Petitionen Was sich drei Bürger von der Politik wünschen
Jiyan Battal
Wer eine Bitte, Beschwerde oder einen Vorschlag hat, kann dies an den Bundestag senden. Der Petitionsausschuss kümmert sich darum. Oft berät er öffentlich. Diesmal ging es um eine rätselhafte Krankheit, E-Rezepte und die Verfolgung der Êzîden.
Wer politisch etwas verändern möchte, kann dem Deutschen Bundestag eine Petition schicken, also eine Bitte oder Beschwerde. Dieses Recht ist sogar im Grundgesetz festgehalten: „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich durch Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“ Im Parlament kümmert sich der Petitionsausschuss um die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger.
Wenn eine Petition innerhalb von vier Wochen 50.000 Unterstützer findet, dann lädt der Petitionsausschuss den Petenten oder die Petentin nach Berlin ein, damit sie oder er mit Bundestagsabgeordneten und Regierungsvertretern sprechen kann – das passiert etwa viermal im Jahr.
Am 14. Februar kam der neue Petitionsausschuss zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode zusammen, um drei Petitionen zu besprechen.
Mehr Aufmerksamkeit für eine rätselhafte Krankheit
Die erste Petition beschäftigt sich mit dem Chronischen Fatigue-Syndrom. Fatigue bedeutet Müdigkeit oder Erschöpfung – und genau das sind die Symptome dieser Krankheit: Die Patienten sind außergewöhnlich schnell körperlich und geistig erschöpft. Weitere Krankheitserscheinungen können etwa Gehirnentzündungen, Rücken- und Muskelschmerzen sein. Die Ursachen sind noch nicht sehr weit erforscht. Fest steht aber, dass die Krankheit Patienten sehr belastet. In besonders schweren Fällen werden die Betroffenen sogar pflegebedürftig.
Der Petent Daniel Loy ist selbst betroffen. Er sagte im Ausschuss, die Krankheit sei so gravierend, „dass man am schweren Ende des Spektrums nicht nur dauerhaft bettlägerig ist, sondern auf künstliche Ernährung angewiesen ist, zur Kommunikation nicht mehr in der Lage ist und selbst geringste Sinnesreize wie Licht oder Berührungen nicht mehr ertragen werden können.“
Loy habe die Erfahrung gemacht, berichtete er, dass Ärztinnen und Ärzte sich oft nicht gut mit dem Chronischen Fatigue-Syndrom auskennen. Oft habe er sich mit seinen Symptomen nicht ernst genommen gefühlt. Das will er durch eine Aufklärungskampagne ändern.
Gesundheitsministerium will das Syndrom besser erforschen und behandeln
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Sabine Dittmar (SPD) betonte im Ausschuss, die Bundesregierung erkenne den Handlungsbedarf. Deshalb tauche das Chronische Fatigue-Syndrom auch im Koalitionsvertrag auf. Dort heißt es: „Zur weiteren Erforschung und Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung rund um die Langzeitfolgen von Covid-19 sowie für das Chronische Fatigue-Syndrom schaffen wir ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen.“
Längere Testphasen für E-Rezepte gefordert
Auch in der zweiten Petition ging es um ein medizinisches Thema. Die Petentin Petra Reis-Berkowicz ist Allgemeinärztin. Ihr ging es um die Einführung von elektronischen Rezepten und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Ursprünglich sollte die schon ab 1. Januar 2022 erfolgen. Reis-Berkowicz kritisiert in ihrer Petition, dass die Testphase viel zu kurz angesetzt sei. Außerdem seien Ärztinnen und Ärzte nicht in den Prozess einbezogen worden, obwohl sie doch am besten beurteilen könnten, wie sich die neuen Methoden am besten in den Praxis-Alltag integrieren ließen und was dabei zu berücksichtigen sei.
Wie Sabine Dittmar für das Gesundheitsministerium berichtete, ist die Einführung von E-Rezepten tatsächlich auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Dittmar nahm die Kritik und auch die Anregungen der Petentin auf. Man werde prüfen, inwiefern sie umsetzbar seien.
Taten an Êzîden als „Völkermord" anerkennen
Gohdar Alkaidy ist Co-Vorsitzender der Stelle für Jesidische Angelegenheiten in Berlin und Pentent der dritten Petition, die im Ausschuss verhandelt wurde. Er forderte, den „Völkermord" an den Êzîden durch die Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) im Jahr 2014 als solchen anzuerkennen.
Die Êzîden sind eine Religionsgemeinschaft, deren Heimatländer im Nahen Osten liegen. Es gibt weltweit etwa eine Million Êzîden, die meisten leben im Iran, im Irak, in der Türkei und in Syrien.
Am 3. August 2014 habe der IS im Norden des Iraks mehr als 5.000 Menschen getötet, 7.000 verschleppt und entführt. Noch immer, so Alkaidy, würden mehr als 2.500 Menschen vermisst. Bislang hat die Bundesregierung die Taten an den Êzîden nicht als Völkermord anerkannt.
Alkaidy betonte, dass die Anerkennung der Taten als Völkermord an den Êzîden die Opfer nicht zurückbringen würde, aber: „Für die Trauma-Bewältigung durch das Volk der Êzîden wäre das wichtig."
Bundesregierung will Aufklärung, spricht aber vorerst nicht von Völkermord
Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner (Bündnis90/Die Grünen), machte deutlich, dass sich die Bundesregierung um die Überlebenden des 3. August 2014 kümmere. Sie helfe außerdem bei der Suche nach Vermissten und bei der Aufklärung der Verbrechen.
Dennoch spreche die Bundesregierung vorerst noch nicht von Völkermord, erklärte Lindner. Es sei die Aufgabe der Gerichte, einen möglichen Völkermord festzustellen, nicht die einzelner Staaten.
Die Anhörung könnt ihr euch hier im Video anschauen:
Jiyan Battal
ist 20 Jahre alt. Sie studiert von Berlin aus und arbeitet journalistisch. Ihre Interessenbereiche liegen in der Migrations- und Außenpolitik. Sie setzt sich für Diversität und Menschenrechte ein.