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Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen) „Diskriminierung darf keinen Platz haben“

Aufmerksamkeit und Ruhe gehörten zu ihrem Job. Und man müsse für die Demokratie brennen. Das sagt Katrin Göring-Eckardt, die kürzlich erneut zur Vizepräsidentin des Bundestages gewählt wurde.

Portrait Katrin Göring-Eckardt

Foto: Dominik Lutzmann

Als Bundestagsvizepräsidentin leiten Sie häufig Sitzungen des Bundestages. Wie haben Sie das in den Jahren 2005 bis 2013 erlebt, als Sie schon einmal Vizepräsidentin waren? Hat sich seitdem etwas verändert?

Die Aufgabe erfordert immer höchste Konzentration, weil man richtig gut zuhören muss, um die parlamentarische Ordnung zu jeder Zeit gewährleisten zu können. Man muss zum Beispiel versuchen, alle Zwischenrufe mitzubekommen. Und da hat sich schon was geändert, weil wir inzwischen die AfD im Deutschen Bundestag haben. Ich achte deshalb jetzt besonders auf Begriffe, die mit der schrecklichsten Zeit unserer Geschichte zu tun haben, darauf, dass die Verbrechen der Nationalsozialisten nicht verharmlost werden. Wenn etwas gegen die Regeln des Parlaments verstößt, muss die Sitzungsleitung einen Ordnungsruf erteilen, den Redner also zur Ordnung mahnen.

Vizepräsidenten müssen auch in heiklen Situationen die Ruhe bewahren. Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sind für dieses Amt darüber hinaus notwendig?

Aufmerksamkeit und Ruhe. Man muss alle wichtigen Diskussionen mitbekommen und einschätzen können, an welcher Stelle eine Zwischenfrage oder eine Intervention zuzulassen ist und an welcher nicht. Das Wichtigste ist sicherlich: Man muss für unsere Demokratie in besonderer Weise brennen. Und für die parlamentarische Debatte. Das Parlament ist die Herzkammer unserer Demokratie. Was dort entschieden wird, betrifft ganz konkret das Leben von allen Menschen in unserem Land.

Sowohl im Parlament als auch im Präsidium sind mehr Frauen vertreten. Wird das Ihrer Meinung nach einen Einfluss auf die parlamentarische Arbeit haben?

Insgesamt sind wir bei gut einem Drittel Frauen im Parlament, das ist immer noch viel zu wenig. Die Bevölkerung besteht schließlich zu mehr als der Hälfte aus Frauen. Aber wir haben jetzt eine Bundestagspräsidentin und eine deutliche Mehrheit von Frauen im Präsidium. Ich hoffe, dass das Mädchen ermutigt zu denken: Das kann ich auch! Ich würde mich freuen, wenn zum nächsten Girls’ Day nicht nur Mädchen kämen, die sagen „Ich will Ingenieurin werden“ – was leider immer noch die Ausnahme ist –, sondern auch welche, die sagen „Ich will Politikerin werden“.

Welche Debattenkultur wünschen Sie sich für die kommenden vier Jahre?

Eine leidenschaftliche. Gerne auch eine heftige, in der Sache. Auseinandersetzungen gehören ins Parlament. Doch wir sollten sie mit Anstand führen und als Demokratinnen und Demokraten jederzeit klar machen: Rassismus, Hass und Hetze, Diskriminierung jeder Art darf keinen Platz im Bundestag haben. Und ich wünsche mir, dass die guten Reden im Bundestag mindestens so viel Aufmerksamkeit bekommen, wie Talkshowauftritte.

Sie haben als Abgeordnete auch eine Verantwortung für Ihren Wahlkreis. Wie vereinbaren Sie dies mit den Aufgaben als Vizepräsidentin?

Ich bin die einzige grüne Thüringerin im Bundestag. Deshalb fühle ich mich für ganz Thüringen verantwortlich und nicht nur für meinen Wahlkreis. Mir ist wichtig, viel im Land unterwegs zu sein und mitzubekommen, wo es brennt. Ich mache beides sehr gerne: die Arbeit im Bundestag und die in der Heimat. In den sitzungsfreien Wochen, in denen ich nicht in Berlin sein muss, verbinde ich viele Termine mit einem Besuch in Thüringen.

Dürfen Sie als Vizepräsidentin gewisse Themen voranbringen?

Ich habe ja als Abgeordnete ein freies Mandat. Das heißt: Wir dürfen unser Mandat im Parlament völlig frei und ohne Weisung ausüben. Natürlich darf ich mich auch für bestimmte Themen einsetzen, die mir am Herzen liegen und die mich umtreiben.

Welche sind das?

Seit Jahren bemühe ich mich um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Wir führen das Gespräch im Januar 2022. Da stehen aktuell die Folgen der Corona-Pandemie im Mittelpunkt. Ich war gerade in mehreren Krankenhäusern auf Intensivstationen, habe mit Pflegekräften geredet, um aus erster Hand zu erfahren, wie sie mit der belastenden Situation umgehen. In Berlin bin ich kürzlich mit dem Kältebus mitgefahren, der für Menschen, die obdachlos sind, da ist. Das Engagement der Helferinnen und Helfer beeindruckt mich. Nicht nur im Winter, das ganze Jahr über stärken sie Menschen in ihrer Würde, die neben den gesellschaftlichen Strukturen leben. Armut in Deutschland hat viele Facetten. Aufgabe der Politik ist es, entschieden dagegen anzukämpfen. Um Würde geht es auch in der Flüchtlingspolitik, die meine Fraktion und mich intensiv beschäftigt. Ich selbst war mehrfach auf Lesbos und an anderen Orten, wo Geflüchtete in Europa ankommen. Mich treibt es um, wie wir Menschen in Not bestmöglich helfen können. Dafür setze ich mich ein.

Über Katrin Göring-Eckardt

Katrin Göring-Eckardt wurde 1966 in Friedrichroda in Thüringen geboren. Sie sitzt seit 1998 im Deutschen Bundestag. Von 2005 bis 2013 war sie schon einmal Vizepräsidentin des Bundestages. Nun hat sie den Posten, den zwischenzeitlich Claudia Roth für Bündnis 90/Die Grünen innehatte, wieder übernommen. Katrin Göring-Eckardt war zuvor Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

(jk)

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