ME/CFS Chronisch erschöpft – Wie hilft man Betroffenen?
Anna Katharina Müller
Seit der Corona-Pandemie ist die Diagnose bekannter geworden: Wer unter dem Chronischen Fatigue-Syndrom leidet, ist körperlich oft so beeinträchtigt, dass ein Alltag in der Schule oder bei der Arbeit nicht mehr möglich ist. Die CDU/CSU-Fraktion hat in einem Antrag gefordert, Betroffene besser zu unterstützen. Dem stimmten die übrigen Fraktionen im Bundestag zu.
Hintergrund: Was ist das Chronische Fatigue-Syndrom?
Der Fachbegriff lautet ME/CFS. Das steht für: Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom. Die Betroffenen können aufgrund krankhafter Erschöpfung (Fatigue) ihren Alltag nicht mehr meistern. Viele können nicht mehr arbeiten oder zur Schule gehen. In besonders schweren Fällen sind sie ans Bett gefesselt und können selbst einfache Tätigkeiten wie Einkaufen und Zähneputzen nicht mehr selbstständig ausführen.
Auslöser für die Erkrankung ist meiste eine vorangegangene Infektionskrankheit. Seit der Corona-Pandemie ist die Zahl der Betroffenen deutlich gestiegen: Schätzungen zufolge sind in Deutschland derzeit bis zu 250.000 Menschen an ME/CFS erkrankt.
Seit 1969 stuft die WHO ME/CFS als neurologische Erkrankung ein. Diese ist aber noch sehr schlecht erforscht. Die Diagnose erfolgt bislang über Ausschlusskriterien, die Behandlungsmöglichkeiten sind beschränkt.
Deshalb hat die CDU/CSU-Fraktion nun den Antrag „ME/CFS-Betroffenen sowie deren Angehörigen helfen – Für eine bessere Gesundheits- sowie Therapieversorgung, Aufklärung und Anerkennung“ vorgelegt. Am 19. Januar berieten die Abgeordneten in erster Lesung darüber. Alle Fraktionen unterstützen den Antrag. Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag deswegen interfraktionell an mehrere Ausschüsse, unter anderem an die Ausschüsse für Gesundheit und Wirtschaft überwiesen.
Was steht im Antrag der Unionsfraktion?
In ihrem Antrag macht die CDU/CSU-Fraktion auf den schlechten Wissens- und Versorgungsstand bei ME/CFS aufmerksam. Betroffene litten sowohl aufgrund falscher Diagnosen als auch Stigmatisierung durch die Gesellschaft, weil das Krankheitsbild nicht ausreichend anerkannt sei. Darum fordert die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Antrag die finanzielle und strukturelle Förderung von Forschung, Behandlungsmöglichkeiten und Informationsvermittlung zu ME/CFS. Zudem sollen auch Rehabilitationsangebote für Angehörige gefördert werden, um diese zu entlasten.
Erich Irlstorfer (CDU/CSU) betonte in seiner Rede, dass dies „gemeinschaftlich“, in Zusammenarbeit mit den Ländern erfolgen müsse. Außerdem sagte er: „Es ist mir wichtig zu sagen, dass hier keine Eifersüchteleien aufkommen dürfen. Long Covid, Post Covid, Post Vac sind das eine – ME/CFS ist das andere. Wir brauchen gemeinsame Forschung und individuelle Behandlung.“
SPD: „Wir können hier alle nicht zaubern“
Martina Stamm-Fibich (SPD) betonte, dass sich die Ampel-Koalition ihrer Verantwortung bewusst sei, die Weiterentwicklung in den drei Bereichen „Versorgung“, „Bewusstsein“ und „Forschung“ in Gang zu setzen, deshalb habe sie das Thema auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Man könne aber nicht „zaubern“.
AfD unterstützt den Antrag
Christina Baum (AfD) betonte in ihrer Rede die dringende Unterscheidung von Long Covid und ME/CFS. Es gebe bereits zehn Forschungsvorhaben, die schwerpunktmäßig Long Covid untersuchten, aber keins gesondert zu ME/CFS. Deswegen unterstütze die AfD den Antrag. „Die medizinische Diagnostik und Versorgung“ sei zudem bisher auf wenige Einrichtungen begrenzt. „Es ist deshalb dringend erforderlich, weitere Behandlungszentren schnellstmöglich aufzubauen“, so die Abgeordnete.
Grüne: Appell an Forschende und Pharmaindustrie
Linda Heitmann (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass der Gemeinsame Bundesausschuss bereits Ende vergangenen Jahres den Auftrag erhalten habe, sich bis Ende 2023 auf einheitliche Diagnosekriterien zu einigen. Eine eindeutige Diagnose solle unter anderem verhindern, dass Betroffene in finanzielle Existenznöte geraten, und dafür sorgen, dass ihre Berufsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit festgestellt werden könne.
Bezüglich der Entwicklung von Therapien und Medikamenten zur Behandlung der Erkrankten appellierte sie an die forschenden Institutionen und die Pharmaunternehmen: „Versuchen Sie doch noch mal zusammenzukommen, um die Forschung an einem Medikament, das vielen wirklich Hoffnung macht, weiter voranzutreiben!“
Linke: „Einsicht in die Notwendigkeit“
Ates Gürpinar (Die Linke) äußerte sich „dankbar“ über den Antrag der CDU/CSU-Fraktion und bezeichnete die Übereinstimmung in dieser Sache als „Einsicht in die Notwendigkeit“, nachdem die CDU/CSU einem Antrag der Linken „vor anderthalb Jahren“ noch nicht zugestimmt hätte. Gürpinar forderte von der Ampel-Koalition die Einlösung ihrer Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag ein. Um den Menschen zu helfen, müsse in Forschung investiert werden, man müsse aber auch die Pflege- und Sozialpolitik grundsätzlich ändern.
FDP: Fokus auf Grundlagenforschung
„Nach Auffassung meiner Fraktion“, so Lars Lindemann (FDP), „muss zunächst die Grundlagenforschung klar im Vordergrund stehen und ausgeweitet werden, damit wir zu mehr Erkenntnis kommen.“ Dafür habe die Koalition bereits „den ersten wichtigen Schritt“ gemacht: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördere ein neues Forschungsnetzwerk, das an unterschiedlichen Universitätskliniken zu ME/CFS forsche.
Hier seht ihr die Debatte im Video:
Anna Katharina Müller
... ist 23 Jahre alt und studiert in Bonn Politik und Geschichte. Wenn sie nicht gerade für die Uni liest oder an einer Hausarbeit schreibt, ist sie gerne journalistisch tätig.