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3 Fragen an 6 Fraktionen Breitscheidplatz-Ausschuss: Was hat's gebracht?

In der letzten Sitzungswoche diskutierten die Abgeordneten die Schlussberichte der drei Untersuchungsausschüsse im Bundestag. Heute hier: 1. Untersuchungsausschuss „Breitscheidplatz“ zum Terroranschlag von 2016 in Berlin – Worum ging's und was sind die wichtigsten Erkenntnisse? Antworten geben die Obleute aller sechs Fraktionen des Ausschusses.

CDU/CSU
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Volker Ullrich ist Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“, außerdem Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. © Dr. Volker Ullrich

Volker Ullrich (CDU/CSU)

Worum ging es im 1. Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“?

Am 19. Dezember 2016 ereignete sich auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz ein verheerender Terroranschlag, bei dem ein Lkw auf den Markt und in die Menschenmenge gesteuert wurde. In Ausführung dieser Tat wurden zwölf Menschen getötet und mehrere Dutzend Menschen zum Teil schwer verletzt. Der Untersuchungsausschuss hatte die Aufgabe, Hintergründe der Tat zu ermitteln und dabei das Verhalten der Behörden vor und nach der Tat zu untersuchen. Auf über 1.000 Seiten wird die Arbeit dokumentiert.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Der spätere Attentäter hätte bereits vor der Tat außer Landes gebracht werden können. Auch war es ein Fehler, seine Überwachung als islamistischer Gefährder durch die Behörden einzustellen. Daraus sind bereits Schlüsse gezogen worden. Das System der Überwachung von Gefährdern ist verbessert worden und das Ausländerrecht wird konsequenter vollzogen.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

Insgesamt war der Ausschuss vom gemeinsam getragenen Aufklärungswillen geprägt. Unterschiedliche Auffassungen gab es bei der Frage nach dem zeitlichen Vorgehen der Befragung im Ausschuss und, ob die Vernehmung eines V-Person-Führers durch ein Gericht erzwungen werden soll oder nicht. (Anm. d. Red.: V-Person-Führer sind Mitarbeiter einer Behörde, in deren Auftrag eine V-Person, also ein Informant, handelt.)

SPD
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Fritz Felgentreu ist Obmann der SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“, außerdem Mitglied im Verteidigungsausschuss. © DBT/Stella von Saldern

Fritz Felgentreu (SPD)

Worum ging es im 1. Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“?

Der Untersuchungsausschuss versuchte zu verstehen, wie es dem Attentäter gelingen konnte, den Anschlag durchzuführen. Außerdem sollte aufgeklärt werden, wie gut deutsche Sicherheitsbehörden nach der Tat ermittelt und Fehler erkannt haben und was man zukünftig daraus lernen sollte. Der Ausschuss hat in dreieinhalb Jahren fast 150 Vernehmungen durchgeführt und als Ergebnis einen Abschlussbericht von 1.873 Seiten vorgelegt.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Der Attentäter hätte wahrscheinlich im Vorfeld gestoppt werden können – die Chancen wurden jedoch verpasst. Die Sicherheitsbehörden unseres Landes hatten infolge der großen Zuwanderung aus Syrien, Afghanistan und Irak in den Jahren 2015/16 zu viel zu tun. Hinzukam, dass die unterschiedlichen Behörden nicht gut miteinander gearbeitet haben. Deshalb wurde mehr Personal eingestellt und die Zusammenarbeit im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum verbessert.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

Den größten Streit zwischen den Fraktionen gab es wahrscheinlich darum, welche Zeugen oder Akten die Bundesregierung dem Untersuchungsausschuss vorlegen muss. Die Opposition klagte zum Beispiel vor dem Bundesverfassungsgericht darauf, einen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zu befragen, der Kontakt zu einem Spion in der islamistischen Szene hatte. Dies wurde ihnen aus Gründen der Geheimhaltung verboten, da sonst der Mitarbeiter und die Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes gefährdet worden wären.

AfD
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Stefan Keuter ist Obmann der AfD-Fraktion im Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“, außerdem Mitglied im Finanzausschuss. © Stefan Keuter/AfD-Bundestagsfraktion

Stefan Keuter (AfD)

Worum ging es im 1. Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“?

Aufgabe des Untersuchungsausschusses war es, die Hintergründe des Terroranschlages auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 aufzuklären. Auf 1.873 Seiten im Abschlussbericht und in unserem AfD-Sondervotum, mit anderen Bewertungen im Vergleich zur Bundesregierung, haben wir versucht, alle Fragen zu dieser Tat zu beantworten. Leider sind wir aber bei einigen rätselhaften Sachverhalten an unsere Grenzen gestoßen, wie etwa bei der Fluchtroute des Attentäters Anis Amri, seinen Todesumständen in Italien oder seinen Verbindungen nach Libyen.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Erkenntnisse: Anis Amri war kein Einzeltäter und selbst seine Täterschaft ist unklar. Insbesondere das Spurenbild im Lkw ist mehrdeutig und hält eine unbekannte, männliche Person in gleichem Ausmaß für tatverdächtig. Das gigantische Versagen von etlichen Behörden bis hin zur Bundeskanzlerin, Angela Merkel, die selbst bei der abschließenden Debatte nicht anwesend war, ist schockierend.
Folgen: Die Gefahr von islamistischen Terroranschlägen in Deutschland ist weiterhin hoch und muss viel ernster genommen werden. Untersuchungsausschüsse müssen künftig aktiv und transparent von den Behörden unterstützt werden. Die Behinderung unserer Arbeit war leider sehr groß.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

Insgesamt war es, zumindest gegen Ende, als es um den Abschlussbericht ging, eine gute Zusammenarbeit. Leider konnten sich selbst die anderen Oppositionsfraktionen nicht durchringen, unsere Zeugenbeweisanträge zu unterstützen. So konnte zum Beispiel nicht geklärt werden, warum Anis Amri Ende Juli 2016 in Friedrichshafen die Ausreise aus Deutschland untersagt wurde. Auch die Frage der politischen Verantwortlichkeit blieb leider ungeklärt.

FDP
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Benjamin Strasser ist Obmann der FDP-Fraktion im Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“, außerdem Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat. Fotografin: Tanja Ruetz

Benjamin Strasser (FDP)

Worum ging es im 1. Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“?

Am 19. Dezember 2016 war der islamistische Terrorist Anis Amri mit einem Lkw auf den Berliner Weihnachtsmarkt neben der Gedächtniskirche gerast. Zwölf Menschen starben bei dem Anschlag, fast 100 weitere Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Der Untersuchungsausschuss sollte vor allem die Rolle des Attentäters, dessen Umfeld und sein Netzwerk im islamistischen Milieu genauer analysieren. Aber auch Fehler der Sicherheitsbehörden beim Umgang mit dem Attentäter und den Ermittlungen nach dem Anschlag sollten von uns als Ausschussmitglieder identifiziert werden.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Erstens: Wir haben in Deutschland zu viele Sicherheitsbehörden, die sich zwar immer zuständig, aber selten wirklich verantwortlich fühlen. Deshalb muss die Zahl der Sicherheitsbehörden reduziert und deren Zusammenarbeit neu organisiert werden. Zweitens: Die Kontrolle der Nachrichtendienste muss verbessert werden. Sie dürfen nicht ohne wirksame Kontrolle bleiben. Deshalb brauchen wir einen parlamentarischen Nachrichtenbeauftragten, der jederzeit Zugang zu allen Akten, Mitarbeitern und Dienststellen hat und uns Abgeordnete informieren kann, wenn es schlechte Entwicklungen gibt.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

FDP, Linke und Grüne hätten gerne Zeugen befragt, die vor dem Anschlag gemeinsam mit Anis Amri eine radikale Moschee besucht haben. Manche davon haben wohl auch heimlich für den Verfassungsschutz als sogenannte V-Leute spioniert. Sie hätten uns viele Details und Hintergründe zum Attentäter und seinen Unterstützern erklären können. Aus Sicherheitsgründen durften wir solche Zeugen nicht hören. Wir wollten dann als Ersatz die Mitarbeiter aus dem Verfassungsschutz befragen, die den direkten Kontakt zu diesen V-Leuten hatten. Selbst das hat uns die Bundesregierung aber verweigert. Wir haben dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, jedoch leider nur einen Richter überzeugt.

Die Linke
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Martina Renner ist Obfrau der Fraktion Die Linke im Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“, außerdem Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat. © Martina Renner/Fotografin: Julia Bornkessel

Martina Renner (Die Linke)

Worum ging es im 1. Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“?

Der Ausschuss sollte mögliche Fehler und Versäumnisse der Sicherheitsbehörden und Geheimdienste im Vorfeld des Terroranschlags am Breitscheidplatz vom 19. Dezember 2016 untersuchen. Besonders wichtig waren die Fragen, wie ein den Behörden lange vor dem Anschlag bekannter Islamist den Anschlag dennoch begehen konnte und welche Personen ihn bei der Vorbereitung und Begehung der Tat möglicherweise unterstützt haben.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Der Attentäter handelte nicht alleine. Er wurde ideologisch, finanziell und logistisch, zum Beispiel bei der Beschaffung der Tatwaffe, unterstützt. Die Sicherheitsbehörden und Geheimdienste hatten viele Informationen über Anschlagspläne und Kontakte in die islamistische Szene. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Polizeibehörden müssen in Zukunft besser ausgebildet werden, um terroristische Gefahren frühzeitig zu erkennen. Der Verfassungsschutz ist aus meiner Sicht eher Teil des Problems, aber keine Lösung.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

Die demokratische Opposition wollte die „Mauer des Schweigens“ der Geheimdienste durchbrechen und verlangte die Vernehmung eines Beamten, der für Informanten, sogenannte V-Personen zuständig war. Der Verfassungsschutz hat uns auch nicht alle Akten vorgelegt. Bundesregierung und Koalition haben beides verhindert. Dabei wäre eine bessere Geheimdienstkontrolle absolut notwendig, um terroristische Attentate in Zukunft zu verhindern.

Die Grünen
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Irene Mihalic ist Obfrau der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“, außerdem Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat. Fotograf: Stefan Kaminski

Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen)

Worum ging es im 1. Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“?

In dem Untersuchungsausschuss ging es darum, die Umstände des schlimmsten islamistischen Anschlags in Deutschland aufzuklären. Wir wollten wissen, ob dieser Anschlag hätte verhindert werden können, wenn die Sicherheitsbehörden besser zusammengearbeitet hätten. Vor allem im Fokus stand die Arbeit der Bundessicherheitsbehörden, also des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei und des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Der Abschlussbericht zu unseren Untersuchungen ist 1.873 Seiten lang.

Was sind aus Ihrer Sicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse und was folgt jetzt konkret aus dem Untersuchungsausschuss?

Der Anschlag hätte verhindert werden können, wenn Behörden der Länder und vor allem des Bundes die Gefahr im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ) richtig eingeschätzt hätten. Wir haben daraus gelernt, dass wir dringend eine Reform des GTAZ brauchen. Zweitens war das Bundesamt für Verfassungsschutz näher am Täter und seinem Umfeld dran, als behauptet. Das zeigt, dass wir noch viel klarer fassen müssen, was der Verfassungsschutz zur Verhinderung solcher Taten beitragen kann und muss.

Worüber gab es den größten Streit zwischen den Fraktionen und warum?

In vielen Fragen haben die Fraktionen gut zusammengearbeitet. Die AfD nehme ich hier aus, weil sie keinen erkennbaren eigenen Beitrag zur Aufklärung erbracht hat. Die größten Differenzen zwischen der Koalition (CDU, CSU, SPD) und der demokratischen Opposition (FDP, Linke, Grüne) gab es darum, wie sehr man die Bundesregierung in die Pflicht nimmt, sich an der Aufklärung zu beteiligen. Leider haben nämlich die Bundesregierung und ihre Behörden die Aufklärung immer wieder blockiert und erschwert.

(loh)

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