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Gedenkstunde „Es gibt sehr viel, was uns verbindet“

Zum Volkstrauertag am Sonntag findet eine Gedenkveranstaltung im Bundestag statt. Schwerpunkt sind die deutsch-lettischen Beziehungen. Sprechen wird unter anderem Rozīte Katrīna Spīča, die sich für den Austausch zwischen jungen Leuten aus Deutschland und Lettland einsetzt.

Portrait einer jungen lettischen Frau in Tracht

„Die Beschäftigung mit der deutsch-baltischen Geschichte hat mich viel über mein Land und Kultur und über mich selbst gelehrt“, sagt Rozīte Katrīna Spīča. Foto: Ilze Strele

Sie werden am Sonntag im Bundestag sprechen, genau wie der lettische Staatspräsident Egils Levits und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Sind Sie aufgeregt?

Ja. Aber ich finde die Idee sehr schön, bei der Gedenkveranstaltung auch die Gedanken von Jugendlichen aus Lettland vorzustellen.

Sie leiten das lettische Landesbüro im Jugendwerk der Deutschbaltischen Studienstiftung, die den Austausch zwischen jungen Deutschen und Balten fördert. Warum engagieren Sie sich in diesem Bereich?

Ich engagiere mich schon seit sieben Jahren bei der Deutschbaltischen Zukunftsstiftung. Angefangen habe ich als Studentin. Ich habe Interkulturelle Beziehungen Lettland – Deutschland studiert. Deshalb habe ich nach Möglichkeiten gesucht, mein Deutsch zu verbessern und mehr über die Beziehungen zwischen Lettland und Deutschland zu erfahren. Ehrlich gesagt war ich überrascht, dass es so viele Verbindungen gibt. Das war für mich neu. Die Beschäftigung mit der deutsch-baltischen Geschichte hat mich viel über mein Land und Kultur und über mich selbst gelehrt. Dadurch, dass ich mich mein ganzes Leben mit der lettischen traditionellen Kultur beschäftige, das hat mir geholfen, diese Parallelen tiefer zu erforschen.

Durch die Arbeit bei der Stiftung bin ich nicht nur mit Deutschen in Kontakt gekommen, sondern zum Beispiel auch mit Litauern und Esten. Ich finde es sehr wichtig, mit jungen Menschen aus verschiedenen Ländern über Politik, Kultur und Geschichte zu diskutieren.

Die Geschichte Lettlands

Lettland liegt im Baltikum, es grenzt an Litauen, Belarus, Russland und Estland. 1944 wurde das Land von der Roten Armee erobert und der damaligen Sowjetunion angegliedert. Seit 1991 ist Lettland wieder unabhängig. Seit 2004 gehört es der Europäischen Union und der Nato an.

Haben Sie selbst auch an einem Austausch teilgenommen?

Ja. Ich habe schon in der Schulzeit an einem Austausch mit einem Gymnasium in München teilgenommen. Während des Studiums war ich dann eine Zeitlang in Potsdam und Berlin. Das hat mir natürlich bei der sprachlichen Entwicklung sehr geholfen und mir die deutsche Kultur nähergebracht, aber ich habe auch einfach viele neue Erfahrungen gemacht – und neue Freunde gewonnen.

Was macht die deutsch-lettische Beziehung in Ihren Augen aus?

Ich glaube, die Beziehungen zwischen unseren Ländern sind für beide Seiten sehr wichtig. Es gibt sehr viel, was uns verbindet, und diese Gemeinsamkeiten prägen uns. Deshalb finde ich es so wichtig, diese Beziehungen zu pflegen und auch das Wissen weiterzutragen, welche Möglichkeiten des Austauschs es gibt.

Sie leben in Riga. Wie blicken Sie von dort auf den Krieg in der Ukraine?

Als der Krieg begann, hat jemand aus Litauen auf Twitter sinngemäß geschrieben: Uns Balten brauchen die Ukrainer nicht zu erklären, was da passiert. Wir tragen das Wissen in unserem Blut, wozu so eine Aggression führen kann. Dieser Tweet ist hängen geblieben, weil er es auf den Punkt gebracht hat.

Mit der Deutschbaltischen Zukunftsstiftung hatten wir kürzlich die Deutsch-Baltische Konferenz in Riga, bei der auch der lettische Verteidigungsminister gesprochen hat. Er sagte, die baltischen Länder hätten im Westen lange als „Troublemaker“ gegolten, weil sie seit 2014 davor gewarnt hätten, was Russland macht, und dass man das ernst nehmen müsse. Ich glaube, deshalb ist es wichtig, dass wir unsere eigene Geschichte verstehen: damit wir in diesem Krieg eine klare, starke Position beziehen können.

Die Arbeit der Deutschbaltischen Zukunftsstiftung schließt prinzipiell auch den Austausch mit jungen Menschen aus Russland ein. Was hat sich durch den Krieg geändert?

Aktuell nehmen keine Teilnehmer aus Russland an Seminaren teil. Ich finde es auch sehr wichtig, dass wir in dieser Situation klar Stellung nehmen. Aber ich hoffe, dass wir den Dialog irgendwann wieder aufnehmen können, unter friedlicheren Bedingungen. Durch die Zukunftsstiftung habe ich überhaupt erstmals junge Leute aus Russland getroffen und angefangen, ihre Lebenswelt zu verstehen, in der sie ihre Meinung nicht frei ausdrücken können. Das hat mir schon Sorgen gemacht.

Was wird die Kernaussage Ihrer Rede sein? Was möchten Sie den Zuhörern in Deutschland mitgeben?

Lettland gehört erst seit 2004 der Europäischen Union und der Nato an. Ich gehöre zur ersten Generation, die nach der sowjetischen Besetzung in einem freien Klima aufgewachsen ist. Viele Errungenschaften sehen wir im heutigen Europa als selbstverständlich an. Aber das, was wir mit dem Austausch zwischen jungen Menschen aus verschiedenen Ländern fördern, den offenen und freien Meinungsaustausch, das ist leider nicht selbstverständlich. Das dürfen wir nicht vergessen. Wir müssen alles dafür tun, dass wir weiter in einer Demokratie leben, auch in 50 und in 100 Jahren. Das ist meine Kernaussage.

Zur Person

Rozīte Katrīna Spīča, 1995 geboren, lebt in Riga. Sie hat an der Lettischen Kulturakademie Interkulturelle Beziehungen studiert. Zurzeit promoviert sie und leitet das lettische Landesbüro im Jugendwerk der Deutschbaltischen Studienstiftung.

(jk)

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