Zum Inhalt springen

Auszubildende Victoria „Corona hat Lücken hinterlassen“

Victoria Siebert (22) ist im dritten Ausbildungsjahr zur Fachkraft für Lagerlogistik bei der Volkswagen AG in Kassel. Im Interview erzählt sie, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf ihre Ausbildung hatte.

Porträt von der Auszubildenden Victoria

Victoria wurde während ihrer Ausbildung zur Jugend- und Auszubildendenvertreterin (JAV) gewählt. In den letzten zwei Jahren hat sie sich um die Belange ihrer Kollegen gekümmert. © privat

Warum hast du dich für die Ausbildung zur Fachkraft für Lager Logistik bei VW entschieden?

Ich habe mich für eine Ausbildung entschieden, weil ich etwas machen wollte, das sowohl Praxis- als auch Theorieanteile hat. Und irgendwie hatte ich schon im Gefühl, dass ich vielleicht ganz gut Gabelstaplerfahren kann und mir das Spaß machen würde. Schließlich fahre ich auch gerne Auto.

Mit Beginn der Ausbildung ist man von einem auf den anderen Tag plötzlich im Berufsleben angekommen. Wie hast du diesen Übergang erlebt?

Es fiel mir zwar nicht sehr schwer, aber es war trotzdem eine extreme Umstellung. Auf einmal muss man sich noch viel strenger an Uhrzeiten und Regeln halten. In der Schule konnte man auch mal fehlen und sich selbst entschuldigen. Im Unternehmen braucht man ein Attest.

Außerdem muss man viel selbstständiger sein. In der Schule wird schon viel mehr für einen organisiert.

Erinnerst du dich noch, was du von deinem ersten Azubi-Gehalt gekauft hast?

Ich glaube, ich habe mein gesamtes erstes Gehalt für Kleidung ausgegeben. Vorher habe ich zwar bereits auf 450-Euro-Basis gejobbt, aber vom ersten Gehalt konnte ich mir dann etwas mehr gönnen. Es waren bestimmt Schuhe.

Du warst Jugend- und Auszubildendenvertreterin. Was ist das genau und welche Aufgaben hattest du?

Eine Interessensvertretung für Auszubildende ist so etwas wie ein Betriebsrat für Azubis. Wir kümmern uns um die Interessen der Auszubildenden und setzten uns beispielsweise für die Übernahme der Azubis ein oder sind Ansprechpartner, wenn etwas mal nicht gut läuft. Es ist ein Wahlamt – das heißt, wir werden von unseren Kollegen in dieses Amt gewählt und bleiben dort zwei Jahre. In dieser Zeit werden wir teilweise von unserer Tätigkeit in der Ausbildung freigestellt und dürfen uns der Arbeit als Jugend- und Auszubildendenvertreter widmen.

Ich bin froh, dass ich diese Aufgabe übernommen habe. Es war aber auch anstrengend, mich neben der Ausbildung um ein so wichtiges Amt zu kümmern.

Was hat dir an dieser Arbeit besonders gefallen?

Mir gefällt es, mitreden und mitbestimmen zu können und sich für Dinge einzusetzen, die man wichtig findet. Dafür sind die Jugend- und Auszubildendenvertreter wichtig. Außerdem habe ich durch diese Aufgabe viel Kontakt zu Arbeitskollegen aus den anderen Lehrjahren gehabt, ich habe die Namen der anderen Azubis gelernt und zu einigen habe ich ein sehr gutes Verhältnis entwickelt. Für mich war es auch schön, dass andere Azubis auf mich zugekommen sind und mich erkannt haben. Es hat sich manchmal angefühlt, als wären wir eine kleine Familie.

Wem würdest du eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik empfehlen und wem nicht?

Man sollte schon Interesse daran haben, Stapler zu fahren – und vor allem sollte man davor keine Angst haben. Ich habe sehr viele andere Azubis gesehen, die das Staplerfahren wohl etwas unterschätzt haben. Die haben sich dann nicht richtig getraut, man kann ja schon viel kaputt machen. Wer zum Beispiel nicht gerne Auto fährt, für den ist mein Job sicher auch nichts.

Man muss auch auf jeden Fall körperlich anpacken können. Jemand, der sich nicht auch mal gerne anstrengt, wäre hier falsch. Man kommt schon auch ab und zu ins Schwitzen.

Außerdem sollte man sich auch für Wirtschaft interessieren, das ist ein wichtiges Unterrichtsfach und Teil der Ausbildung. Ich habe vorher schon ein Fachabitur im Bereich Wirtschaft und Verwaltung gemacht und vieles von dem Stoff wurde hier wiederholt. Wem das zu trocken ist, dem würde ich diese Ausbildung nicht empfehlen.

Wie war es für dich, deine Ausbildung während der Corona-Pandemie zu machen?

Das hatte Vor- und Nachteile. Wir waren sehr lange zu Hause und das war ganz entspannt. Aber nach und nach hat sich das bemerkbar gemacht: Zum Beispiel bei den Prüfungen wurde deutlich, dass durch Corona Wissens- und Erfahrungslücken entstanden sind. Zu Beginn der Ausbildung wollte ich die Ausbildungszeit eigentlich verkürzen. Das geht unter bestimmten Umständen.

Aber ich habe schließlich beschlossen, das nicht zu tun. Zu dem Zeitpunkt, als ich das hätte entscheiden müssen, hatte ich noch so wenig Praxiserfahrung, weil ich fast das komplette zweite Lehrjahr zu Hause war. Und gerade im zweiten Lehrjahr finden die meisten praktischen Anteile statt, vor allem das Staplerfahren.

Wenn du einen Tag lang Bundeskanzlerin wärst, was würdest du für Auszubildende verändern?

Ich würde Ausbildungen so gestalten, dass Noten eine viel weniger wichtige Rolle spielen. Wenn Azubis schlechte Noten bekommen, wirkt sich das natürlich auch auf eine potenzielle Übernahme nach der Ausbildung aus. Und das kann sehr schade sein. Ich habe Leute kennengelernt, die richtig gut arbeiten und Spaß an dem, was sie machen, haben und die auch gut staplerfahren. Manchen Menschen fällt das klassische Lernen in der Schule einfach schwer.

Oft machen junge Menschen eine Ausbildung, weil ihnen das theoretische Lernen nicht so liegt. Die wollen Praxis – und dann liegt der Fokus trotzdem wieder so sehr auf dem Notenschnitt. In manchen Bereichen, im Studium oder sehr theoretischen Ausbildungsberufen, ist das sicherlich auch sinnvoll. Aber in meinem Bereich fände ich es wichtiger, dass die Arbeitsqualität mehr in den Vordergrund rückt.