Auslands-Serie: Russland „Aus der Oberlehrerhaltung herauskommen“
Wie arbeiten Parlamentarier anderer Länder? Abgeordnete des Bundestages treffen regelmäßig Kollegen aus aller Welt. mitmischen.de fragt nach – heute beim Vorsitzenden der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe Robby Schlund (AfD).
Wie funktioniert der Parlamentarismus in Russland? Welche Unterschiede gibt es zu Deutschland?
In Russland gibt es ein präsidentielles System. Das bedeutet, dass der Präsident die Funktion des Staatsoberhauptes und des Regierungschefs innehat. Der direkt vom Volk gewählte Präsident hat also mehr Verantwortung als etwa der deutsche Bundespräsident.
Die Duma, also das Parlament, und der Föderationsrat, der vergleichbar mit unserem Bundesrat ist, kontrollieren den Präsidenten. Der Föderationsrat kann zum Beispiel jede Entscheidung des Präsidenten außer Kraft setzen oder ihn aus dem Amt heben. Ein großer Vorteil des russischen Systems besteht darin, dass parlamentarische Prozesse effizienter umgesetzt und dadurch Projekte von nationaler Tragweite schneller vorangetrieben und Krisen besser gelöst werden können.
Welche Themen beschäftigen Sie in der Gruppe am meisten?
Das wichtigste Thema sind die Sanktionen, die die EU gegen Russland verhängt hat. Hier versuchen wir auf allen Ebenen etwas für unsere gegenseitigen Beziehungen zu bewirken, damit wieder mehr wirtschaftliche Dynamik entstehen kann.
Ein weiteres Thema ist der Donbass-Konflikt im Osten der Ukraine, den wir natürlich überwinden wollen und für den wir eine dauerhafte Friedenslösung erreichen wollen. Für mich ist der persönliche Austausch sehr wichtig. Ich möchte erreichen, dass sich nicht nur auf Staatschef-Ebene ausgetauscht wird, sondern dass Formate entstehen, die auf allen Ebenen des Parlamentarismus, der Exekutive und auch der Wirtschaft etwas bewirken können.
Wie erleben Sie das öffentliche Interesse in Deutschland an Russland und umgekehrt?
Beide Seiten berichten von einem ausgesprochen guten und fruchtbaren Interesse an dem jeweils anderen Land. Es gibt insbesondere im Osten Deutschlands viele enge, funktionierende Beziehungen. Und das Interesse der Jugendlichen auf beiden Seiten ist besonders groß in Sachen Kultur und Lebensweise.
Die großen geopolitischen Konflikte mit Russland finden im Privaten, im Bereich der Wirtschaft oder auch in der parlamentarischen Freundschaft gar nicht statt. Wir mögen und verstehen uns gegenseitig. Russland und Deutschland verspüren eine tiefe Verbundenheit, die viele Menschen wahrhaft ausleben und auch von der Politik verstanden wissen wollen. Sie haben sich die schlimme Zeit des 2. Weltkrieges verziehen und schauen offen in eine gemeinsame, friedliche und von gegenseitigem Respekt geprägte Zukunft.
Hatten Sie einen persönlichen Bezug zu Russland, bevor Sie den Vorsitz übernahmen?
Mein Interesse und meine Leidenschaft für Russland bestehen schon lange, bereits seit der DDR-Zeit. Auch familiär bin ich an Russland angebunden. Familie, Freunde, Erziehung und einfach auch Begeisterung für Russland haben mich animiert, für den Vorsitz der Parlamentariergruppe zu kandidieren. Und ich muss sagen, dass mir das Amt viele Möglichkeiten und Perspektiven eröffnet hat, die gemeinsame Freundschaft der Länder weiter zu vertiefen.
Gab es etwas, das Sie überrascht hat?
Mich überraschten zu Beginn meiner Arbeit die Bedenken von einigen Mitgliedern der von mir geleiteten Gruppe gegenüber Russland oder seiner Politik. Mir ist das unerklärlich, da gerade der Dialog weitreichende Möglichkeiten eröffnet, diese Bedenken zu zerstreuen. Es stünde uns besser an, aus der Oberlehrerhaltung herauszukommen und Verständnis für die jeweilige andere Seite zu entwickeln.
Haben Sie – für die Zeit, in der das Reisen wieder unproblematisch möglich sein wird – einen Reise-Tipp in Russland?
Wie viele Stunden haben Sie Zeit? Darf ich in Kaliningrad anfangen und in Wladiwostok aufhören? Ich kenne so viele lohnenswerte Besuchspunkte im größten Land der Erde, dass es mir schwerfällt, einzelne Orte herauszustellen. Da ich mich als Thüringer aber für die Zusammenarbeit der Regionen einsetze, würde ich von den Spitzenorten Moskau und St. Petersburg ablenken wollen.
Russland ist auch reich an Natur und besonderen Ethnien und Kulturen, im ursprünglichen Zustand, fernab von Tourismus-Hotspots. Deshalb favorisiere ich die Yamal-Halbinsel und das Gebiet um das Schwarze Meer.
Über Robby Schlund
Robby Schlund, 53, sitzt seit 2017 für die AfD im Bundestag. Der Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin aus Thüringen ist Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und im Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sowie stellvertretendes Mitglied im Unterausschuss Globale Gesundheit und im Auswärtigen Ausschuss. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.
(jk)