Gesetzentwurf „Wir machen Ernst mit einer Entlastung der Pflege“
In der Corona-Pandemie war die Überlastung der Pflegekräfte in Krankenhäusern ein großes Thema. Nun hat die Bundesregierung einen Vorschlag gemacht, der die Situation kurzfristig verbessern soll. Die Oppositionsfraktionen sehen ihn kritisch.
Schon vor Corona, darin waren sich alle Fraktionen bei der Debatte im Plenarsaal einig, war die Situation der Pflegekräfte in Krankenhäusern angespannt: zu wenig Personal, zu viele stressige Nachtschichten, zu wenig Anerkennung für die anstrengende Arbeit.
Der Entwurf für ein Krankenhauspflegeentlastungsgesetz sieht vor, den tatsächlichen Pflegebedarf mit den vorhandenen Ressourcen zu vergleichen – ein Messinstrument, mit dessen Hilfe der ideale Personalschlüssel errechnet werden soll.
Gesundheitsminister: „Bessere Pflege ist teurer“
In der ersten Lesung im Bundestag stellte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Entwurf vor. Er sprach von einer „Dauerbelastung“ der Pflegekräfte. Die Corona-Pandemie hätte die Situation noch verschärft. Deutschland habe im internationalen Vergleich sehr viele stationäre Betten, viele Eingriffe, die eigentlich auch ambulant gemacht werden könnten, und lange Liegezeiten.
Mit Hilfe des neuen Gesetzes solle deshalb „stationsgenau“ ermittelt werden, welche Pflege notwendig wäre. Darauf sollten dann Entlastungen folgen, zum Beispiel durch mehr freie Tage, weniger Schichtdienste und eine bessere Vergütung. „Wir machen Ernst mit einer Entlastung der Pflege“, versprach der Minister. „Bessere Pflege ist teurer“, räumte er ein, aber es sei dringend notwendig, den Beruf zu „professionalisieren“ und zu „akademisieren“: „Das wird den Beruf attraktiver machen.“
Union: „Insolvenzen drohen in nicht gekannter Größenordnung“
Dietrich Monstadt (CDU/CSU) konstatierte: „Unsere Krankenhäuser sind so überfordert, dass sie kaum Patienten aufnehmen können.“ Das sei „Realität hier bei uns in der Hauptstadt“. Die Inflation und steigende Energiekosten kämen hinzu. „Insolvenzen drohen in nicht gekannter Größenordnung“, warnte Monstadt.
Die Maßnahmen der Koalition kämen zu spät und seien „schlicht zu wenig“. Der Regierungsentwurf sei „nicht nur handwerklich mangelhaft, sondern vor allem inhaltlich“, da eine „wirkliche Entlastung der Pflege“ nicht stattfinde. Krankenhäuser bräuchten zum einen einen Inflationsausgleich, zum anderen „mehr Flexibilität“. Sie müssten „eigenverantwortlich“ entscheiden können, wie und wo das Personal eingesetzt werde.
Grüne: „Nachhaltige Strategie für die Zukunft unseres Gesundheitswesens“
Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, „etwas Selbstkritik“ seitens der Unionsfraktion wäre „angemessen“ gewesen. Immerhin habe sie in ihrer langen Regierungszeit keine „spürbaren Reformen“ auf den Weg gebracht, um dem Fachkräftemangel in der Pflege entgegenzuwirken. „Wir brauchen endlich eine nachhaltige Strategie für die Zukunft unseres Gesundheitswesens“, forderte Schulz-Asche.
Die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssten besser werden, denn man brauche dringend mehr Pflegekräfte. Dafür solle das Messinstrument sorgen, das im Gesetzentwurf beschrieben sei. Schulz-Asche räumte ein, dass die Finanzierung noch unklar sei. „Dies und andere Unklarheiten“ werde die Koalition aber „in den nächsten Tagen ausräumen“.
AfD: „Krankheitsminister Lauterbach“
„Mit diesem Gesetz wird es keine einzige Pflegekraft mehr im Gesundheitswesen geben“, behauptete Christina Baum (AfD) zu Beginn ihrer Rede. Denn die Festlegung einer idealen Personalbesetzung würde nur Sinn ergeben, „wenn überhaupt genügend Personal vorhanden ist“. Daran mangele es seit vielen Jahren. Pflegekräfte wünschten sich „Anerkennung und Wertschätzung“ für ihre Arbeit, mehr Zeit für die Patienten, „vernünftige Bezahlung“ und „weniger sinnlose Bürokratie“.
Baum kritisierte Lauterbach, den sie den „Krankheitsminister“ nannte, für seine Verurteilung ungeimpfter Pflegekräfte in der Corona-Pandemie. Damit habe er „einen Spaltkeil in die Pflege getrieben“. Sie forderte ihn auf, „endlich“ das Gesetz zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht zu streichen.
FDP: „Personalbemessung, die sich am tatsächlichen Patientenbedarf orientiert“
Nicole Westig (FDP) versprach, mit dem Gesetz „werden wir die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern“. Zwar werde es nicht „mit einem Federstrich die Personalprobleme in unseren Kliniken lösen“. Doch als „lernendes System“ liefere die Personalbemessung den „entscheidenden Schlüssel“ dafür: „Wir brauchen eine Personalbemessung, die sich am tatsächlichen Patientenbedarf orientiert.“
Verbesserungen am Entwurf seien nötig, gab Westig zu. Das Gesetz sei nur ein erster Schritt, weitere seien nötig. Aus Sicht ihrer Fraktion müsse die Pflege-Wissenschaft und das Pflege-Management mit einbezogen werden. Unter anderem müsste die Pflegeausbildung gestärkt werden und Fachkräfte müssten aus dem Ausland geholt werden.
Linke: „Danke für nichts“
Ates Gürpinar (Die Linke) fand, es sei „eine Frechheit“, dass eine „eigentlich gute Idee“ „so schlecht umgesetzt“ werde. Er nannte Lauterbach einen „Ankündigungsminister“, der „bis auf einen winzigen Pflegebonus“ keins seiner Versprechen gehalten habe. So würde auch dieser Gesetzentwurf nur ankündigen, prüfen und die Pflegekräfte überhaupt nicht entlasten. Gürpinar schloss: „Im wahrsten Sinne: Danke für nichts, Herr Lauterbach!“
Hier seht ihr die ganze Debatte im Video:
(Julia Karnahl)