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Ukraine-Krise „Es droht Krieg im Osten Europas“

Warum der aktuelle Konflikt zwischen Russland und der Ukraine so gefährlich ist und was Deutschland tut, um die Lage zu beruhigen, erklärt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Michael Roth (SPD) im mitmischen-Interview.

Der Bundestagsabgeordnete Michael Roth

„Wenn Russland tatsächlich in der Ukraine einmarschierten sollte, werden die Konsequenzen schmerzhaft sein“, sagt Michael Roth (SPD). Foto: Michael Farkas

Können Sie kurz schildern, was sich derzeit in der Ukraine abspielt – und warum die Lage dort aktuell so brisant ist?

Die Ukraine wird nun schon zum dritten Mal Opfer der militärischen Aggression ihres Nachbarlands Russland. 2014 hat sich Russland die ukrainische Halbinsel Krim angeeignet und damit gegen das Völkerrecht verstoßen. Seit einigen Jahren unterstützt Russland sogenannte Separatisten militärisch, also Kräfte, die versuchen, Teile der Ukraine abzuspalten. Nun hat Russland abermals über 100.000 kampfbereite Soldaten an der Grenze zur Ukraine stationiert. Und das wird von den Menschen in der Ukraine, aber auch in anderen osteuropäischen Ländern zurecht als große militärische Bedrohung empfunden.

Letzte Woche hat der Bundestag über den Konflikt in der Ukraine diskutiert. Titel der Debatte: „Frieden in Europa sichern“. Wie groß ist die Gefahr, dass ein Krieg ausbricht?

Die Gefahr ist nach wie vor da. Russland hat ja in den vergangenen Jahren immer wieder militärisch in der Ukraine eingegriffen. Und nun bringt Russland erneut Soldaten und Waffen an die ukrainische Grenze. Die Situation könnte eskalieren. Es droht Krieg im Osten Europas, nur zwei Flugstunden von Berlin entfernt.

Was tut Deutschland, um den Konflikt zu deeskalieren?

Zum einen ist es wichtig, dass Deutschland sich solidarisch mit den Menschen in der Ukraine zeigt. Zum anderen setzen wir voll auf eine friedliche, diplomatische Lösung des Konflikts. Das tun wir nicht alleine, sondern gemeinsam in einem Team mit der Europäischen Union, den USA und dem Verteidigungsbündnis Nato. Wir nutzen im Moment alle zur Verfügung stehenden Gesprächsformate, um Russland von diesem Irrweg abzubringen.

Deutschland und Frankreich tragen eine ganz besondere Verantwortung im Rahmen des sogenannten Normandie-Formats. Das ist eine Gesprächsrunde, wo Deutschland und Frankreich einerseits und die Ukraine und Russland andererseits am Verhandlungstisch sitzen, um eine friedliche Lösung für die Konflikte, die Russland angezettelt hat, zu finden.

Deutschland hat sich dagegen entschieden, Waffen in die Ukraine zu liefern, mit denen sie sich gegen Russland verteidigen könnte. Warum?

Deutschland vertritt schon seit vielen Jahren das Prinzip, grundsätzlich keine tödlichen Waffen in Krisengebiete zu senden. Denn Panzer und Gewehre sorgen ja nicht automatisch für Frieden, sondern machen Konflikte oft noch schlimmer. Deutschland unterstützt die Ukraine aber auf ganz vielfältige Weise: Wir helfen dem Land seit vielen Jahren dabei, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und eine moderne Verwaltung aufzubauen, wir helfen beim Umweltschutz und bei der Bekämpfung von Korruption.

Aber natürlich verstehe ich das Bedürfnis der Ukraine, sich gegen die russische Aggression verteidigen zu wollen. Deutschland liefert zwar keine Waffen, aber zum Beispiel Schutzwesten und andere Materialien, die der Ukraine dabei helfen, sich besser zu schützen.

Am 18. Februar wird der Bundestag über einen Antrag der Union mit dem Titel „Russlands Politik mit der Geschlossenheit des Westens entgegentreten“ beraten. Wie sollte Deutschland jetzt mit Russland sprechen?

Erst mal ist wichtig, dass Deutschland keinen eigenen Weg einschlägt, sondern dass wir als EU gegenüber Russland immer mit einer Stimme sprechen. Wenn die EU nicht geschlossen handelt, dann hilft das nur dem russischen Präsidenten Putin. Zu der Dialogbereitschaft, die wir immer wieder signalisiert haben, gehört natürlich auch Härte. Das heißt, wir müssen in den Gesprächen deutlich machen, dass es schmerzhafte politische und wirtschaftliche Folgen für Russland hätte, wenn es die Grenzen der Ukraine abermals nicht respektieren würde.

Welche Konsequenzen wären das?

Wir haben uns ganz bewusst gemeinsam mit unseren Partnern dagegen entschieden, im Fall der Fälle militärisch einzugreifen. Stattdessen nutzen wir alle Möglichkeiten, die der Instrumentenkoffer der Diplomatie zur Verfügung stellt, beispielsweise auch wirtschaftliche Sanktionen. Wir schließen derzeit nichts aus, sondern beratschlagen mit unseren Partnern hinter verschlossenen Türen, um uns auf gemeinsame europäische Maßnahmen zu einigen. Wenn Russland tatsächlich in der Ukraine einmarschierten sollte, dann werden die Konsequenzen für Russland schmerzhaft sein.

Über Michael Roth

Michael Roth wurde 1970 im hessischen Heringen geboren. Er studierte Politologie, Jura, Germanistik und Soziologie und arbeitete an verschiedenen Universitäten. Mit 17 Jahren trat er in die SPD ein. 1998 zog er erstmals in den Bundestag ein. Er war Staatminister für Europa im Auswärtigen Amt und Beauftragter der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Jetzt sitzt er dem Auswärtigen Ausschuss vor. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

Das Video der Bundestagsdebatte seht ihr hier:

(jk)

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