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Experten-Interview „Erst denken, dann klicken“

Angelina Fiehl

Wo recherchiere ich am besten im Internet? Welchen Quellen kann ich trauen? Und wie sollte Medien-Bildung an der Schule aussehen? Auf diese Fragen antwortet Medien-Experte Heiko Wolf.

Portraitbild Heiko Wolf

„Gerade bei so kontroversen Themen wie Klimawandel ist es wichtig, die Quellen kritisch zu hinterfragen“, rät Heiko Wolf. © privat

Angenommen ich muss für die Schule einen Vortrag über den Klimawandel vorbereiten. Wo sollte ich im Internet dafür recherchieren?

Zunächst bietet es sich an, eine Suchmaschine zu benutzen, sei es Ecosia, DuckDuckGo, Google oder eine andere. Mit dem Suchbegriff Klimawandel kann ich mir einen ersten Überblick verschaffen und muss dann die Ergebnisse differenziert anschauen. Oft bekomme ich als erste Resultate Werbung angezeigt und darunter erscheinen dann weitere Ergebnisse von Wikipedia oder Nachrichtenportalen. Vielleicht gibt es zum Beispiel auch etwas von der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema. Wichtig ist, nicht einfach mit Copy und Paste Inhalte abzuschreiben, sondern auch andere verlinkte Quellen mit anzuschauen und zu vergleichen.

Sie haben Wikipedia erwähnt. Ist das eine vertrauenswürdige Quelle?

Bei Wikipedia muss man zunächst schauen, ob der Beitrag schon von der Community überprüft wurde. Denn es kann ja erst mal jeder alles schreiben. Die Einträge werden dann aber fachlich geprüft. Bei aktuellen Ereignissen erscheint auf der Artikelseite oft ein Hinweis, dass der geschriebene Text noch in Überarbeitung ist. Artikel auf Wikipedia sind auch dann nicht vertrauenswürdig, wenn ich keine Quellenangabe zu den Inhalten habe und der Text sich nur auf Behauptungen bezieht. Deshalb sollte ich bei meiner Recherche immer auf die Quellenangaben im Text achten – dargestellt durch Zahlen in eckigen Klammern. Gerade bei so kontrovers diskutierten Themen wie Klimawandel ist es wichtig, immer Fakten zu überprüfen beziehungsweise mehrere Quellen zu nutzen und diese Quellen kritisch zu hinterfragen: Wer behauptet da was – und was könnte er möglicherweise für ein Interesse daran haben?

Und wie kann ich seriöse Quellen von unseriösen unterscheiden? Gibt es da spezielle Tipps oder Tricks?

Das ist wirklich manchmal nicht ganz einfach. Aber es gibt ein paar Möglichkeiten, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Zunächst sollten Textinhalte immer mit anderen Quellen verglichen werden. Und bei allen Seiten im Internet ist es wichtig, sich die Urheberschaft und das Impressum anzuschauen. Bei Webseiten von Einzelpersonen oder Blogs wäre es dann wichtig, nochmal die Inhalte mit der Berichterstattung auf bekannten Nachrichtenportalen abzugleichen, um nicht auf Falschmeldungen hereinzufallen. Und falls in den Quellen Fotos oder Videos gezeigt werden, kann ich auch diese mit der Bilderrückwärtssuche von Google oder dem YouTube Data Viewer von Amnesty International überprüfen. Und zuletzt ist es wichtig, die Aktualität der Inhalte zu checken. Statistiken könnten schon veraltet sein. Bilder in Kriegsberichterstattungen könnten aus einem anderen Krieg stammen.

Mir hilft in der Regel dieser einfache Merksatz: Erst denken, dann klicken. Wenn ich sinnvoll suche und mir die Seiten genau anschaue, dann falle ich nicht so einfach auf unseriöse Quellen oder Fake News herein.

Was muss ich speziell beachten, wenn ich Suchmaschinen benutze?

Oft macht es Sinn, mehrere Begriffe oder ganze Sätze zu verwenden, um möglichst genaue Ergebnisse zu bekommen. Mit dem einzelnen Begriff „Klimawandel“ bekomme ich natürlich andere Vorschläge als wenn ich „Klimawandel Studien 2019“ eingebe. Und dann muss ich darauf achten, wann denn die Einträge gemacht wurden, ob die Information ein paar Stunden oder ein paar Jahre alt sind.

Was tun, wenn ich auf unterschiedlichen Seiten unterschiedliche Informationen finde? Wie finde ich heraus, ob die Information falsch oder richtig sind?

Wenn ich zum Beispiel unterschiedliche Zahlen zu einem Sachverhalt finde, kann ich zum Beispiel Informationsportale von staatlichen Stellen wie das Statistische Bundesamt per E-Mail anschreiben und nach aktuellen Zahlen fragen. Bei Tatsachen-Behauptungen zu kontrovers diskutieren politischen Entscheidungen kann ich mir die Gesetzesentwürfe und die Beschlüsse dazu auf bundestag.de anschauen. Empfehlenswert ist auch der Faktenfinder von tagesschau.de, der Fake News identifiziert.

Lernen Schüler in der Schule Ihrer Meinung nach genug über das Thema Medienkompetenz?

Mein Eindruck ist, dass es da noch ganz viel Nachholbedarf gibt. Wenn ich in Schulen oder in Jugendfreizeiteinrichtungen mit Jugendlichen zu Medien-Themen arbeite, bin ich immer wieder überrascht, wie Nachrichten konsumiert werden. Viele junge Menschen verlassen sich auf Informationen, die über Soziale Netzwerke geteilt werden. Oder sie nutzen nur einzelne Nachrichtenportale, um sich zu informieren. Hier fehlt oft ein kritischer Blick auf die Medien. Erwachsene können das aber meist auch nicht viel besser und können es den Jüngeren dann auch schwer vermitteln. Die Bundeszentrale für politische Bildung oder die Landesbildungsserver bieten gute Informationen zum richtigen Recherchieren. Nur sind diese Angebote noch nicht allgemein bekannt und kommen daher auch in der Schule zu wenig zum Einsatz.

Der Bundestag appelliert an die Bundesregierung, mehr für die Medienkompetenz zu tun. Hätten Sie Ideen, wie das vonstatten gehen könnte?

Es gibt ja schon seit vielen Jahren und von verschiedener Seite diese Forderung an die Bildungspolitik. Eine Überlegung wäre sicherlich, ein Unterrichtsfach Medienkompetenz einzuführen. Aber auch mit den aktuellen Rahmenbedingungen lässt sich viel erreichen: In den einzelnen Fächern lassen sich Medien gezielt einsetzen. Sei es für die Textrecherche, die Berechnung von Graphen oder Multimedia-Inhalte zu historischen oder aktuellen politischen Themen.

Es muss auf jeden Fall mehr passieren, als die Schulen nur mit Technik auszustatten. Lehrer und Schüler müssen gleichsam lernen, die Geräte zu nutzen und zu gestalten. In einigen Bundesländern gibt es schon gute Ansätze, zum Beispiel Medienscouts-Programme. Ältere Schüler lassen sich dabei als Medienberater ausbilden und geben anschließend ihr Wissen an die Jüngeren weiter.

Über Heiko Wolf

Heiko Wolf ist Medienpädagoge. Er arbeitet viel mit Kindern und Jugendlichen zum Thema Medien-Nutzung, aber zum Beispiel auch mit Lehrern und Sozialarbeitern. Er setzt Projekte zusammen mit der Gesellschaft für Medienpdädagogik und Kommunikationskultur und anderen Organisationen um.

Mitmischen-Autorin

Angelina Fiehl

ist 15 Jahre alt und lebt in Frankfurt am Main. Sie engagiert sich aktiv bei Fridays for Future und spielt seit kurzem in einer Band, macht aber auch alleine Musik. Außerdem ist sie dezent Mate-süchtig.

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