Musiker „Konzerte werden als Letztes wieder gehen“
Festivals und Konzerte fallen für die Band „Die Höchste Eisenbahn“ bis auf Weiteres aus. Sänger Francesco Wilking berichtet, was er sich stattdessen einfallen lässt und wie seine Band vom Hilfspaket der Regierung profitiert.
Als ich Francesco anrufe, ist er gerade im Studio. Studio-Aufnahmen gehen immerhin auch zu Corona-Zeiten noch. Francesco muss kurz rausgehen, weil das Netz drinnen schlecht ist, dann ruft er zurück. „Wir teilen uns hier in Berlin ein Studio mit Freunden“, erzählt der Sänger und Songwriter. „Da bin ich im Moment recht oft. Ich mache gerade eine Filmmusik fertig. Das ist wie Homeoffice, ich bin da komplett alleine im Studio.“ Den Sommer und den Herbst wird seine Band „Die Höchste Eisenbahn“ nutzen, um neue Songs zu schreiben.
Was natürlich gerade nicht geht, sind Live-Auftritte. „Ich glaube, Konzerte und Festivals werden das Letzte sein, was wieder losgeht“, meint Francesco, „weil das ja wirklich die Momente sind, wo alle dicht an dicht stehen und man nicht so richtig Abstand halten kann.“ Deshalb hält er es auch nicht für klug, Konzerte, die jetzt stattfinden sollten, auf den Herbst oder Winter zu verschieben.
Vielleicht würde es gehen, wenn man ein Konzert in einem Club für 1.000 Leute spielt, aber nur 200 Tickets verkauft. „Wie im Restaurant, wo sie jetzt nur noch drei Tische reinstellen statt zehn“, überlegt Francesco. Ob sich das dann aber wirtschaftlich lohnt, ist natürlich die andere Frage. „Das sind so die Gedanken, mit denen unsere Booker sich jetzt die ganze Zeit rumschlagen.“ Die ausgefallenen Konzerte treffen ja nicht nur die Musiker selbst, sondern auch Veranstalter, Booker, Ton- und Licht-Techniker und andere.
Japan - fällt aus
„Die Höchste Eisenbahn“ hat immerhin ein bißchen Glück. Das letzte Album „Ich glaub dir alles“ ist im Sommer 2019 erschienen, die dazu gehörige Tour konnte also im letzten Herbst noch stattfinden. Für dieses Jahr war nur eine kleine Akustik-Tour geplant und ein paar Festivals im Sommer.
Francesco und sein Kollege Moritz Krämer wollten außerdem nach Japan fliegen, wo die Band für das Goethe-Institut spielen sollte, „als deutscher Kultur-Export“. All das wird wohl nicht stattfinden.
Andere Musiker träfe es noch härter, glaubt Francesco. „Es gibt ja Bands, die spielen ganze Europa- oder Welt-Tourneen. Die müssen dann wahrscheinlich in Zukunft in jedem Land gucken, wie die Ein- und Ausreisebedingungen sind.“
Und dann die Bands, die eigentlich gerade ihren sogenannten Release feiern würden: „Für Musiker, die gerade eine Platte fertig haben und jetzt mit ihren neuen Songs rausgegangen wären, ist das richtig, richtig blöd“, sagt Francesco. Denn wenn man neue Musik geschrieben hat, will man sie natürlich auch vor Publikum spielen und die unmittelbare Reaktion erleben.
Die Hälfte der Einnahmen fallen weg
Von der Freude am Live-Spiel mal abgesehen, ist es natürlich auch wirtschaftlich bitter, keine Konzerte und nicht auf Festivals spielen zu können. Alle vier Musiker von „Die Höchste Eisenbahn“ leben von der Musik. Und das war ja auch vor Corona schon nicht ganz leicht. „Du machst Musik und weißt nicht genau, wie die Welt sich verändern wird, was den Musikkonsum angeht“, so beschreibt es Francesco.
Seit ein paar Jahren sei Streaming „die neue Welt für Musiker“ – leider aber keine sehr ertragreiche. „Normale“ Musiker, also alle, die nicht zu den ganz, ganz Großen gehören, verdienten damit nicht viel. Durch die Corona-Krise habe dieses Problem sich noch ein Stück verschärft.
Für Francesco machen Live-Auftritte ungefähr die Hälfte seiner Einnahmen aus. Deshalb hat er jetzt auch „die Bundes- und Landesmittel angezapft“, also die Corona-Soforthilfen für Solo-Selbstständige beantragt, ausgefallene Gagen und die Studio-Miete geltend gemacht.
„Erst war ich geschockt, weil ich ungefähr Nummer 225.000 in der Schlange war“, erzählt er. „Aber dann ging das so schnell, dass ich sogar meinen Termin verpasst habe – ich musste noch mal kommen. Aber dann war das Geld tatsächlich am nächsten Tag schon da.“ Dass die Hilfe so schnell ankam, findet er toll. „Das hat auf jeden Fall geholfen, dass nicht von einem Tag auf den nächsten alles zusammenbricht.“
Social Festival im Netz
Ansonsten müsse man als Musiker jetzt flexibel bleiben und nach neuen Möglichkeiten gucken. Filmmusik, Theatermusik, Werbung, solche Sachen. Ein fertiges Krisen-Konzept hat „Die Höchste Eisenbahn“ allerdings nicht. „Wir schauen, was sich ergibt“, sagt Francesco.
Kürzlich hat er mit seinem Band-Kollegen Moritz Krämer Musik für das „Social Sofa Festival“ eingespielt, eine Insta-Live-Aktion, mit der Geld für Flüchtlinge gesammelt wurde. Damit hätten sie natürlich nichts verdient, aber Spaß gemacht habe es.
Über Francesco Wilking
Francesco Wilking (45) ist Songwriter in Berlin. Mit Moritz Krämer zusammen gründete er 2011 „Die Höchste Eisenbahn“. Die Band hat 2019 ihr drittes Album veröffentlicht: „Ich glaub dir alles“. Francesco singt außerdem bei „Tele“, arbeitet mit verschiedenen anderen Künstlern für Einzelprojekte zusammen, macht Film- und Theatermusik.
(jk)