bonner Zeiten schon Andachten für Abgeordnete. Der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, hatte das persönlich 1949 entschieden. Damals rief eine Aufnahme der Glocken aus dem Kölner Dom zum Gebet. Und so ist es auch heute noch: Zwar kommen mittlerweile nicht mehr so viele Parlamentarier zu den christlichen Morgenandachten; dennoch findet in Sitzungswochen immer donnerstags und freitags um 8.40 Uhr eine Andacht statt – also kurz vor Beginn des Sitzungstages, der um 9 Uhr beginnt.
In einem kleinen Vorraum des Andachtsraumes steht eine Vitrine, in der verschiedene religiöse Gegenstände aufbewahrt sind, die dem Bundestag einmal überreicht wurden. Ausgestellt sind dort etwa Instrumente aus anderen Ländern, Ikonenmalereien, Bibeln und Korane, Gebetsteppiche und Messkelche. Ganz besonders stechen historische Kopien der Briefe des Heiligen Apostel Paulus ins Auge, die auf dunkelbraunem Papyrus geschrieben sind. Die wurden von Papst Benedikt XVI überreicht. Daneben liegt ein Gebetsschal, den der Bundestag vom Dalai Lama geschenkt bekommen hat. Der Dalai Lama ist ein Buddhist und das weltliche und geistige Oberhaupt der Tibeter.