Termin 8. Dezember Wie läuft die Kanzlerwahl ab?
Eric Matt
Am 8.12. soll Olaf Scholz (SPD) zum neuen Regierungschef gewählt werden. Wie die Kanzlerwahl abläuft, erfahrt ihr hier.
Viele von euch kennen Deutschland und die Welt nur mit Kanzlerin Merkel. Im November 2005 wurde Angela Merkel (CDU) zur Bundeskanzlerin gewählt, fast 16 Jahre lang war sie es. Jetzt heißt es umdenken: In der kommenden Woche wird voraussichtlich Olaf Scholz von der SPD neuer Bundeskanzler.
Wie läuft die Kanzlerwahl konkret ab? Was gibt es zu beachten? Und wieso wählen Bürgerinnen und Bürger den Kanzler nicht direkt?
Wie läuft die Wahl ab?
Die Wahl des Bundeskanzlers ist im Grundgesetz geregelt. Dort steht in Artikel 63 Absatz eins und zwei: „Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag ohne Aussprache gewählt. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.“
Doch von vorne: Nach der Bundestagswahl im September hatten sich SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zusammengetan, weil sie für die nächsten vier Jahre die Bundesregierung bilden möchten. Sie gehen dafür ein Dreierbündnis ein, eine Koalition. Olaf Scholz war der Kanzlerkandidat der SPD im Bundestagswahlkampf. Jetzt ist er der gemeinsame Kandidat für den Kanzlerposten.
Nun wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem Bundestag voraussichtlich am 8. Dezember vorschlagen, Scholz zum Kanzler zu wählen, weil er weiß, dass eine Mehrheit im Bundestag das auch will.
Die magische Zahl
Theoretisch könnte Steinmeier auch eine andere Person vorschlagen. Einzige Voraussetzungen für einen Kanzler sind nämlich: die deutsche Staatsbürgerschaft und ein Mindestalter von 18 Jahren. Nicht einmal Bundestagsabgeordneter muss man als Kanzler sein. Doch ein anderer Kandidat ergäbe keinen Sinn. Scholz Siegeschancen sind gewiss.
Dann sind die Volksvertreter im Bundestag am Zuge. In einer geheimen Wahl entscheiden die Abgeordneten, ob sie dem Vorschlag des Bundespräsidenten zustimmen oder ihn ablehnen. Scholz braucht über 50 Prozent der Stimmen – also eine sogenannte absolute Mehrheit. Bei 735 Bundestagsabgeordneten liegt diese „magische Zahl“ bei 369 Stimmen.
Die wird Scholz wohl locker schaffen, schließlich stehen seine eigene Partei SPD (206 Stimmen), Bündnis 90/Die Grünen (118 Stimmen) und die FDP (92 Stimmen) hinter ihm. Zusammengenommen haben die drei Koalitionspartner 416 Stimmen im Bundestag. Nach der Wahl wird Scholz voraussichtlich vom Bundespräsidenten in dessen Amtssitz Schloss Bellevue zum neuen Kanzler ernannt.
Und was, wenn’s nicht klappen würde? Was, wenn die absolute Mehrheit nicht erreicht würde? Das sind jetzt eher theoretische Fragen. Dann gäbe es weitere Wahlgänge, mehr dazu unten. Schaut euch das Prozedere in unserem Video an:
Video „Die Bundeskanzlerwahl“
© DBT/mitmischen.de
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem deutschen Volke widme“
Zurück im Bundestag steht dann der Amtseid des Kanzlers an. Dieser lautet: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“
Das Ganze geht auch ohne Glaubensbekenntnis. Wenn all das geschafft ist, dann werden wohl fast alle Medien berichten: „Deutschland hat einen neuen Bundeskanzler!“
Über Olaf Scholz:
Olaf Scholz wurde 1958 in Osnabrück geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Hamburg. Dort wurde er schon früh politisch aktiv: anfangs als Schülersprecher seines Gymnasiums und dann durch seinen Beitritt in die SPD, als er 17 Jahre alt war.
Er studierte Rechtswissenschaften und arbeitete als Anwalt – blieb dabei immer politisch aktiv. Im Jahre 1998 kam Scholz zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag, wechselte anschließend aber zwischen dem Bundesland Hamburg und dem Bund immer wieder hin und her: Mal war er Innensenator in Hamburg, mal war er Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, mal Bundesminister für Arbeit und Soziales und mal Erster Bürgermeister in Hamburg. Dieses Amt hatte er von 2011 bis 2018 inne.
Danach wechselte Scholz erneut in die Hauptstadt Berlin und wurde Bundesfinanzminister und Vize-Kanzler. Im Jahr 2020 dann der nächste Schritt: Die SPD stellte Olaf Scholz als ihren Kanzlerkandidaten vor. Damals glaubten nur wenige, dass er die Bundestagswahl tatsächlich gewinnen könnte.
Olaf Scholz ist verheiratet und geht gern joggen, rudern, wandern oder liest ein Buch. Mehr erfahrt ihr etwa in seinem Abgeordneten-Profil.
Könnte die Wahl auch knapp ausgehen?
Damit ist nicht zu rechnen. Die Stimmen der Koalition reichen locker für Scholz. In der Vergangenheit war es jedoch auch schon mal knapp für Kanzlerkandidaten: Der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) beispielsweise kam bei seiner Wahl im Jahre 1949 auf genau die Anzahl der Stimmen, die er benötigte. Ähnlich knapp sah es 1976 bei Helmut Schmidt (SPD) aus, der auf nur eine Stimme mehr als die notwendige Anzahl kam.
Gedankenspiel: Was passiert, wenn es nicht reicht?
Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist ein Kanzlerkandidat durchgefallen – aber dennoch ist es theoretisch möglich. Daher hat das Grundgesetz auch für diesen Sonderfall eine Lösung parat.
Demnach würde ein zweiter Wahlgang stattfinden. Dafür hätten die Bundestagsabgeordneten 14 Tage Zeit, in denen sie selbst Kandidaten benennen und dann im Bundestag wählen könnten. Auch hier bräuchte der oder die Kandidatin mindestens 369 Stimmen, um zum neuen Regierungschef gewählt zu werden.
Falls auch das nicht gelänge, gäbe es direkt im Anschluss einen dritten und letzten Wahlgang. Dort ändern sich dann die Spielregeln: Während ein Kandidat oder eine Kandidatin im ersten und zweiten Wahlgang über 50 Prozent der Stimmen braucht, wäre im dritten Wahlgang nur noch eine sogenannte relative Mehrheit erforderlich. Das bedeutet, dass dann der Kandidat gewinnen würde, der einfach die meisten Stimmen bekommt.
Warum wählt das Volk nicht den Kanzler?
Die Deutschen wählen den Kanzler nicht direkt. Das liegt daran, dass Deutschland eine sogenannte parlamentarische Demokratie ist. Wie der Name schon vermuten lässt, bedeutet das, dass das Parlament eine entscheidende Rolle spielt. Die Bürgerinnen und Bürger wählen alle vier Jahre einen neuen Deutschen Bundestag. Dann sind die gewählen Volksvertreter am Zuge. Sie entscheiden über politische Fragen und eben über die Wahl des neuen Bundeskanzlers oder der neuen Bundeskanzlerin.
Gut zu wissen: Weitere Beispiele für parlamentarische Demokratien sind Griechenland, Finnland oder Israel. In Ländern wie den USA oder Brasilien hingegen wählt das Volk den Regierungschef direkt. Das nennt sich dann präsidentielle Demokratie.
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.