Wahlrechtsreform Was ist neu bei der Bundestagswahl 2021?
Aktuell sitzen 709 Abgeordnete im Bundestag, so viele wie noch nie. Bei der nächsten Bundestagswahl soll das Parlament wieder kleiner werden. Welche Reform kommt, lest ihr hier.
In einem Punkt sind sich alle Fraktionen einig: Der nächste Bundestag soll kleiner werden als der aktuelle. Derzeit sitzen 709 Abgeordnete im Parlament. Und dies, obwohl es regulär nur 598 sein sollen. Der Grund für die hohe Zahl sind sogenannte Überhangmandate und Ausgleichsmandate, die durch das Wahlrecht entstehen. Dazu gleich mehr.
Die Befürchtung: Nach der Bundestagswahl 2021 könnte der Bundestag erneut sehr groß werden. Das würde nicht nur teurer, sondern den Parlamentsbetrieb auch weniger effektiv machen.
Wie man aber nun die Zahl der Abgeordneten verringern kann, darüber gehen die Meinungen auseinander. Drei verschiedene Vorschläge standen am 8. Oktober auf der Tagesordnung des Bundestages: einer von den Koalitionsfraktionen, einer von der AfD und einer, den die FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam vorgelegt hatten. Am Ende entschied sich der Bundestag für den Entwurf von CDU/CSU und SPD.
Das Ergebnis der Abstimmung fiel erwartungsgemäß knapp aus: 362 Abgeordnete stimmten für den Entwurf, 281 dagegen, acht enthielten sich.
Zur Erinnerung: So sind die Regeln
Bei der Bundestagswahl haben die Bürger zwei Stimmen: Mit der Erststimme wählen sie einen Kandidaten aus ihrem Wahlkreis, also eine konkrete Person. Derjenige Kandidat, der in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommt, zieht dann auf jeden Fall in den Bundestag ein. Das nennt man Direktmandat.
Mit der Zweitstimme wählen die Bürger eine Partei. Die Verteilung der Zweitstimmen legt fest, wie viele Sitze eine Partei im Bundestag insgesamt besetzen darf.
Wenn nun von einer Partei mehr Direktkandidaten gewählt werden, als diese Partei eigentlich Plätze im Bundestag besetzen dürfte, entstehen sogenannte Überhangmandate.
Dies galt bis zur Wahl 2017: Damit das für die anderen Parteien nicht unfair ist, werden diese Überhangmandate durch Ausgleichsmandate ausgeglichen. Der Bundestag wird also so lange vergrößert, bis das Gesamtverhältnis der Zweitstimmen wieder stimmt. So wurde die ursprünglich im Grundgesetz vorgesehene Zahl von 598 Bundestagsabgeordneten bei den letzten Wahlen immer deutlich überschritten.
Wie wird in Zukunft gewählt?
Zunächst einmal bleibt einiges gleich: Wir behalten die beschriebene personalisierte Verhältniswahl. Das bedeutet, es wird weiterhin Erst- und Zweitstimmen geben, mit denen die Bürger zum einen einzelne Personen, zum anderen Parteien wählen können.
Es wird auch weiterhin Überhang- und Ausgleichsmandate geben. Allerdings – und jetzt kommt eine Neuerung – soll es in Zukunft unter anderem erst ab dem dritten Überhangmandat Ausgleichsmandate geben.
Die Zahl der Wahlkreise soll außerdem von 299 auf 280 verkleinert werden. Das gilt allerdings noch nicht für die kommende Bundestagswahl, sondern erst danach, ab dem 1. Januar 2024.
Die Opposition ist mit diesen Änderungen überhaupt nicht einverstanden. Sie hält sie nicht für geeignet, den Bundestag tatsächlich zu verkleinern.
Entwurf der AfD
Die AfD hatte in ihrem Entwurf vorgeschlagen, die Zahl der Wahlkreise unverändert bei 299 zu belassen. Sie wollte aber, dass streng darauf geachtet wird, dass wirklich nur 598 Abgeordnete in den Bundestag einziehen. Sprich: Überhang- und Ausgleichsmandate sollten komplett entfallen. Wie? Mit der Erststimme sollten nicht mehr Abgeordnete direkt in den Bundestag gewählt werden, sondern sogenannte „qualifizierte Wahlkreiskandidaten“. Wenn diese mehr Mandate bekämen, als ihrer Partei nach dem Zweitstimmen-Ergebnis zustünde, sollten sie in der Rangfolge ihres persönlichen Stimmergebnis in den Bundestag einziehen.
Entwurf von FDP, Linksfraktion und Grünen
Die drei übrigen Oppositionsfraktionen hatten in ihrem gemeinsamen Entwurf vorgeschlagen, die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 250 zu verkleinern. So wären insgesamt weniger Direktkandidaten gewählt worden. Und das wiederum, so argumentieren die Abgeordneten, hätte dann auch zu weniger Überhang- und Ausgleichsmandaten geführt.
Weitere Fragen zur Wahl sollen unter die Lupe genommen werden
Neben den genannten Änderungen im Wahlrecht sieht der beschlossene Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen vor, dass eine „Reformkommission“ eingesetzt wird. Sie soll sich mit weiteren Themen rund um die Wahl beschäftigen. Zum Beispiel soll sie Empfehlungen zu den folgenden Fragen erarbeiten: Sollten Jugendliche schon ab 16 wählen dürfen? Sind vier Jahre eine gute Zeitspanne für eine Legislaturperiode? Und: Wie kann man dafür sorgen, dass Männer und Frauen zu gleichen Teilen im Bundestag vertreten sind? Bis 2023 soll die Kommission ihre Ergebnisse vorstellen.
Die kontroverse Debatte um die drei Vorschläge seht ihr hier im Video:
(DBT/jk)