Regierungserklärung Mehrheit stimmt für Migrationsantrag der Union
Nach den tödlichen Anschlägen in Magdeburg und Aschaffenburg dringt eine Mehrheit im Deutschen Bundestag auf eine massive Verschärfung der deutschen Migrationspolitik. In namentlicher Abstimmung votierten 348 Abgeordnete am 29. Januar 2025 für einen entsprechenden Entschließungsantrag der Unionsfraktion. Dagegen stimmten 344 Parlamentarier; zehn enthielten sich.
Entschließungsantrag der Union
In dem Entschließungungsantrag, durch den die Bundesregierung rechtlich nicht gebunden ist, plädiert die CDU/CSU-Fraktion für „sofortige, umfassende Maßnahmen zur Beendigung der illegalen Migration, zur Sicherung der deutschen Grenzen und zur konsequenten Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Personen, insbesondere von Straftätern und Gefährdern“. Im Einzelnen werden in der Vorlage eine dauerhafte Kontrolle der deutschen Grenzen zu allen Nachbarstaaten sowie die „Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreise“ gefordert. Dabei soll ein „faktisches Einreiseverbot“ für Personen gelten, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen. Diese seien unabhängig davon, ob sie ein Schutzgesuch äußern oder nicht, an der deutschen Grenze zurückzuweisen.
Vollziehbar ausreisepflichtige Personen sollen dem Beschluss zufolge unmittelbar in Haft genommen und die Zahl der Abschiebungen deutlich erhöht werden. Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in einem zeitlich unbefristeten Ausreisearrest bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden kann. Des Weiteren soll die Bundespolizei laut Vorlage die Befugnis erhalten, „bei im eigenen Zuständigkeitsbereich aufgegriffenen, ausreisepflichtigen Personen auch selbst und unmittelbar Haftbefehle für Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam beantragen zu können“.
„Erkennbar dysfunktional“
In ihrem Antrag schrieb die Unionsfraktion, dass sich „die abscheuliche Mordtat von Aschaffenburg“ einreihe in die Terroranschläge von Mannheim und Solingen und den Angriff auf den Weihnachtsmarkt von Magdeburg. Die aktuelle Asyl- und Einwanderungspolitik gefährde die Sicherheit der Bürger und das Vertrauen der Gesellschaft in den Staat. „Die Politik der letzten Jahre hat es versäumt, Kontrolle über die Migration zurückzugewinnen und zu erhalten“, heißt es in der Vorlage weiter.
Die bestehenden europäischen Regelungen – die Dublin-III-Verordnung zur grundsätzlichen Zuständigkeit des Ersteinreisestaats, das Schengen-Abkommen zu den offenen Binnengrenzen und die Eurodac-Verordnung zur Registrierung von Asylsuchenden – seien „erkennbar dysfunktional“. Wenn europäische Regelungen nicht funktionieren, sei es in der derzeitigen Gesamtsituation die Pflicht der Bundesregierung, nationales Recht vorrangig anzuwenden, „so wie es in den Europäischen Verträgen für außergewöhnliche Notlagen vorgesehen“ sei.
Scholz: Würde europäisches Recht brechen
Vor den Abstimmungen hatte es im Bundestag am Mittwoch, den 29. Januar 2025, einen scharfen Schlagabtausch über die Zuwanderungspolitik gegeben. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte die Migrationspolitik seiner Regierung mit Nachdruck und hielt Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU/CSU) in einer Regierungserklärung vor, dass Deutschland bei einer Umsetzung der CDU/CSU-Vorschläge europäisches Recht brechen würde. Über geltendes Recht hinaus dürfe man aber nicht gehen.
Zugleich warf er Merz vor, mit seinem Vorgehen die Unterstützung der AfD für seine „rechtswidrigen Vorschläge“ offen in Kauf zu nehmen. Damit habe Merz einen seit Gründung der Bundesrepublik bestehenden Konsens aller Demokraten „im Affekt aufgekündigt“, in den Parlamenten „mit extremen Rechten nicht gemeinsame Sache“ zu machen.
Union: Müssen „endlich abschieben“
Merz entgegnete, es liege allein bei SPD und Grünen, ob es für die Vorschläge seiner Fraktion „in der Mitte des Deutschen Bundestages“ eine parlamentarische Mehrheit gibt. Er könne mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, „dass angeblich formale Absprachen mit Ihnen, der SPD und den Grünen, nach dem Auseinanderbrechen der Ampel-Regierung dazu führen sollen, dass wir hier im Deutschen Bundestag nur die Entscheidungen zur Abstimmung bringen dürfen, die vorher Ihre Zustimmung gefunden haben“.
Man sei es den Menschen im Lande und nicht zuletzt den Opfern der Gewalttaten der letzten Monate schuldig, jeden Versuch zu unternehmen, die illegale Migration zu begrenzen, ausreisepflichtige Asylbewerber in Gewahrsam zu nehmen und „endlich abzuschieben“.
Grüne: Bruch mit der Tradition dieser Republik
Vizekanzler Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) warf der CDU/CSU vor, in der Sache einer Logik zu folgen, die „Recht brechen will, um Recht zu verändern – das Europarecht und das deutsche Grundgesetz“. Damit stelle man sich aber als „potenzielle Regierung“ oder als Parlament über den Rechtsstaat, warnte er. Dies sei der „steile Weg in den Abgrund; diesen Weg sollten wir nicht gehen“, fügte er hinzu.
Es stehe an diesem Tag aber nicht nur eine Sachentscheidung zur Debatte, sondern erstmals auch die Frage, ob es zu einem „Bruch mit der Tradition dieser Republik“ komme, weil CDU/CSU und FDP „unnötig und falsch“ ein Bündnis mit den Rechtspopulisten im Parlament eingingen.
FDP: Nicht den Rändern überlassen
FDP-Chef Christian Lindner erwiderte, dass seine Fraktion dem Unionsantrag zustimme, obwohl dieser „Unschärfen und Auslassungen“ enthalte. Die FDP wolle aber mit ihrer Zustimmung die wichtige politische Botschaft senden, dass Kontrolle und Begrenzung der Einwanderung nach Deutschland ein Anliegen der politischen Mitte sei. „Wir dürfen es den Rändern nicht überlassen“, betonte er.
Die freien Demokraten würden niemals einer „antiliberalen und wirtschaftsfeindlichen Partei wie der AfD“ die Hand reichen. Sie ließen sich aber „von der Unterstützung einer richtigen Botschaft nicht dadurch ablenken, dass die AfD auch zustimmt“. Sonst hätte „die AfD Macht über uns“. Das Problem sei nicht, dass die AfD dem Antrag zustimme, sondern dass SPD und Grüne das nicht machten.
AfD: Noch lange keine Migrationswende
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Dr. Alice Weidel sprach von einem „auf die Spitze getriebenen Migrationschaos“, das die Regierung zu verantworten habe und noch die „katastrophalen Auswirkungen der willkürlichen Aufgabe der Kontrolle über unsere Grenzen durch die frühere CDU-Kanzlerin Angela Merkel“ übertreffe.
Der CDU/CSU hielt sie zugleich vor, ihren Fünf-Punkte-Plan bei der AfD kopiert zu haben. „Abschreiben statt Abschieben – das hat bei Ihnen Methode“, fügte Weidel hinzu. Ein „unverbindlicher Entschließungsantrag“ sei jedoch noch lange keine Migrationswende. Eine solche Wende „mit Schließung der Grenzen, Zurückweisung und Abschiebung von illegalen Ausländern“ werde nur mit ihrer Partei kommen.
Linke: Merz plant „Pakt mit der AfD“
Heidi Reichinnek (Die Linke) hielt SPD und Grünen vor, sich seit Jahren im Bundestag „von Rechtsextremisten treiben“ zu lassen und eine Asylrechtsverschärfung nach der nächsten beschlossen zu haben. Merz hielt sie vor, einen „Pakt mit der AfD“ zu planen.
BSW: Kollektives Versagen in der Migrationspolitik
Sahra Wagenknecht (BSW) monierte, SPD und Grüne hätten offenbar nicht begriffen, dass nicht gemeinsame Abstimmungen mit der AfD zu deren Umfrageerfolgen geführt hätten, sondern „das jahrelange kollektive Versagen der alten Parteien in der Migrationspolitik“.
Abgelehnte Entschließungsanträge
Einen weiteren Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zur „Stärkung der Inneren Sicherheit“ lehnte das Parlament mit 509 Nein-Stimmen bei 190 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen ab.
Auch einen Entschließungsantrag der FDP-Fraktion zur Migrationspolitik, für den auch die Gruppe BSW stimmte, fand bei Enthaltung der AfD-Fraktion keine Mehrheit, ebenso ein AfD-Antrag, der von den Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie der Gruppe Die Linke abgelehnt wurde, während sich die Gruppe BSW enthielt.
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Dieser Beitrag erschien zuerst auf bundestag.de.