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Experten zu ... Cannabis im Straßenverkehr

Eric Matt

Wer Auto fährt und geringe Mengen Cannabis im Blut hat, kann seinen Führerschein verlieren. Die Linksfraktion möchte diesen Grenzwert anheben. Der Verkehrsausschuss wollte nun von Experten wissen, was sie davon halten.

Junger Mann raucht Joint

Welcher Cannabis-Grenzwert sollte im Straßenverkehr gelten? © shutterstock.com/KVVS Studio

Stell dir vor, jemand fährt morgens mit dem Auto zur Arbeit und wird von der Polizei angehalten. Diese Person ist fit, ausgeschlafen, nüchtern und fühlt sich fahrtüchtig. Dennoch nimmt die Polizei ihm oder ihr nachträglich den Führerschein weg, weil Spuren von Cannabis im Körper nachgewiesen wurden. Die Person hatte vor mehreren Tagen Cannabis – eine illegale Droge – konsumiert.

Wer Auto fährt und geringe Mengen Cannabis im Blut hat, kann seinen Führerschein verlieren, unabhängig davon, ob die Person zum Testzeitpunkt tatsächlich einen Rausch hat oder nicht. Ist das sinnvoll? Mit dieser Frage hat sich nun der Verkehrsausschuss in einer öffentlichen Expertenanhörung beschäftigt. Dabei ging es um einen Antrag der Fraktion Die Linke, der bei den Experten sowohl auf Kritik als auch auf Zustimmung stieß.

Was ist Cannabis?

Cannabis ist eine Droge, deren Besitz in Deutschland verboten ist. Andere Länder wie beispielsweise die Niederlande oder manche Bundesstaaten der USA hingegen haben Cannabis legalisiert. Wer in Deutschland Cannabis besitzt, kann nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) für bis zu fünf Jahre ins Gefängnis kommen. Bei einer geringen Menge, die nur zum Eigengebrauch bestimmt ist, kann die Staatsanwaltschaft jedoch von einer Strafverfolgung absehen. Die Grenzen, bis zu wie viel Gramm eine Menge als gering eingestuft wird, variieren je nach Bundesland.

Wenn jemand Cannabis konsumiert hat, kann das manchmal noch mehrere Tage nach dem Konsum im Blut oder Urin nachgewiesen werden. Daher kann man auch den Führerschein verlieren, obwohl man gar keinen Rausch mehr hat. Dies möchten die Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion ändern.

Was möchte Die Linke?

Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag, eine „Gleichstellung von cannabis- und alkoholkonsumierenden Führerscheininhaberinnen und Führerscheininhabern“. Die Linksabgeordneten wollen, dass „bei Cannabiskonsum nur noch Personen sanktioniert werden, die tatsächlich berauscht mit einem Fahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen und so die Verkehrssicherheit gefährden“. So sieht die Regelung für Alkohol aus.

Bei Cannabis hingegen verlören Personen aktuell selbst dann den Führerschein, „wenn sie nicht unter Rauschwirkung ein Kraftfahrzeug führen oder überhaupt nicht mit einem Fahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen“, kritisiert die Fraktion.

Der Grenzwert, ab dem der Führerschein entzogen werden kann, liegt bei mindestens einem Nanogramm THC pro Milliliter im Blut. THC steht für Tetrahydrocannabinol – das ist die Substanz der Hanfpflanze, die den Rausch verursacht. Bei dem Wert sei aber problematisch, „dass dieser oft noch Tage nach dem Cannabiskonsum überschritten wird, wenn längst keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit mehr bemerkbar ist“, so die Linksfraktion. Dies sei eine „ideologisch motivierte Schikane gegen Cannabis-Konsumierende“.

Die Linke fordert daher, den Führerschein beispielsweise „erst bei einer diagnostizierten Abhängigkeitserkrankung“ oder „einer durch Drogenkonsum verursachten konkreten Gefährdung des Straßenverkehrs“ zu entziehen.

Außerdem fordert sie einen „Toleranzgrenzwert von zehn Nanogramm pro Milliliter Blutserum“, bis zu dem Autofahren weiterhin erlaubt bleiben soll. Dieser THC-Wert entspreche in etwa der „Beeinträchtigung bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille“. Zur Erklärung: Bei einer Menge bis 0,5 Promille Alkohol im Blut ist Autofahren noch erlaubt.

Was sagten die Experten?

Alkohol gefährlicher als Cannabis

„Es geht nicht darum, dass Leute bekifft durch die Gegend fahren sollen, irgendwie berauscht, irgendwie gefährdend am Straßenverkehr teilnehmen sollen“, erklärte Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes (DHV). Jedoch gebe es für die Ungleichbehandlung von Cannabis und Alkohol „kein vernünftiges Argument“.

Die Unfallgefahr durch Cannabis sei nicht höher als die durch Alkohol, so der Experte. Letztendlich käme man immer zu dem Punkt, „dass Alkohol das größere Risiko hervorruft“, so Wurth. Daher sei „eine härtere Gangart gegenüber Cannabis schwer nachzuvollziehen“.

Höheren Grenzwert einführen

Eine ähnliche Meinung äußerte Dr. Bernd Werse vom Schildower Kreis. Der Schildower Kreis ist ein Netzwerk aus Experten, das sich für eine alternative Drogenpolitik und Legalisierung einsetzt. Werse sprach sich für einen Grenzwert oberhalb eines Nanogramms aus, weil auch dort „praktisch keine Berauschung mehr zu erwarten ist“.

Er verwies außerdem darauf, dass es im Vergleich zu anderen Ländern ungewöhnlich sei, zu sagen, dass Menschen, die Drogen konsumierten, nicht mehr fahren könnten.

Vorgeschlagener Cannabis-Vergleichswert zu hoch

Dr. Anja Knoche von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wies darauf hin, dass Cannabis im Vergleich zu Alkohol ein geringeres Unfallrisiko habe. Unter zwei Nanogramm THC im Körper gebe es keine „Beeinträchtigungen oder Ausfälle“.

Jedoch sei der Wert von zehn Nanogramm, wie von der Linksfraktion gefordert, als Vergleichswert zu der 0,5-Promillegrenze bei Alkohol ein „bisschen zu hoch gegriffen“. Neuere Studien würden eher von einem Wert von 3,8 Nanogramm pro Milliliter Blut ausgehen.

Pass für Cannabis-Patienten

Dr. Dieter Müller, der an der Hochschule der Sächsischen Polizei lehrt, machte folgende Rechnung auf. „Wenn Fahrten unter dem Einfluss von Cannabis ansteigen, dann steigen auch die Verkehrsunfälle unter dem Einfluss von Cannabis“, sagte er.

Jedoch wolle er „keine Prognose treffen“, wie Cannabis-Konsum die Anzahl an Unfällen im Straßenverkehr konkret beeinflusse. Er sprach sich außerdem dafür aus, einen „amtlichen Pass für Cannabis-Patienten“ einzuführen. Also einen Pass für Menschen, die Cannabis aus gesundheitlichen Gründen etwa als Medikament zu sich nehmen dürfen.

„Wesentliche Unterschiede“

Zwischen dem Konsum von Alkohol und dem Konsum von Cannabis gebe es „ganz, ganz wesentliche Unterschiede, die in der Gesamtbetrachtung nicht zu vernachlässigen“ seien, erklärte Dr. Renate Zunft. Sie ist leitende Ärztin des Medizinisch-Psychologischen Instituts beim TÜV Nord. So könnte man beispielsweise auf alkoholischen Getränken den Alkoholgehalt sehen, während der THC-Wert bei Cannabis aber nicht ersichtlich sei.

Auch der Vertreter der Prüfgesellschaft Dekra, Dr. Thomas Wagner, sagte, dass sich „Cannabis und Alkohol stark unterscheiden“. Der derzeit gültige THC-Wert von einem Nanogramm habe eine präventive Wirkung, was die Sicherheit auf den Straßen erhöhe. Auch die „Kollateralschäden“ von Cannabis-Konsum sollten nicht vernachlässigt werden, erklärte Wagner. Zur Erläuterung: Kollateralschäden sind Schäden, der nicht beabsichtigt sind und nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ziel einer Aktion stehen.

Zehn Joints pro Tag

Prof. Dr. Stefan Tönnes vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main erklärte, dass der Wert von einem Nanogramm „auch lange nach dem letzten Konsum nur bei sehr, sehr stark Konsumierenden“ noch nachgewiesen werden könne. Dies seien Konsumenten, die durchschnittlich „zehn Joints pro Tag rauchen“.

Daher sei die Behauptung, dass Menschen, die gelegentlich Cannabis konsumierten, von dem Grenzwert von einem Nanogramm betroffen seien, nicht richtig. Jedoch sei hier die „Studienlage relativ dünn“.

Nachlesen könnt ihr die Anhörung auf bundestag.de und nachschauen im Video:

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
Mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

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