Philipp Amthor (CDU/CSU) „Gruppe schadet der Klimabewegung“
Leonie Schlegel
Die Protestformen der „Letzten Generation“ werden oft kritisiert. Auch Philipp Amthor (CDU/CSU) findet die Aktionen der Gruppe problematisch. Was er stattdessen im Kampf gegen die Klimakrise für sinnvoll hält, lest ihr im Interview.
Zur parlamentarischen Arbeit der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag habe ich grundsätzlich eine skeptische Haltung, da sie viele Debatten in einem viel zu destruktiven Stil führt. Gleichwohl kann ein Anliegen in der Sache diskussionswürdig sein, obwohl es von der AfD-Fraktion eingebracht wird.
Was den Umgang mit der „Letzten Generation“ angeht, so müssen wir zwei Ebenen unterscheiden: Kommt es zu Straftaten, ist das Strafrecht das erste Mittel der Wahl, um diesen zu begegnen. Das beinhaltet Gerichtsverfahren und in der Endkonsequenz eben möglicherweise auch Geld- und Haftstrafen. Daneben gibt es – nicht aus dem Bereich des Strafrechts, sondern aus dem Verwaltungsrecht – das Instrument eines Vereinsverbots, das ebenfalls zum Einsatz kommen könnte. In diesen Zusammenhang ist die Forderung richtig, dass die Bundesinnenministerin Nancy Faeser gegenüber dem Parlament plausibel darstellen sollte, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solches Vereinsverbot gegenüber der „Letzten Generation“ möglich wäre – die diesbezügliche Schweigsamkeit der SPD-Ministerin kritisiert nicht nur die AfD. Ich halte ein Vereinsverbot jedenfalls für eine denkbare Möglichkeit, um kriminelle Strukturen dieser Gruppe zu durchbrechen.
Das ist eine strafrechtliche Frage, zu der ja nun mittlerweile mehrere Staatsanwaltschaften mit richterlichen Beschlüssen entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet haben. Dies setzt jeweils einen Anfangsverdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung im strafrechtlichen Sinne voraus. Am Ende wird diese Frage in unserem Rechtsstaat von Gerichten rechtsverbindlich entschieden.
Die Frage nach einer kriminellen Vereinigung im strafrechtlichen Sinne ist juristisch allerdings von der Frage eines Vereinsverbots zu trennen. Über dessen Anordnung entscheidet nämlich zunächst das Bundesinnenministerium. Es muss unter anderem prüfen, ob es sich um eine Vereinigung handelt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Zur Beurteilung des letztgenannten Aspekts muss auch das Bundesamt für Verfassungsschutz als unser Inlandsnachrichtendienst einen Blick auf den radikalen Klimaprotest werfen.
Der Klimaschutz ist ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen, dem die „Letzte Generation“ allerdings nicht dient. Durch ihre radikalen Aktionsformen, die sich vielfach außerhalb der Grenzen legitimen Protests bewegen, schaden sie diesem Anliegen sogar. Dieser Gruppe müssen klare und spürbare Grenzen aufgezeigt werden, damit sie zur Differenzierung befähigt wird: Im Rahmen der Versammlungsfreiheit ist natürlich auch eine Sitzblockade in Ordnung – aber bitte auf öffentlichen Plätzen und nicht auf einer vielbefahrenen Straße, auf der Rettungswagen blockiert werden können. Und auch eine Mahnwache vor einem Museum ist erlaubt – aber in einem Museum zu randalieren, geht gar nicht.
Für mich gibt es hier ein Ungleichgewicht: Die „Letzte Generation“ veranstaltet sehr radikale Proteste, aber ihre Forderungen sind unkreativ und tragen wenig zu einer Lösung der Klimakrise bei. Die Vereinigung fordert reichlich einfallslos die Einrichtung eines sogenannten Gesellschaftsrates sowie die Einführung eines Tempolimits und eines Neun-Euro-Tickets. Wer glaubt, dass die Klimakrise durch solch kleines Karo gelöst wird, ist schiefgewickelt.
Über die Frage, ob das 49-Euro-Ticket nun neun Euro oder 49 Euro kosten soll, kann man sachlich streiten. Aber auch durch eine Kostenreduktion wird der Bus, der in einigen Ortschaften teilweise nur einmal am Tag fährt, nicht häufiger fahren. Hier sollte man über die Schwerpunktsetzung zwischen sozialer Entlastung und Infrastrukturausbau diskutieren.
Auch das Tempolimit weist auf eine Frage der Schwerpunktsetzung: Das Tempolimit, das für viele Menschen auch ein emotionales Thema ist, würde im Vergleich zu anderen Maßnahmen nur kleine Mengen an CO2 einsparen. Hätte man etwa die Kernkraftwerke länger in Betrieb gehalten, hätten man dadurch deutlich größere Mengen an CO2 einsparen können. Das hätte ich für vorzugswürdig gehalten.
Und was den „Gesellschaftsrat“ anbelangt, sehe ich darin vor allem die Gefahr einer Entwertung unseres Parlaments durch eine weitere Schwächung der repräsentativen Demokratie. Während die „Letzte Generation“ einen zufällig ausgelosten „Gesellschaftsrat“ will, wollen wir keine „Lotto-Demokratie“ und erblicken in unserem vielfältigen Bundestag schon im ausreichenden Maß einen echten legitimierten „Gesellschaftsrat“. Ständige Diskussionen über Ersatzparlamente helfen uns nicht weiter – und der Klimakrise auch nicht.
Ja. Es gibt wohl kaum eine Gruppierung, die dem gesamtgesellschaftlichen Anliegen des Klimaschutzes in den letzten Monaten so extrem geschadet hat wie die „Letzte Generation“. Eigentlich gibt es eine große gesellschaftliche Offenheit, die Klimakrise anzugehen und den Weg zur Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft fortzusetzen. Aber diese radikalisierte und überzogene Form des Protests schadet dem Vertrauen in die Klimabewegung. Mehr als zwei Drittel der Menschen in Deutschland lehnen diese Protestform ab – und das kann ich auch sehr gut nachvollziehen.
Die Klimakrise ist ein gravierendes, wichtiges und dringliches Problem, das auch für meine CDU/CSU-Fraktion eine sehr hohe Priorität hat. Aber den Begriff „Notstand“ sehe ich auch aus historischer Perspektive mit großer Sorge, weil eine Politik nach dem Motto „Not kennt kein Gebot“ in unserer deutschen Geschichte schon vielfach großen Schaden angerichtet hat. Die Idee eines „Notstandes“ begünstigt leider immer eine Selbstermächtigung derjenigen, die einen solchen Notstand fordern. Das ist gefährlich.
Der Begriff Notstand legt zudem nah, dass es nur ein einziges relevantes Thema gibt, dem alles andere untergeordnet werden muss. So unkompliziert geht es in unserer Gesellschaft aber nicht zu. Es geht immer um das Abwägen verschiedener Interessen: Klima und Wirtschaft oder Klima und soziale Belangen. Diese Themen müssen wir immer gemeinsam im Blick behalten – auch und gerade in der Krise.
Wir haben in Deutschland – insbesondere in den 16 Jahren Regierungszeit der Union – schon sehr viel für den Klimaschutz erreicht. In der Zeit erfreulichen wirtschaftlichen Wachstums ist es uns trotzdem gelungen, die CO2-Emissionen massiv zu reduzieren. Das muss auch ein Anspruch für den Rest der Welt sein. Wir sollten uns jedenfalls von der naiven Idee verabschieden, dass wir die Klimakrise allein in den Staatsgrenzen der Bundesrepublik lösen können.
Wenn also die Frage gestellt wird, ob schon genug im Kampf gegen den Klimawandel getan wird, dann ist die Antwort für die ganze Welt: nein. Die Pariser Klimaziele müssen gesamtstaatliche, gesamtgesellschaftliche Ziele der Völkergemeinschaft sein und dürfen nicht nur auf einzelne Staaten oder Regionen heruntergebrochen werden.
Deutschland hat als einflussreiche Wirtschaftsnation die Verantwortung, sich weltweit dafür einzusetzen, dass mehr Maßnahmen zum Klimaschutz umgesetzt werden – zum Beispiel durch das Abschließen von Klimaverträgen oder die Ausweitung des Emissionshandels. Ich finde es deshalb auch wichtig, dass Lösungen für die Klimakrise in unserer Außen- und Entwicklungshilfepolitik eine große Rolle spielen.
Philipp Amthor
Philipp Amthor wurde 1992 in Ueckermünde geboren, studierte ab 2012 Rechtswissenschaften in Greifswald und ist 2017 als Jurist in den Deutschen Bundestag eingezogen. Er ist Mitglied im Innenausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Rechtsausschuss und im Geschäftsordnungsausschuss. Seit 2021 ist er für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Fachsprecher für Staatsorganisation und Staatsmodernisierung, Vorsitzender der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern sowie Mitglied des Fraktionsvorstandes.
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Leonie Schlegel
ist 2002 geboren, wohnt in Bremen und studiert dort Europäische Wirtschaft und Verwaltung. Sie ist sehr politikbegeistert und verfolgt regelmäßig das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages.