Auslands-Serie: Ägypten „Keine nennenswerte Opposition“
Wie arbeiten Parlamentarier anderer Länder? Abgeordnete des Bundestages treffen regelmäßig Kollegen aus aller Welt. mitmischen.de fragt nach – heute beim Vorsitzenden der Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe Christian Haase (CDU/CSU).
Wie funktioniert der Parlamentarismus in Ägypten? Welche Unterschiede gibt es zu Deutschland?
Wir erleben seit 2011 einen stetigen Wandel des politischen Systems in Ägypten. Das von den islamistischen Muslimbrüdern dominierte Parlament wurde 2012 vom ägyptischen Verfassungsgericht aufgelöst und das neu gewählte Parlament trat erst 2016 zur ersten Sitzung zusammen.
Auch wenn dessen Zustandekommen und Zusammensetzung angreifbar ist, erfüllt Präsident Al-Sisi damit zumindest formal teilweise den versprochenen „Fahrplan zur Demokratie“.
Es ist erfreulich, dass das politische System Ägyptens mehrere Parteien beinhaltet, trotzdem gibt es bedauerlicherweise keine nennenswerte parlamentarische Opposition. Im Vergleich dazu haben wir in Deutschland eine starke parlamentarische Opposition, die ein wichtiger Teil unserer Demokratie ist und eine Kontrollfunktion erfüllt.
Während in Ägypten der Präsident direkt vom Volk gewählt wird und die Politik sehr deutlich auf seine Person zentriert ist (präsidiales System), haben wir in Deutschland eine starke parlamentarische Demokratie – der Bundeskanzler wird vom Bundestag gewählt.
Welche Themen beschäftigen Sie in der Gruppe am meisten?
Wir haben uns in den vergangenen Monaten mit dem Wasserkonflikt um den Blauen Nil beschäftigt. Äthiopien errichtet einen großen Staudamm (GERD), welcher auf scharfe Kritik in Ägypten stößt. Der Konflikt zieht sich im Grunde seit 2012 hin und wurde durch die immer näher rückenden Pläne Äthiopiens zur Befüllung im Sommer 2020 akuter. Der Ausgang der Verhandlungen ist noch immer offen.
Das Deutsche Archäologische Institut engagiert sich seit Längerem in den verschiedensten Regionen Ägyptens, was unsere Parlamentariergruppe mit großem Interesse verfolgt. Außerdem beschäftigen wir uns mit der Lage der Menschenrechte und der Zivilbevölkerung im Land. Insbesondere liegt unser Augenmerk auf der Lage der christlichen Minderheit in Ägypten.
Wenn Delegationen des ägyptischen Parlaments nach Deutschland reisen, findet immer ein Austausch mit ihnen statt. Die Parlamentariergruppe dient ja auch zum gegenseitigen Austausch der Parlamente. Wir führen aber auch regelmäßig Gespräche sowohl mit dem Botschafter von Ägypten als auch mit jungen Diplomaten aus der Region.
Wie erleben Sie das öffentliche Interesse in Deutschland an Ägypten und umgekehrt?
Ägypten fungiert als wichtiger Kooperationspartner Deutschlands in Afrika. Unter anderem der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), das Goethe-Institut und große Firmen wie Siemens, Mercedes Benz oder Thyssen-Krupp haben eine Außenstelle oder Vertretungen in Ägypten.
Deutschland und Ägypten unterhalten seit langer Zeit enge und vielfältige Beziehungen. Deutschland ist weiterhin bestrebt, den Aufbau eines modernen und demokratischen Staates in Ägypten zu unterstützen. Dabei verfolgt die Bundesregierung die Lage der Menschenrechte in Ägypten als Teil einer langfristig angelegten Stabilitätspolitik aufmerksam. Zwischen Deutschland und Ägypten bestehen intensive Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. Deutschland ist zweitgrößter Handelspartner von Ägypten. Auch ist Ägypten eine beliebtes Tourismus-Ziel: Deutsche Touristen stellten 2019 mit 1,8 Millionen Besucherinnen und Besuchern die mit Abstand größte Gruppe.
Hatten Sie einen persönlichen Bezug zu Ägypten, bevor Sie den Vorsitz der Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe übernahmen?
Bevor ich den Vorsitz übernommen habe, war ich lange Zeit Mitglied der Parlamentariergruppe. Außerdem hat der Bischof der Koptisch-Orthodoxen Kirche seinen Sitz in Brenkhausen, das liegt in meinem Wahlkreis,wodurch ich bereits einen sehr starken Bezug zu Ägypten hatte. Da ich für das Internationale Parlaments-Stipendium des Bundestages (IPS) die Auswahlgespräche mit den Bewerbern in den jeweiligen Ländern führe, bin ich des Öfteren in Ägypten unterwegs gewesen.
Gab es etwas, das Sie überrascht hat?
Überrascht nicht, eher positiv gestimmt hat mich, dass die ägyptischen Kollegen sehr gerne und sehr intensiv das Gespräch zu uns suchen und wir einen guten und konstruktiven Austausch pflegen.
Haben Sie – für die Zeit, in der das Reisen wieder unproblematisch möglich sein wird – einen Reise-Tipp in Ägypten?
Unsere Parlamentariergruppe hat ihre Reise nach Ägypten schon datiert, allerdings musste die Fahrt aufgrund der Covid-19-Pandemie leider abgesagt werden. Wenn die globale Lage es uns erlaubt, holen wir die Reise noch in dieser Legislaturperiode nach.
Als Reisetipp würde ich Kairo und die bisher noch namenlose neue Hauptstadt Ägyptens empfehlen, die knapp 50 Kilometer östlich von Kairo liegt. Sehenswert ist auch das 2020 neu eröffnende Grand Egyptian Museum bei den Pyramiden von Gizeh, die 2019 eröffnete Kathedrale der koptischen Christen sowie das Tal der Könige.
Über Christian Haase
Christian Haase, 54, sitzt seit 2013 für die CDU/CSU im Bundestag. Er ist Mitglied des Haushaltsausschusses und des Unterausschusses zu Fragen der Europäischen Union. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.
(jk)