Arabische Stipendiatin „Beeindruckend, wie offen mit Kritik umgegangen wird“
Vier Wochen lang waren 33 junge Menschen aus zehn arabischen Staaten zu Gast im Bundestag. Eine von ihnen war Omnia aus Ägypten. Im Interview erzählt die 30-jährige Germanistin, wie sie den Wahlkampf in Bayern erlebt hat.
Wie hast du den Wahlkampf in Deutschland erlebt?
Ich fand es sehr beeindruckend, den Wahlkampf hier mitzubekommen. Der Wahlkreis des Abgeordneten, den ich besucht habe, war in Bad Tölz in Bayern. Besonders gefallen hat mir, den Abgeordneten Alexander Radwan (CDU/CSU) begleiten zu können und insbesondere, wie die Menschen mit dem Abgeordneten am Wahlstand diskutiert haben und wissen wollten, wie er sich für sie einsetzt.
Einmal war ich bei einer großen Wahlkampfveranstaltung mit Theo Waigel (Anm. d. Red.: ehemaliger Bundesfinanzminister). Da gab es eine heftige Diskussion und große Kritik. Ich dachte, die Kritiker gehörten zu einer anderen Partei. Aber sie gehörten zur selben Partei! Ich fand es sehr spannend, dass es auch innerhalb einer Partei so große Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten gibt.
Du sprichst gut Deutsch – wo hast du die Sprache gelernt?
In Kairo habe ich an der Ain-Shams-Universität Germanistik studiert und danach noch einen Master in Deutsch als Fremdsprache abgeschlossen. Ich habe schon im Gymnasium angefangen Deutsch zu lernen, doch eher aus Zufall: Meine Noten waren nicht gut genug für Anglistik, und weil ich aber generell sehr interessiert an Sprachen bin, entschied ich mich für Deutsch. Im Nachhinein ist das ein sehr schöner Zufall.
Du hast vier Wochen lang beim Internationalen Parlaments-Stipendium für arabische Staaten die deutsche Demokratie kennengelernt: Was nimmst du mit nach Hause?
Ich nehme vor allem die Erfahrungen aus dem bayerischen Wahlkreis mit: der Umgang und die Kommunikation mit den Bürgern und Bürgerinnen und die Debatten und Diskussionen innerhalb der Partei. Mich hat es sehr beeindruckt, wie selbstverständlich mit Kritik umgegangen wurde und wie offen sie kommuniziert werden konnte.
Was hast du noch im Wahlkreis deines Abgeordneten erlebt?
Alexander Radwan von der CSU in Bayern ist Halb-Ägypter. Deshalb hatten wir viele Gemeinsamkeiten und haben viele Diskussionen über Ägypten geführt: zum Beispiel zum Sozialsystem und zum Kopftuchstreit, den es ja auch in Ägypten gibt. Am besten hat mir dort im Wahlkreis auch die Natur gefallen – perfekt für einen Urlaub.
Und ich habe natürlich den Politiker Alexander Radwan besser kennengelernt: Er ist in der auslaufenden 19. Legislaturperiode Mitglied im Finanzausschuss und im Auswärtigen Ausschuss. Sein besonderes Interesse liegt im Finanzmanagement. Ich finde es sehr gut, dass ein Abgeordneter Jura studiert hat, weil er sich so mit den Gesetzen besonders gut auskennt.
Welcher Punkt des Stipendienprogramms hat dich besonders beeindruckt und warum?
Den Erfahrungsaustausch mit den anderen IPS-Stipendiaten fand ich am wertvollsten. Ich konnte viel über die politischen Systeme ihrer Länder und über ihre Geschichten lernen. Es war eine große Bereicherung, denn wir als arabische Staaten sollten uns besser kennenlernen – genauso aber auch Deutschland. Ich dachte, ich wüsste viel über die arabischen Staaten, aber es ist immer etwas anderes, wenn du es aus den Medien oder direkt von den Menschen erfährst.
Was hast du jetzt in deinem Heimatland Ägypten vor?
Ich arbeite als Deutschlehrerin in Ägypten und habe meistens mit Erwachsenen zu tun. Da kann ich meine Erfahrungen über die Demokratie und das politische System in Deutschland weitergeben und mich austauschen. Viele meiner Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen planen zum Beispiel in Deutschland zu studieren und zu arbeiten. Ich finde es wichtig, dass ich ihnen meine Erfahrungen mitteile. Etwa in Sachen offener Debatten- und Kritikkultur, das ist ein wenig anders als bei uns und wir können viel davon lernen.
(tl)