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Kenia und Sambia „Zehn Prozent sind von Hunger bedroht“

Anton Nikolaus Neidhardt

Mit dem Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft war Ina Latendorf (Die Linke) in Kenia und Sambia. Es ging um die Themen Mangelernährung, Wasserknappheit und Hilfe zur Selbsthilfe.

Frau auf einem Tiermarkt in Kenia, im Hintergrund magere Kühe

„Ich habe noch nie so abgemagerte Rinder am Straßenrand gesehen“, erzählt Ina Latendorf. © picture alliance/Zumapress.com/Boniface Muthoni

Für zehn Tage waren Sie mit einer Delegation des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft in Kenia und Sambia. Welche Themen sind dort aktuell in Bezug auf Landwirtschaft und Ernährung von Bedeutung?

Die Ernährungssituation in Kenia und Sambia ist teilweise sehr prekär. In Sambia ist beispielsweise ein Drittel der Bevölkerung mangelernährt. Zehn Prozent sind von Hunger bedroht – und das heißt wirklich: vom Hungertod. Das sind natürlich Zahlen, die erschrecken, und deswegen steht das Thema Ernährung hier im Vordergrund.

Wir haben aber auch viel über den Landwirtschaftsbereich erfahren. Da ist das drängendste Thema Wasser. In Kenia ist jetzt gerade die fünfte Regenzeit ausgefallen. Der Wassermangel wirkt sich dramatisch auf die Landwirtschaft aus. Ein weiteres Problem ist die fehlende Mechanisierung in der Landwirtschaft.

Warum wurden als Ziele für Ihre Reise gerade Kenia und Sambia ausgewählt und nicht andere Länder im globalen Süden oder in Ostafrika?

Wir haben im Ausschuss in letzter Zeit viel über Welternährung und Welthunger gesprochen und wollten uns davon ein eigenes Bild machen, mit Menschen sprechen, die es betrifft. Gerade weil durch den Krieg in der Ukraine Getreidelieferungen von dort ausfallen, ist die Situation im mittleren und östlichen Afrika derzeit dramatisch. Ursprünglich hatte ich vorgeschlagen, nach Äthiopien zu reisen. Aber das war aufgrund der Sicherheitssituation vor Ort und der Reisewarnungen nicht möglich. Deshalb sind es dann Kenia und Sambia geworden.

Der zweite Ansatz für die Reise war, dass wir gerade in der Haushaltsberatung sind. Über den Haushalt des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft werden zum einen wichtige lokale Projekte unterstützt, zum anderen auch UN-Organisationen wie die FAO (Food and Agriculture Organization) mit ihrem Welternährungsprogramm. Da gab es im Haushaltsentwurf Streichungen, die ich persönlich sehr kritisch sehe. Auch das war ein Ziel der Reise: Sich anzuschauen, was wir da unterstützen. Muss man das weiter fördern? Muss man etwas anders machen?

Wurden Ihre Erwartungen an die Reise erfüllt?

Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, sich ein eigenes Bild zu machen. Natürlich hatte man schon in etwa eine Vorstellung von der Situation. Aber es ist teilweise noch viel erschütternder, was man dann sieht – obwohl wir noch nicht mal in den Dürreregionen selbst waren, sondern nur in angrenzenden Regionen. Ich habe noch nie so abgemagerte Rinder am Straßenrand gesehen, die im Prinzip in der Wüste stehen und sich das letzte Blättchen suchen sollen. Und man weiß, die haben auch in den nächsten drei Stunden kein Wasser. Das ist natürlich ein extremer Gegensatz zu der Landwirtschaft und Tierhaltung, die wir hier in Deutschland haben.

Wir müssen die krasse Armut durchbrechen, indem wir die Länder darin unterstützen, ihre Potenziale zu nutzen. Sehr aufschlussreich war in dieser Hinsicht der Besuch einer Blumenfarm, die von Europäern betrieben wird. Mit 135 Euro Monatslohn hatten die Arbeiter dort einen vergleichsweise guten Verdienst. Aber der Profit bleibt eben nicht im Land. Damit haben zwar die Menschen, die dort beschäftigt sind, ihren Verdienst, aber zum Inlandsprodukt oder zur Wirtschaftsleistung des Landes wird da nichts beigetragen.

Ich plädiere klar dafür, die Menschen vor Ort zu stärken durch Bildung und durch Beratung, wie sie im eigenen Land mit ihren Ressourcen arbeiten können, damit sie nicht so stark auf den Export angewiesen sind.

Besonders Länder in Äquatornähe, wie Kenia, sind auch von den Folgen der Klimakrise betroffen. Was sind denn konkrete Möglichkeiten und Pläne, diesen Folgen vor Ort entgegenzuwirken?

Vor Ort können wir tatsächlich nur den Folgen entgegenwirken, denn die Klimakrise entsteht ja nicht dort. Kenia oder Sambia gehören zu den Ländern, die unter der Klimakrise am meisten leiden, ohne dass sie einen großen Beitrag dazu geleistet haben. Wenn man die Kohlendioxidemissionen im Vergleich betrachtet, ist Sambia bei 0,4 Tonnen je Einwohner – und Deutschland bei 7,7 Tonnen. Daran sieht man, dass man in den Industrieländern ansetzen muss, um dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, damit die Folgen in den Entwicklungsländern abgemildert werden können.

Wir haben Projekte angeschaut, die sich mit Wasserrückhaltung und Wasserspeicherung beschäftigen, um mit diesem schrecklichen Wassermangel irgendwie umzugehen. Das sind aber immer nur Versuche, den Folgen entgegenzuwirken; die Ursachen des Klimawandels bekämpft man damit nicht.

Ein anderes Thema, das globale Bedeutung hat, ist der Krieg gegen die Ukraine. Sie haben eingangs schon erwähnt, dass er schwere Auswirkungen auf die Versorgungslage in vielen afrikanischen Ländern hat. Welche sind das?

Die Menschen sowohl in Sambia als auch in Kenia ernähren sich im Wesentlichen von Mais, der auch vor Ort angebaut wird. Insofern schlagen dort, wo wir waren, fehlende Getreidelieferungen aus der Ukraine gar nicht so gravierend ein, wie ich es erwartet hatte.

Ein größeres Thema waren die Düngemittel. Chemische Düngemittel wurden in Kenia und Sambia in den letzten Jahren vermehrt eingesetzt, gerade auch, um die Monokulturen, die dort vorherrschen, möglich zu machen. Dass nun die Preise für Düngemittel so stark steigen, ist natürlich ein Problem. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Menschen vor Ort wissen, wie man die Landwirtschaft durch Fruchtfolge und durch organische Dünger auch ohne Abhängigkeiten von chemischen Düngern betreiben kann.

Sie haben zum einen Projekte und landwirtschaftliche Betriebe besucht, zum anderen Gespräche mit Vertretern von Zivilgesellschaft, Regierung, Unternehmen und internationalen Institutionen geführt. Welches Erlebnis war für Sie am eindrücklichsten?

Sehr eindrücklich fand ich zum Beispiel ein Projekt zur Unterstützung von Frauen in den ersten tausend Tagen des Lebens ihrer Kinder. Beeindruckt hat mich, mit wie wenig man da helfen kann, und wie viel Zuversicht die Menschen, die wirklich sehr arm sind, ausstrahlen, wenn sie sehen, dass das, was sie da gerade gelernt haben, ihnen hilft. Da ging es mal um Hygiene, mal um die Lagerung von Lebensmitteln über längere Zeit unter schweren klimatischen Bedingungen und ohne Kühlung.

Eindrücklich war auch die Landschaft: Wir haben große Canyons gesehen, die von Starkregen ausgespült wurden. Ein klares Zeichen für die Folgen des Klimawandels, die ja einerseits Dürre sein können, aber auch Starkregenereignisse, die alles wegspülen, was nicht niet- und nagelfest ist.

Besonders war auch das Gespräch mit einer Parlamentarierin, die auf uns zukam und davon berichtete, wie schwer die Situation der Frauen im Parlament ist, dass sie da wirklich gegen starke Widerstände der männlich dominierten Gesellschaft ankämpfen müssen. Wir haben versucht, ihr Mut zu machen. In Deutschland ist es auch noch nicht lange so, dass Frauen in der Politik vorangehen. Ich denke, die Frauen in Kenia und Sambia sind auf einem guten Weg, mehr Gleichberechtigung zu erstreiten. Wir haben auch viele Frauen in der Landwirtschaft gesehen, die ganz schwere Arbeit leisten, wichtige Funktionen für die Ernährung ihrer Familien einnehmen und sich dann auch noch, bei dem Wenigen, was sie haben, sozial engagieren, indem sie zum Beispiel Aids-Waisen aufnehmen und ihr Schulgeld bezahlen. Das ist ein Zusammenhalt, der mich extrem beeindruckt hat.

Portrait der Abgeordneten Ina Latendorf

„Wir müssen diese krasse Armut durchbrechen, indem wir die Länder darin unterstützen, ihre Potenziale zu nutzen“, sagt Ina Latendorf. © Ina Latendorf

Zur Person

Ina Latendorf, 1971 geboren, ist Juristin. Seit 2021 sitzt sie für Die Linke im Deutschen Bundestag. Sie ist Obfrau im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und sitzt zudem im Petitionsausschuss. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

Portrait des Autoren
Mitmischen-Autor

Anton Nikolaus Neidhardt

wurde 2002 geboren und lebt in Dresden, wo er 2021 sein Abi machte. Danach leistete er einen Freiwilligendienst in Uganda. In seiner Freizeit produziert er Musik und geht gerne klettern, vor allem in der Sächsischen Schweiz.

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