Bundeskanzlerin Merkel „Einzig und allein mein Fehler“
Eric Matt
Aus der Osterruhe wurde die Oster-Korrektur. Bei der gestrigen Regierungsbefragung mit Kanzlerin Merkel hatten die Parlamentarier viele Fragen.
Wir schlagen die Zeitung auf – Corona, wir machen den Fernseher an – Corona, wir sitzen mit der Familie beim Essen – Corona. Egal, was wir machen, mit wem wir reden oder wohin wir gehen: Die Corona-Pandemie ist unser ständiger Begleiter.
Natürlich drehte sich deshalb auch die Regierungsbefragung diesen Mittwoch ausschließlich um die gesundheitliche Lage im Land. Das vorherrschende Thema war die sogenannte „Osterruhe“. Die Abgeordneten hatten aber auch Fragen zu Corona-Tests, Infektionsherden oder einem Stufenplan. Einzelne Abgeordnete forderten sogar, Merkel solle die Vertrauensfrage stellen.
Merkel: „Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“
Angela Merkel thematisierte in ihrem Eingangsstatement die sogenannte „Osterruhe“, die sie gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer vergangenen Montag beschlossen hatte. Die Osterruhe sah ursprünglich vor, am Gründonnerstag und am Karsamstag die meisten Geschäfte und Betriebe zu schließen. Dies sollte dabei helfen, das gesellschaftliche Leben für fünf Tage herunterzufahren, um das Virusgeschehen besser in den Griff zu bekommen.
Kurz vor der gestrigen Regierungsbefragung im Plenum aber kippte Merkel die Entscheidung. Die Kanzlerin erklärte, sie hätte „die Idee eines Oster-Shutdowns mit bester Absicht entworfen“. Denn, so Merkel zur Begründung: „Wir müssen es unbedingt schaffen, die dritte Welle der Pandemie zu bremsen“.
Jedoch sei die Idee ein Fehler gewesen, da Aufwand und Nutzen der Osterruhe nicht in einem vernünftigen Verhältnis gestanden hätten.
Merkel nahm die volle Verantwortung dafür auf ihre Kappe. „Um es klipp und klar zu sagen: Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler, denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung.“ Sie bedauere, fügte sie hinzu, dass der Vorgang zusätzliche Verunsicherung im Land ausgelöst habe.
Es gebe aber trotz allem Grund zur Hoffnung, war sich Merkel sicher: „Wir werden das Virus gemeinsam besiegen. Der Weg ist hart und steinig. Er ist von Erfolgen, aber auch von Fehlern und Rückschlägen gekennzeichnet. Aber das Virus wird seinen Schrecken verlieren.“
Beim Bund-Länder-Treffen am Montag hatten die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten zudem beschlossen, den Lockdown bis 18. April zu verlängern.
Merkel im Februar:
AfD: „Multikulti wichtiger als Bekämpfung des Virus?“
Nach der Rede Merkels konnten die Bundestagsabgeordneten ihre Fragen stellen. Gottfried Curio von der AfD-Fraktion sagte, dass „Personen mit Migrationshintergrund, genauer Moslems, auf Corona-Intensivstationen über 50 Prozent“ ausmachen würden. Curio verwies dabei auf Aussagen Lothar Wielers, des Präsidenten des Robert-Koch-Institutes (RKI). Das RKI ist im Kampf gegen das Corona-Virus maßgeblich beteiligt und berät die Bundesregierung.
Curio fragte Merkel: „Warum wird diese Gruppe der Regelverweigerer nicht gezielt adressiert? Ist die Erzählung vom Multikulti-Erfolgsmodell wichtiger als die Bekämpfung des Virus?“
Merkel entgegnete: „Ich möchte mich als Erstes dagegen verwahren, ganze Gruppen von Menschen in einer Art und Weise zu verdächtigen, weil das vollkommen inakzeptabel ist.“ Die Bundesregierung gehe „allen Fragen, wo und wie besondere Infektionsgeschehen nachzuvollziehen sind, nach“. So habe sie beispielsweise auch türkischsprachigen Medien Interviews gegeben, um dort für mehr Aufklärung zu sorgen, sagte die Kanzlerin. Ein Generalverdacht aber helfe nicht weiter. Die Zahlen, die der AfD-Abgeordnete Curio nannte, seien „vermischt zwischen Zitaten von Herrn Wieler und scheinbaren Fakten, die so überhaupt nicht benannt wurden“.
SPD: Arbeitgeber zu Tests verpflichten?
Yasmin Fahimi von der SPD-Fraktion wollte wissen, „welche alternativen Maßnahmen“ die Bundesregierung nun zur zurückgenommenen Osterruhe plane. Den Blick lenkte sie dabei auf Corona-Tests. Diese nämlich könnten eine „Brücke zu einer möglichst schnellen, endgültigen Impferfolgsstrategie“ sein.
Fahimis wollte deshalb von der Kanzlerin wissen, was sie davon halte, „Arbeitgeber zweimal wöchentlich zu einer Testung" zu verpflichten.
Merkel erklärte, dass sie Tests in den Betrieben für außerordentlich wichtig halte. Jedoch müsse man die aktuell zur Verfügung stehenden Selbsttests „prioritär erst einmal für die Kitas und Schulen verwenden“. Auch dort sei es „leider nicht so, dass eine flächendeckende Testung zweimal die Woche stattfindet“. Anfang April entscheide die Bundesregierung aber, ob weitere Maßnahmen notwendig seien, um für mehr Tests in Betrieben zu sorgen.
FDP: Entscheidungen „zurück in die Parlamente“
„Breiten Respekt“ zollte der FDP-Abgeordnete Marco Buschmann der Bundeskanzlerin dafür, dass sie eigene Fehler eingestehe und diese auch korrigiere. Entscheidend sei nun aber, „welche Konsequenzen daraus gezogen werden“. Daher fragte er: „Wann hören sie endlich auf, hinter verschlossenen Türen im ganz kleinen Kreise, mitten in der Nacht, über das Leben von Millionen von Menschen zu entscheiden? Wann legen sie die Entscheidung zurück in die Hände der Parlamente?“
Sie sehe den Kern der Frage, gestand Merkel. Daher wolle die Kanzlerin alle miteinbeziehen, die sie „unterstützen möchten und dazu zähle ich auch den Deutschen Bundestag.“ Die Beratungen mit den Ministerpräsidenten aber seien „trotzdem notwendig“. Jedoch schließe „das eine das andere nicht aus“, so Merkel.
CDU/CSU fordert mehr Selbsttests
Als einen „Gamechanger für die weitere Pandemiebekämpfung“ bezeichnete die CDU-Abgeordnete Bettina Wiesmann „das Instrument der Eigentests“. Diese Tests sollten laut Wiesmann vor allem in Kitas und Schulen eingesetzt werden. Dafür brauche es aber eine „ausreichende Zahl von Eigentests am Markt“. Wiesmann fragte: „Was unternimmt die Bundesregierung, um Klarheit zu schaffen oder sicherzustellen, dass genügend Eigentests verfügbar sind?“
Merkel erklärte, dass die Schulpolitik nicht die vorrangige Aufgabe der Bundesregierung sei. In Deutschland - so regelt es das Grundgesetz - ist die Bildungspolitik vor allem Sache der Länder und nicht des Bundes. Merkel wies aber auf die „Taskforce Testlogistik“ hin, die die Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern gegründet hat. Über diese Plattform können die Bundesländer Selbsttests bestellen. Für die Monate März und April hätten die Bundesländer nach eigenen Angaben aber genügend Tests, sagte Merkel.
Linke: Merkel soll Vertrauensfrage stellen
Dietmar Bartsch forderte Merkel auf, sich der Unterstützung durch die CDU/CSU- und die SPD-Fraktion zu versichern. Denn wenn dieses Vertrauen nicht mehr gegeben sein sollte, sei auch „die Unterstützung in der Bevölkerung nicht mehr gegeben “, sagte der Fraktionsvorsitzende von Die Linke. Auch er forderte die Bundeskanzlerin dazu auf, die Vertrauensfrage zu stellen. Bei der sogenannten Vertrauensfrage kann es zur Auflösung des Bundestages kommen, wenn eine Mehrheit der Abgeordneten der Kanzlerin oder dem Kanzler nicht mehr vertraut. Bartsch wollte wissen: „Sind sie sich sicher, dass sie die Unterstützung ihrer Fraktion und auch der sozialdemokratischen Fraktion haben?“
Die Antwort der Bundeskanzlerin war kurz und eindeutig. „Ja“, antwortete Merkel. Damit wurde die Vertrauensfrage nicht gestellt.
Grüne möchten „im Parlament debattieren“
„Frau Bundeskanzlerin, vielen Dank, dass sie einen Fehler eingestehen. Ich habe davor sehr hohen Respekt. Das ist auch im Dienst einer Demokratie“, sagte Katrin Göring-Eckardt von Bündnis 90/Die Grünen. Deutschland aber befinde sich weiterhin „in einer sehr schwierigen Situation“. Es brauche einen Wellenbrecher, so die Fraktionsvorsitzende.
Göring-Eckhardt erkundigte sich deshalb nach konkreten Maßnahmen in Bezug auf Tests an Schulen, Büroschließungen oder den Öffentlichen Nahverkehr. Dabei forderte sie ein Konzept für ein "planvolles Verhalten" in der Pandemie. „Ich fände es sehr gut, wenn sie einen Vorschlag machen könnten, den wir hier im Parlament debattieren“, sagte sie dazu in Richtung Merkel.
Die Kanzlerin erklärte, dass sie schon bei der letzten Konferenz mit den Ministerpräsidenten einen Stufenplan entwickelt habe, der eine „sehr, sehr gute Grundlage“ sei. Zum Thema Schulen ergänzte sie: „Ich bin bereit, vieles zu verantworten. Die Verteilung von Selbsttests an Schulen gehört wirklich nicht zu der Aufgabe, die eine Bundesregierung leisten kann.“
Mehr Informationen zur Regierungsbefragung findet ihr auf bundestag.de. Hier könnt ihr sie euch im Video anschauen:
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.