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Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Organklagen der AfD-Fraktion zu Ausschussvorsitzenden gescheitert

Nach einer Klage der AfD-Bundestagsfraktion hat das Bundesverfassungsgericht nun entschieden, dass die Fraktion keinen Anspruch auf einen Ausschussvorsitz hat. Was dieser Entscheidung zugrunde liegt, erfährst du hier:

Blick auf drei Richterinnen in rot-glänzenden Roben, die ein Urteil verlesen.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes - Christine Langenfeld, die Vorsitzende Doris König und Astrid Wallrabenstein (von links nach rechts) - stehen bei der Urteilsverkündung im Verhandlungssaal des Bundesverfassungsgerichts. © picture alliance/dpa | Uwe Anspach

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am 18. September 2024 zwei Organklagen der AfD-Bundestagsfraktion zur Besetzung der Position von Ausschussvorsitzen teilweise als unbegründet zurückgewiesen und im Übrigen als unzulässig verworfen.

Organklagen der AfD-Fraktion – worum geht es?

Zum einen hatte sich die AfD-Fraktion gegen die Abwahl des Abgeordneten Stephan Brandner (AfD) durch den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in der vergangenen Wahlperiode am 13. November 2019 ausgesprochen. 

Zum anderen hatte sie die Durchführung von Wahlen zur Bestimmung der Vorsitzenden des Innenausschusses, des Gesundheitsausschusses und des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der laufenden Wahlperiode kritisiert. Die von der Fraktion vorgeschlagenen Kandidaten erhielten jeweils keine Mehrheit. Die Fraktion sah sich dadurch in ihren Rechten auf Gleichbehandlung als Fraktion verletzt. Anträge der Fraktion auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte das Gericht im erstgenannten Verfahren am 4. Mai 2020 und im letztgenannten Verfahren am 25. Mai 2022 abgelehnt.

Geschäftsordnungsautonomie lässt Wahlen zu

Wie der Zweite Senat unter Vorsitz von Prof. Dr. Doris König mitteilt, erging die Entscheidung einstimmig: Eine Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung als Fraktion liege nicht vor. Die Fraktion könne sich zwar auf das Recht auf Gleichbehandlung bei der Besetzung der Ausschussvorsitze stützen. Die Durchführung von Wahlen zur Bestimmung der Ausschussvorsitze und die Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses bewegten sich jedoch im Rahmen der dem Bundestag zustehenden Geschäftsordnungsautonomie, also dem Recht, dass sich das Parlament nach der Konstituierung eine eigene Geschäftsordnung gibt. Der einzige verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab sei das Willkürverbot.

Die Zusammensetzung der Ausschüsse und die Regelung ihres Vorsitzes wird im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorgenommen. Die einzelnen Fraktionen benennen die Ausschussmitglieder. Den Ausschussvorsitzenden obliegt dann die Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Ausschusssitzungen sowie die Durchführung der Ausschussbeschlüsse. Die Vorsitzenden sind bei der Wahrnehmung ihrer amtlichen Aufgaben gehalten, parteipolitische Neutralität zu wahren, so betonte es auch der Senat.

Das Zugriffsverfahren

Paragraf 58 der Geschäftsordnung legt fest, dass die Ausschüsse ihre Vorsitzenden und deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter nach den Vereinbarungen im Ältestenrat „bestimmen“. Seit der ersten Wahlperiode ist es üblich, so das Gericht, dass sich die Fraktionen im Ältestenrat um eine Einigung bemühen, welche Fraktion welchen Ausschussvorsitz erhalten soll. Gelingt eine solche Einigung nicht, werden die Ausschussvorsitze im sogenannten Zugriffsverfahren verteilt. Die Fraktionen wählen in einer anhand der Stärkeverhältnisse im Parlament bestimmten Zugriffsreihenfolge je einen noch freien Ausschussvorsitz, sodass nach und nach alle Ausschussvorsitze vergeben werden.

Die Ausschüsse bestimmen in ihren konstituierenden Sitzungen ihre Vorsitzenden. Dabei erklärt die vorschlagsberechtigte Fraktion, wen sie für das Amt des Ausschussvorsitzes vorsieht. Bis zum Ende der 18. Wahlperiode 2017 wurde so vorgegangen, dass der Vorschlag durch Akklamation bestätigt wurde, was bedeutet, dass sich gegen die Personalentscheidung kein Widerspruch erhob oder das Verhalten der Ausschussmitglieder auf allgemeine Zustimmung schließen ließ. Nur wenn Widerspruch geäußert wurde, fand vereinzelt eine Wahl statt.

Der Fall Brandner

Nach dem Einzug der AfD ins Parlament 2017 kam es in mehreren Ausschüssen nach Widersprüchen durch Ausschussmitglieder anderer Fraktionen zu Wahlen zum Ausschussvorsitz. Die von der AfD benannten Kandidaten erreichten damals die erforderlichen Mehrheiten, darunter der Abgeordnete Brandner im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. 

In den Jahren 2018 und 2019 beanstandeten dem Senat zufolge Mitglieder des Rechtsausschusses das Auftreten des Vorsitzenden bei Veranstaltungen des Deutschen Anwaltvereins am 28. Februar 2018 und 15. Januar 2019. Sie beklagten, Brandner habe nicht das erforderliche Maß an parteipolitischer Zurückhaltung walten lassen und dadurch seine Aufgabe, den Ausschuss als Ganzen zu repräsentieren, verfehlt. 

In der zweiten Hälfte des Jahres 2019 habe Brandner durch mehrere Beiträge auf dem Kurznachrichtendienst „Twitter“ öffentliche Empörung hervorgerufen. Vor diesem Hintergrund hatte der Rechtsausschuss am 13. November 2019 auf Antrag der Obleute der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen mit 37 Ja- gegen sechs Nein-Stimmen Brandner vom Ausschussvorsitz abberufen. Fortan leitete der stellvertretende Ausschussvorsitzende den Rechtsausschuss.

Vorsitz-Kandidaten erhielten nicht die erforderliche Mehrheit 

Auch zu Beginn der laufenden Wahlperiode kam das Zugriffsverfahren bei der Verteilung der Ausschussvorsitze zur Anwendung. Dabei fielen der AfD-Fraktion die Vorsitze der Ausschüsse für Inneres und Heimat, Gesundheit und für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu. 

In den konstituierenden Ausschusssitzungen am 15. Dezember 2021 wurden auf Antrag der Regierungsfraktionen geheime Wahlen zur Bestimmung der Vorsitzenden durchgeführt. Bei diesen Wahlen erhielt keiner der von der AfD-Fraktion vorgeschlagenen Kandidaten die erforderliche Mehrheit. Die Vorsitze sind seitdem vakant; die stellvertretenden Vorsitzenden leiten die Ausschüsse.

Die AfD-Fraktion machte in ihren Organklagen jeweils geltend, von den genannten Ausschüssen, dem Bundestag sowie der Präsidentin und dem Präsidium des Bundestages in ihren Rechten auf Gleichbehandlung als Fraktion, auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung und auf effektive Opposition verletzt worden zu sein.

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