Auslands-Serie: China „China ist offen für kritische Themen“
Raphael Fröhlich
Wie arbeiten Parlamentarier anderer Länder? Abgeordnete des Bundestages treffen regelmäßig Kollegen aus aller Welt. mitmischen.de fragt nach – heute bei dem Vorsitzenden der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe Hans-Peter Friedrich (CDU/CSU).
Wie funktioniert das politische System in China? Welche Unterschiede gibt es zu Deutschland?
China ist ein sehr bevölkerungsreiches Land, dort leben etwa 1,4 Milliarden Menschen. Es ist aufgeteilt in über 30 Provinzen und autonome Gebiete. Über allen Organisationen steht die dominante Kommunistische Partei Chinas, die offiziell knapp 90 Millionen Mitglieder hat. Die Leitlinien der Politik werden von der zentralen Führung auf alle Ebenen – zum Beispiel in Form von sogenannten Fünf-Jahres-Plänen – „durchgestellt“. Das ist ein völlig anderes System als in Deutschland: Deutschland ist ein demokratischer Staat, in dem es unterschiedliche politische Parteien gibt. Für jede politische Richtung gibt es eine Partei und im Wettstreit dieser Parteien kristallisiert sich die Richtung der Politik heraus – während es in China eben nur eine Partei gibt.
Wie kam es dazu, dass Sie Vorsitzender der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe sind?
Ich bin Wirtschaftspolitiker und war natürlich in dieser Eigenschaft hin und wieder in China. Als ich nach zehnjähriger Pause 2019 eine Chinareise gemacht habe, habe ich festgestellt, dass es überall viel Gesprächsbedarf gibt. Deshalb kam ich auf die Idee, eine China-Brücke zu gründen, die diesen Dialog unterhalb der offiziellen Regierungspolitik pflegt. Leider kam die Pandemie dazwischen, aber wir haben es geschafft, ein großes Netzwerk von China-Experten und China-Kennern zu knüpfen. Aufgrund meines Interesses für China lag es nahe, auch den Vorsitz in der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe zu übernehmen.
Welche Themen beschäftigen Sie derzeit in der Parlamentariergruppe?
Die Gruppe hat sich erst im Mai gegründet. Zunächst gab es Briefings von Experten des Auswärtigen Amtes, also den Kennern der Szene dort. Ein Schwerpunkt bisheriger Veranstaltungen war das Thema Wirtschaft, denn China ist Deutschlands wichtigster Welthandelspartner. Beide Länder haben von der Globalisierung viel profitiert. Deshalb ist die Frage wirtschaftlicher Beziehungen zentral, und so hatten wir kürzlich auch einen Vertreter der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Peking bei uns zu Gast.
Gerade bereiten wir eine Veranstaltung zu dem 50-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen zu China vor. Ich denke, es lohnt sich, eine Bestandsaufnahme zu machen und einen Ausblick in die Zukunft zu wagen.
Wie erleben Sie denn aktuell grundsätzlich das Interesse von Deutschland an China und auch umgekehrt?
Das Interesse in der Wirtschaft ist sehr groß, da es eine starke gegenseitige wirtschaftliche Verflechtung gibt. Auch im kulturellen Bereich, in Theater, Musik und Ballett, gibt es großes Interesse.
Was allerdings die öffentliche und vor allem veröffentlichte Meinung angeht, stelle ich fest, dass dort sehr einseitig über China berichtet wird – eigentlich nur negativ. Leider nehme ich auch wahr, dass vor allem junge Chinesen enttäuscht sind, dass die Deutschen ihr Land so negativ sehen.
Allerdings ist die Menschenrechtslage in China teils durchaus problematisch. Erst Ende Mai belegte ein Leak erneut, dass die Uiguren in China systematisch unterdrückt und in Lagern interniert werden. Beschäftigt Sie das in der Parlamentariergruppe?
Zumindest haben wir vor, uns mit diesem Thema zu beschäftigen, um ein Gesamtbild zu bekommen. Wir wollen versuchen, uns aus möglichst vielen Quellen zu informieren, also nicht nur aus den Medien, sondern auch durch den Austausch mit China-Wissenschaftlern.
Es ist zudem unser Ziel, den Menschenrechtsdialog mit China, der in den letzten Jahren etwas eingeschlafen ist, wiederzubeleben, weil es wichtig ist, auch über diese Themen im Gespräch zu bleiben.
Denken Sie, dass es möglich ist, dass Ihre Parlamentariergruppe dieses Thema auch bei der chinesischen Regierung anspricht?
Die Parlamentariergruppe darf sich nicht überschätzen, aber dieses Thema wird in unseren deutsch-chinesischen Gesprächen eine Rolle spielen. Am besten wäre natürlich ein persönlicher Austausch vor Ort. Nach meiner Erfahrung kann man mit chinesischen Gesprächspartnern auch sehr offen über kritische Themen sprechen. Was sie jedoch nicht akzeptieren, ist, öffentlich vorgeführt zu werden.
Wenn der Dialog in Sachen Menschenrechtsverletzungen nicht weiterhilft, sollte Deutschland dann über Sanktionen nachdenken?
Wenn man inhaltlich etwas erreichen möchte, dann ist es wichtig, im Dialog zu bleiben und seine Meinung offen zu vertreten. In den deutsch-chinesischen Beziehungen gibt es nach inoffiziellen Aufzeichnungen über 80 verschiedene Dialogformate. Wer Einfluss nehmen will, muss diese Kanäle nutzen.
Zur Person
Hans-Peter Friedrich wurde 1957 in Naila in Bayern geboren. Seit 1998 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages. Zuvor studierte er Jura und Wirtschaftswissenschaften und promovierte zum Doktor der Rechtswissenschaften. Friedrich hatte zahlreiche Funktionen innerhalb des Bundestages und der Bundesregierung inne: So war er von 2009 bis 2011 CSU-Landesgruppenchef, danach bis Oktober 2013 Bundesinnenminister. Zudem war er von 2017 bis 2021 stellvertretender Bundestagspräsident. Aktuell ist er Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.
Weitere Teile der Serie
Raphael Fröhlich
ist 19 Jahre alt und auf dem Weg, das Abitur in Tübingen zu machen. Daneben ist er immer wieder bei verschiedenen Lehrredaktionen anzutreffen und berichtet am liebsten über Themen, die den Gerechtigkeitssinn in ihm wecken.