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Bundestagspräsidentin „Ich bin oft mit Schülerinnen und Schülern im Gespräch“

Ist unser Gesundheitssystem gerecht? Wie steht es um die Diversität im Bundestag? Was war das größte Hindernis in Ihrer Laufbahn? Im Gespräch mit elf Jugendlichen beantwortete Bundestagspräsidentin Bärbel Bas große politische, aber auch ganz persönliche Fragen.

Bundestagspräsidentin Bärbel Das im Gespräch mit Jugendlichen

„Man muss sich nicht als Loser fühlen, wenn man nicht studiert“ – Bärbel Bas hat selbst nach der Schule zunächst eine Ausbildung gemacht. © DBT/Stella von Saldern

„Viele Abgeordnete sind Akademiker. Sie dagegen haben auf dem zweiten Bildungsweg studiert. Sehen Sie sich in einer Vorbildfunktion für ein durchlässiges Bildungssystem?“ Das will Malcolm von der Bundestagspräsidentin wissen. Er ist 22, studiert Staatswissenschaften in Passau und verbringt die Woche zusammen mit zehn anderen Jugendlichen in Berlin. Die Reise haben sie auf mitmischen.de gewonnen. Wegen der Corona-Einschränkungen mussten sie lange darauf warten. Aber jetzt sind sie da und erleben drei Tage lang das Parlamentsgeschehen mit, inklusive Plenardebatte, Ausschuss-Besuchen und, das Highlight, einem exklusiven Gespräch mit Bärbel Bas.

Die bejaht jetzt Malcolms Frage: „Das habe ich mir wirklich zum Auftrag gemacht, ja.“ Sie erklärt auch, warum: „Ich bin oft unterwegs, um mit Schülerinnen und Schülern, mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Mir ist es wichtig, ihnen zu vermitteln: Man muss sich nicht als Loser fühlen, wenn man nicht studiert.“ Manchmal klappe es mit dem Ausbildungserstwunsch nicht, das sei auch bei ihr so gewesen. „Dann muss man einfach die Chancen annehmen, die sich bieten, und dann weiterschauen.“ Sie selbst habe „ganz viele Umwege“ genommen in ihrer Karriere. Glücklicherweise gebe es in Deutschland mittlerweile viele Zugänge zu Bildung – auch wenn man sicherlich noch einiges tun könnte, um Kindern und Jugendlichen mehr Chancen zu eröffnen, so Bas.

„Wie definieren Sie Ihre Rolle?“

Seit einem Jahr ist Bärbel Bas Präsidentin des Deutschen Bundestags – nach dem Bundespräsidenten das zweithöchste Amt im Staat. Allerdings, wirft Thomas ein, nähmen viele Menschen den Bundeskanzler viel stärker wahr. „Wie definieren Sie Ihre Rolle?“, fragt Thomas. Sie sehe keine Konkurrenzsituation zwischen sich und dem Kanzler, sagt Bas. Nur bei sogenannten Protokollterminen spiele das eine Rolle. Zum Beispiel begrüße der Bundespräsident bei offiziellen Terminen zuerst sie und erst danach Olaf Scholz. Sie wünsche sich in erster Linie mehr politische Bildung, mehr Wissen darüber, welches Verfassungsorgan welche Aufgaben hat, und auch: warum es die Gewaltenteilung überhaupt gibt: „Das war nach der Nazi-Zeit ja eine sehr bewusste Entscheidung, um sicherzustellen, dass die einzelnen Organe unabhängig sind und sich gegenseitig kontrollieren. Der Bundestag habe eine große Macht, da er etwa Gesetzentwürfe der Regierung verändern oder auch ablehnen könne. Sie sei zwar die Präsidentin des Deutschen Bundestages, aber: „Ich kann natürlich ohne die Fraktionen gar nichts alleine bestimmen.“

„Wie steht es um die Diversität im Bundestag?“

Bärbel Bas ist die dritte Frau im Amt der Bundestagspräsidentin. Maya will wissen, wie sie das Thema Diversität im Parlament einschätzt. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, antwortet die Präsidentin. So sei aktuell nur etwa ein Drittel der Abgeordneten Frauen – „und das spiegelt nicht die Gesellschaft wider“. Sie freue sich aber, dass es in dieser Legislaturperiode deutlich mehr Abgeordnete mit Migrationshintergrund gebe als früher, und dass auch zwei Transpersonen im Parlament vertreten seien. Außerdem habe sie als Chefin der Bundestagsverwaltung vor ein paar Wochen die Charta der Vielfalt unterschrieben, um zu unterstreichen, dass man auch hier daran arbeite, Barrieren zu beseitigen.

„Ist unser Gesundheitssystem gerecht?“

Evdokia studiert Gesundheitsdaten und Digitalisierung. Sie hat recherchiert, dass Bärbel Bas früher im Gesundheitsausschuss saß und dass sie sich außerdem für Fragen der sozialen Gerechtigkeit interessiert. Sie will deshalb von der Bundestagspräsidentin wissen, ob sie das deutsche Gesundheitssystem gerecht findet. Bas verneint das: Deutschland leiste sich „den Luxus“ zweier Systeme, der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung. „Für mich persönlich hat das viel mit Ungleichheit zu tun“, sagt Bas. Deshalb engagiere sie sich als Abgeordnete seit vielen Jahren für eine Bürgerversicherung. Aber auch über die Krankenversicherung hinaus gebe es viele Ungerechtigkeiten im Gesundheitswesen. „Darüber könnte ich den ganzen Tag referieren“, sagt die Präsidentin.

Jugendliche in einer Gesprächsrunde

Tarek (Mitte) studiert Informatik. Deshalb interessiert er sich für die Abwehr von Hacker-Angriffen auf den Bundestag. © DBT/Stella von Saldern

„Wie ist der Bundestag gegen Hacker-Angriffe aufgestellt?“

Tarek hat eine ganz andere Frage. Er studiert Informatik und interessiert sich für Hacker-Angriffe gegen den Bundestag. Bas erklärt, es gebe solche Angriffe regelmäßig. „Das kriegt man gar nicht immer mit, weil die Angriffe zum Glück abgewehrt werden“, sagt Bas. Allerdings sei es wegen des Fachkräftemangels ein Problem, gute Informatiker zu finden. „Wir bilden deshalb auch ITler aus“, so Bas.

„Wie kann man junge Menschen für Kommunalpolitik begeistern?“

Die nächste Frage kommt von Jonas. Er findet es schade, dass sich nicht mehr junge Leute in der Kommunalpolitik engagieren. Die Präsidentin stimmt ihm zu: Viele würden nur auf die Bundespolitiker schauen. Dabei sei Kommunalpolitik eigentlich die „Kernarbeit“. „Das Schöne ist, dass man da auch als junger Mensch ganz viel bewegen kann“, erklärt Bas. Im Kommunalen sehe man die Wirkung der politischen Arbeit zudem viel schneller als auf Bundesebene. „Wenn man richtig hautnah Politik machen will, ist die kommunale Ebene die beste“, findet die Präsidentin. Es sei umso bedauerlicher, dass sich immer mehr Kommunalpolitiker zurückzögen, weil sie in den sozialen Medien mit Hass und Hetze überschüttet würden.

„Was können Bürgerräte leisten?“

Eine weitere Möglichkeit der Beteiligung spricht Ammar an: Bürgerräte. Er will wissen, ob sie dazu beitragen könnten, das Gefühl, „die da oben“ bezögen die normalen Bürger nicht genug ein, abzubauen. Bärbel Bas glaubt daran. Deshalb plane der Bundestag für diese Legislaturperiode auch noch drei Bürgerräte. Über die Themen würde gerade diskutiert. Eine Herausforderung dabei sei, alle Bevölkerungsgruppen abzubilden. Eine weitere, echte Ergebnisse zu erzielen. „Am Ende muss natürlich immer noch eine Mehrheit im Parlament dafür stimmen“, stellt die Präsidentin klar. Bürgerräte sollen kein „Ersatzparlament“ sein, wohl aber „eine wichtige Stimme“ zusätzlich zu den Experten, die sich etwa in den Ausschüssen des Bundestages einbringen.

„Was war das größte Hindernis in Ihrer Laufbahn?“

Zuletzt hatte Dylan noch eine sehr persönliche Frage: „Was war das größte Hindernis in Ihrer Laufbahn?“ „Ich habe dreimal für den Bundestag kandidiert, bevor es geklappt hat“, erzählt Bas. „Man darf nicht gleich aufgeben“, findet sie, Niederlagen gehörten in der Politik dazu.

(jk)

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