Gesundheit und Datenschutz Fraktionen diskutieren über die e-Akte
Der Bundesgesundheitsminister möchte die elektronische Patientenakte ermöglichen. So hätten Patienten Zugriff auf Daten wie Arztbefunde. Über Sicherheitsbedenken und andere Fragen wurde im Digitalausschuss diskutiert.
Viele Menschen wissen es zwar nicht, aber wer möchte, kann schon jetzt eine elektronische Patientenakte (ePA) nutzen. Allerdings muss man sich derzeit aktiv darum kümmern. Dazu muss man die App der Krankenkasse herunterladen, sich für die Nutzung bei der Krankenkasse registrieren und die Akte muss freigeschaltet werden. Das ist umständlich und hat zur Folge, dass weniger als ein Prozent der Patienten die elektronische Patientenakte nutzen.
Lauterbachs Pläne
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach möchte das ändern und plant, die elektronische Patientenakte für alle einzuführen. Anfang März 2023 hat das Bundesgesundheitsministerium seine Digitalstrategie veröffentlicht. Bis Ende 2024 sollen für alle gesetzlich Versicherten digitale Akten eingerichtet werden – es sei denn, man lehnt das aktiv ab. Das Ziel: Bis zum Jahr 2025 sollen 80 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine elektronische Patientenakte verfügen.
Damit einhergehen sollen auch digitale Medikamentenpläne. So könnten Ärzte direkt überprüfen, ob ein Medikament, das sie verschreiben wollen, zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten führt, die der Patient einnimmt.
E-Rezept soll kommen
Apropos verschreiben: Auch das E-Rezept soll Anfang 2024 zum verbindlichen Standard werden. Das heißt, man müsste nicht länger mit dem Papier-Rezept zur Apotheke gehen, sondern könnte dort die Gesundheitskarte oder das Smartphone vorzeigen.
Pläne gibt es schon lange
Ganz neu ist die Idee, die gesundheitliche Versorgung stärker zu digitalisieren, nicht. Bereits vor 20 Jahren hatte die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eine elektronische Gesundheitskarte auf den Weg gebracht. Auch Lauterbach war damals schon an dem Vorhaben beteiligt.
„Arbeiten an großer Digitalstrategie“
Mitte März war Lauterbach im Digitalausschuss und erklärte, man arbeite an einer großen Digitalstrategie und wolle ein Digitalgesetz machen, dessen zentrales Element die elektronische Patientenakte sein solle - und zwar als Opt-Out-Option. Damit solle die Versorgung der Patienten verbessert werden. Zur Erklärung: Opt-Out bedeutet, dass man sich künftig gegen die elektronische Patientenakte entscheiden kann, es grundsätzlich aber erst einmal eine elektronische Patientenakte für alle Patienten geben soll.
In Deutschland stünden Befunde häufig nicht zur Verfügung, wenn man sie brauche – und das, obwohl die Befunde durchaus vorhanden seien, so Lauterbach. Er erklärte, dass das beispielsweise dann problematisch sei, wenn ein Arzt vermeiden wollten, eine Untersuchung doppelt zu machen, aber auf die Befunde aus der bereits durchgeführten Untersuchung nicht zugegriffen werden könnten.
Opt-Out-Funktion für Bequemlichkeit
Der Minister betonte, dass die Veränderungen auf eine Art und Weise erreicht werden sollten, die für den Patienten sicher, gleichzeitig aber auch bequem sei. Für die Bequemlichkeit solle laut Lauterbach die Opt-Out-Funktion sorgen.
Was die Sicherheit angeht, so solle der Arzt beispielsweise bei sensiblen Diagnosen fragen müssen, ob er den Befund in die Patientenakte hochladen dürfe. Das könne beispielsweise bei einer HIV-Erkrankung oder bei Suizidalität der Fall sein. So solle ausgeschlossen werden, dass etwas in die Patientenakte komme, das der Patient dort nicht wolle.
Jeder Zugriff soll protokolliert werden
Denkbar sollen auch Optionen sein, bei denen der Arzt in die Patientenakte gucken, aber nicht reinschreiben könne und umgekehrt. Ein weiterer wichtiger Punkt: Jeder Zugriff auf die Akte werde protokolliert, so Lauterbach. Ein unbefugter Zugriff würde somit erfasst und könnte strafrechtlich verfolgt werden.
Der Patient solle zu jeder Zeit die Rechte an seinen Daten behalten, betonte Lauterbach. Derzeit habe der Patient kein Eigentum an seinen Daten, weil diese bei verschiedenen Ärzten lägen.
SPD-Fraktion: „Mutiger Aufschlag“
Matthias Mieves von der SPD-Fraktion sagte, Lauterbach habe einen mutigen und umfangreichen Aufschlag gemacht, der seiner Meinung nach Unterstützung verdiene. Mieves fragte, was der Minister in den ersten beiden Jahren als spürbare Verbesserung für die Patienten in Deutschland plane.
Lauterbach antwortete, dass von Januar 2024 an bereits das E-Rezept angeboten werden solle, und wenn die elektronische Patientenakte im Laufe des Jahres 2024 komme, könne der Patient die Daten, die er bereits habe, hochladen. So würde der Patient erstmalig Herr der Daten sein.
CDU/CSU: „Viele Punkte nicht neu“
Franziska Hoppermann von der CDU/CSU-Fraktion kritisierte, dass viele Punkte der Digitalstrategie nicht neu seien. Was neu sei, sei das Opt-Out-Modell, sagte sie und merkte an, dass Datenschützer dem Modell gegenüber skeptisch seien.
Der Minister entgegnete, er habe bereits eingeräumt, schon vor 20 Jahren an dem Thema gearbeitet zu haben. Der Unterschied zu früher sei aber, dass man es jetzt machen und anpacken werde. Die Opt-Out-Lösung sei deshalb von zentraler Bedeutung, da die Opt-In-Lösung derzeit von weniger als einem Prozent der Menschen genutzt werde. Berechtigte Datenschutzbedenken müsse man aufgreifen und man nehme sie sehr ernst, so Lauterbach weiter. Man werde zum Schluss zu einer sicheren Lösung kommen, die die Datenschützer überzeugen werde
Grüne: „Höchste Zeit, voranzukommen“
Maria Klein-Schmeink von der Grünenfraktion sagte, es sei höchste Zeit, dass man im Bereich Digitalisierung im Gesundheitswesen vorankomme. Sie kam ebenfalls auf die Opt-Out-Variante zu sprechen und fragte, was es für Versicherte bedeute, die sich gegen die elektronische Patientenakte entschieden, und ob diese Versicherten trotzdem etwa das E-Rezept nutzen könnten.
Das elektronische Rezept könne der Patient unabhängig von der elektronischen Patientenakte bekommen, antwortet Lauterbach. Somit könne der Patient auch einen elektronischen Medikationsplan erhalten. Er betonte aber, dass der Patient ohne elektronische Patientenakte die Befunde nicht zur Hand habe und Ärzte somit keine Möglichkeit hätten, diese schnell zu sichten. Dies könne im Einzelfall eine schlechtere Versorgung bedeuten.
FDP: „Nutzeraspekt im Mittelpunkt“
Maximilian Funke-Kaiser von der FDP-Fraktion sagte, man finde es gut, dass der Nutzeraspekt nun in den Mittelpunkt gestellt werde. Er kam auf das Thema Digitalagentur zu sprechen. Zum Hintergrund: 2005 wurde die Gematik gegründet, eine Gesellschaft, die die Weiterentwicklung der elektronischen Gesundheitskarte vorantreiben sollte. Diese soll nun laut Digitalstrategie zu einer Digitalagentur weiterentwickelt werden und sich künftig zu 100 Prozent in der Trägerschaft des Bundes befinden. Bislang hält das deutsche Bundesgesundheitsministerium nämlich nur 51 Prozent an der Gematik, weitere Gesellschafter sind beispielsweise die Bundesärztekammer oder die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Funke-Kaiser führte in der Debatte an, dass die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) derzeit die Finanzierung der Gematik zu 93 Prozent übernehme. Er fragte, wie die Finanzierung aussehe, wenn die Digitalagentur vom Bund übernommen werde.
Lauterbach antwortete, dass am konkreten Finanzierungskonzept noch gearbeitet werde. Es werde aber dabei bleiben, dass die GKV einen erheblichen Teil der Kosten tragen werde
AfD: „Warum dieser Zwang?“
Beatrix von Storch von der AfD-Fraktion fragte, warum Karl Lauterbach angesichts der vielen Vorteile, die eine elektronische Patientenakte bringen solle, nicht darauf vertraue, dass die Menschen sich freiwillig für die Patientenakte entscheiden würden. Warum sei es notwendig, die Menschen mittels Opt-Out-Version zu zwingen? Außerdem wollte von Storch wissen, ob es möglich sei, dass die Opt-Out-Version irgendwann abgeschafft werden könne.
Der Gesundheitsminister antwortete, dass viele Menschen das Risiko plötzlich auftretender schwerer Krankheiten unterschätzen würden. Er wolle nicht die Menschen zurücklassen, die sich für gesünder hielten als sie seien oder jene, die aus Barrieregründen keine elektronische Patientenakte einrichten könnten. Die elektronische Patientenakte wolle man allen zur Verfügung stellen. Er betonte außerdem, dass das Wegfallen der Opt-Out-Lösung, also eine Zwangslösung ausgeschlossen sei. Dies sei schon alleine datenschutzrechtlich nicht möglich.
Linke: Sorge in Bezug auf Ermittlungsbehörden
Anke Domscheit-Berg von der Linksfraktion wollte wissen, ob es denkbar sei, dass beispielsweise Ermittlungsbehörden in Zukunft auf sensible Daten wie die Daten in der elektronischen Patientenakte zugreifen könnten.
Daraufhin entgegnete Lauterbach, dass Zugriffe von Sicherheitsbehörden nicht angedacht und nicht zugelassen seien. Es gehe um Patientendaten, die auch in der ärztlichen Praxis nur unter besonderen Bedingungen und mit richterlichem Beschluss zugänglich gemacht werden könnten. Durch die elektronische Akte würden die Hürden noch höher, sagte er.
Die komplette Debatte könnt ihr euch im Video ansehen. Mehr zur Ausschusssitzung findet ihr auf bundestag.de, zum Digitalausschuss geht es hier.