Wirtschaft 2022 so stark wie vor der Pandemie?
Hanna Kazmirowski
Wenn die Wirtschaft rundläuft, werden junge Leute gut bezahlte Jobs oder Ausbildungen finden. Und der Staat kann dank Steuereinnahmen viel Geld ausgeben. Wie sieht es also bei den Unternehmen aus? Der Bundestag diskutierte den Jahreswirtschaftsbericht 2021.
Um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, sind viele Geschäfte und Betriebe seit Monaten geschlossen. Das klingt nach keiner guten Zeit für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Doch ist es wirklich so schlimm? Und wie sind die Aussichten für die kommenden Jahre?
Das beantwortete die Bundesregierung in ihrem Jahreswirtschaftsbericht 2021, über den die Abgeordneten im Bundestag kürzlich debattierten.
Was ist der Jahreswirtschaftsbericht?
Im Januar jeden Jahres stellt die Bundesregierung den Jahreswirtschaftsbericht vor. Das klingt abstrakt, ist es aber nicht. Denn in dem Bericht geht es darum, wie viele Produkte hierzulande hergestellt und verkauft werden, also etwa Autos, Medizintechnik-Produkte, Spezialmaschinen, Uhren, Backwaren et cetera. Und darum, wie viele Dienstleistungen deutsche Firmen verkaufen, also etwa IT-Lösungen, Forschungs- und Entwicklungsleistungen oder auch das, was Friseure und Tattoo-Shops leisten.
In dem Bericht geht es um Arbeitspätze und auch um Investitionen etwa in den Klimaschutz, in die Digitalisierung sowie in Bildung und Forschung. Wie die Wirtschaft läuft, betrifft also uns alle. Ganz konkret hängt davon zum Beispiel ab, ob wir nach Schule, Ausbildung oder Studium einen Job finden werden und wie dieser bezahlt ist.
Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier (CDU) erläuterte den 166 Seiten dicken Bericht mit dem Titel „Corona-Krise überwinden, wirtschaftliche Erholung unterstützen, Strukturen stärken“.
Bundesregierung: Wirtschaft nach der Pandemie stärken
Altmaier war sich sicher: Die Corona-Pandemie sei „die größte Bedrohung für das Funktionieren der Wirtschaft überhaupt“.
Wegen der Pandemie gehe die Bundesregierung davon aus, dass die Wirtschaft dieses Jahr nur um 3 Prozent wachsen werde. Noch im Herbst hatte die Regierung mit 4,4 Prozent gerechnet. Dennoch zeigte sich Altmaier zuversichtlich, denn er ist überzeugt, dass die Wirtschaft 2022 wieder so stark sein werde wie vor der Pandemie.
Er sei kein Freund staatlicher Transferleistungen, meinte Altmaier. Aber wenn Unternehmen Umsatzrückgänge von 70 Prozent und mehr zu verzeichnen hätten, habe das nicht an einem schlechten Unternehmer gelegen: „Es war das Virus.“ Da sei es selbstverständlich, dass der Staat helfe.
Bisher seien dafür 80 Milliarden Euro geflossen, 50 Milliarden würden nach Auszahlung der weiteren Hilfen hinzukommen. Das Konjunkturpaket umfasse 130 Milliarden Euro. Die Unzufriedenheit der Betroffenen über noch nicht überwiesene Novemberhilfen – rund die Hälfte sei ausgezahlt – verstehe er, versicherte der Minister. Aber der Staat sei auch dem Steuerzahler verpflichtet und müsse Missbräuche verhindern.
Die Elektromobilität und alternative Antriebe kämen „richtig in Schwung“, so Altmaier. Die Bundesregiegierung wolle in die Ladesäuleninfrastruktur investieren und die Menschen in Deutschland an der Elektromobilität teilhaben lassen: „Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass Deutschland auch in Zukunft das Land der Mobilität bleibt“, sagte der Minister.
Klimaschutz und Wirtschaftswachstum dabei miteinander zu vereinbaren, stelle eine besondere Herausforderung dar. Wenn „wir [dazu] gemeinsam imstande“ seien, wäre dem Minister „für die weitere Entwicklung unserer Wirtschaftskraft nicht bange“.
AfD: „Witz“ und „Totalversagen“
Von einer robusten deutschen Wirtschaft zu sprechen, sei „ein Witz“, meinte dagegen der AfD-Abgeordnete Leif-Erik Holm: „Im letzten Jahr haben wir im Schnitt eine halbe Million mehr Arbeitslose gehabt. Das Ifo-Institut schätzt, dass sich bis zu 750 000 Unternehmen in existenzieller Not befinden.“
Deutschland brauche „endlich eine neue Strategie“, denn der Lockdown sei wirtschaftlich nicht auf Dauer auszuhalten, forderte Holm. „Unsere Unternehmen müssen wieder arbeiten dürfen.“ Holm warf der Bundesregierung Versäumnisse während der Pandemie vor. „Wenn nach einem Dreivierteljahr immer noch nichts klappt“, grenze das an „Totalversagen“.
SPD: Herausforderungen „nicht abbrechen“
„Der diesjährige Jahreswirtschaftsbericht ist ein Beweis für den wirklich agilen Zustand unserer Wirtschaft“, freute sich Bernd Westphal aus der SPD-Fraktion. „Sicherheit durch Wandel“, das werde die Aufgabe der 2020er-Jahre sein. „Kern der sozialen und ökologischen Modernisierung der Wirtschaft ist der Erhalt und der Ausbau von sozialer Gerechtigkeit, auch von Mitbestimmung, von Tarifbindung, von Teilhabe, von guter Arbeit, Schutz des Klimas und der Umwelt und natürlich auch Stärkung eines innovationsfreundlichen Umfeldes und des gesellschaftlichen Zusammenhalts“, sagte Westphal.
Sein Kollege Dennis Rohde sagte, der Staat habe „mit großer finanzieller Entschlossenheit“ in Krisenzeiten an der Seite der Bürgerinnen und Bürger gestanden. „Wir sind wesentlich besser durch diese Krise gekommen als die Euro-Gruppe in ihrer Gesamtheit“, sagte Rohde.
FDP: „Unbürokratisch und schnell“
Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, kritisierte, dass Altmaier von einem robusten Wachstum spreche, während gleichzeitig in Zeitungen Unternehmer zu Wort kämen, bei denen „gar nichts an Hilfen angekommen ist“. Und weiter: „Herr Kollege Altmaier, die Wahrnehmung, die Sie haben, und die Realität im Land klaffen immer weiter auseinander.“
Er kritisierte zudem, dass die finanziellen Dezemberhilfen „noch nicht“ beantragt werden könnten. Die Überbrückungshilfen müssten „unbürokratisch und schnell“ ausgezahlt werden, so der Abgeordnete der FDP-Fraktion. Die deutsche Wirtschaft brauche jetzt eine „wachstums- und wirtschaftsfreundliche Politik ohne höhere Schulden und Steuern“.
CDU/CSU: „Wir brauchen Stufenpläne“
Die Unionsfraktion mahnte an, weder die Wirtschaft noch die Bürger mit zusätzlichen Steuern zu belasten: „Aus der Krise heraus kommen wir nicht mit Steuererhöhungen. Das wäre ja so, als würde man jemandem, der gerade aus der Intensivstation entlassen wurde, noch mal Blut abnehmen“, sagte Andreas Lenz.
Es gehe auch um Deutschland als Exportnation: „Wir brauchen einen regelbasierten, freien, fairen, einen auf Nachhaltigkeitskriterien beruhenden Handel“, forderte Lenz. In diesem Jahr sollen die deutschen Exporte um 6,4 Prozent zunehmen, so der Abgeordnete.
Es brauche eine Perspektive für die Wirtschaft, betonte der Unionsabgeordnete Carsten Linnemann. Und es brauche „Stufenpläne, damit die Wirtschaft weiß, unter welchen Bedingungen, wenn die Zahlen weiter sinken, wenn die Situation gut ist, sie wann öffnen kann.“
Linke: Profitierende Konzerne beteiligen
Klaus Ernst von der Linksfraktion betonte: „Nur durch ein rasches Impfen von 70 Prozent der Bürger können wir diese Pandemie bekämpfen.“ Damit das gelinge, forderte der Abgeordnete die Bundesregierung auf, den Patentschutz und die Vergabe der Impfstoff-Lizenzen zu ändern.
Der Linksabgeordnete Thomas Lutze fügte hinzu, dass sich Konzerne wie Amazon an den „Kosten finanziell beteiligen“ sollten, wenn sie von der Krise profitieren.
Grüne: Erst Impfung dann Aufbruch
Wenn wir zu früh lockern, würden die Infektionszahlen wieder außer Kontrolle geraten, warnte der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter. „Kaum sinken die Zahlen, rufen die Ersten schon wieder nach Lockerungen. Das ist falsch.“
Gleichzeitig müssten alle Ressourcen mobilisiert werden, um „endlich ausreichend Impfdosen zu produzieren“. Hofreiter zeigte sich dennoch optimistisch: Das Jahrzehnt nach dieser Pandemie müsse eine Dekade des Aufbruchs sein.
Die gesamte Debatte könnt ihr euch im Video ansehen.
Hanna Kazmirowski
Hanna Kazmirowski studiert Interkulturelle Europa- und Amerikastudien in Halle und Paris und hat ein Faible für Französisch und Englisch. Wenn sie mal keine Texte schreibt, Podcasts hört oder mit Leuten spricht, macht sie gerne Sport, Fotos oder Musik. Sie freut sich über alle kleinen und großen Dinge, die sie in der Welt und im Alltag neu entdeckt und lernt.