Zukunftsvisionen Wohin gehst du, Europa?
Die Europawahl steht vor der Tür. Aber wem geben (oder gäben) wir unsere Stimme? Eine Debatte im Bundestag bot neulich schon mal ein paar Anhaltspunkte.
Große Unterschiede
Sechs Wochen vor der Wahl des EU-Parlaments zeigte sich, dass die Abgeordneten im Bundestag sehr unterschiedliche Ideen dazu haben, wo es mit Europa hingehen soll. Bei einer Vereinbarten Debatte wurde am 12. April deutlich, wie weit die Vorstellungen auseinander liegen und wo die Parteien Schwerpunkte setzen: SPD, Linke und Grüne wollen europaweite Standards für's Soziale, Union und FDP wollen den freien Handel fördern und die AfD erwartet nichts Gutes von der Zusammenarbeit in der EU.
SPD: Steuern für Digitalkonzerne
Nach Ansicht von Bundesjustizministerin Dr. Katarina Barley (SPD), Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Europawahl, müssen die EU-Bürger konkret spüren, "dass Europa ihnen Schutz gibt". Es brauche einen europaweiten Mindestlohn, faire Mitbestimmung in allen Mitgliedstaaten und eine Besteuerung von Digitalkonzernen wie Facebook und Google "genau wie beim Buchhändler an der Ecke". Gäbe es diese Maßnahmen schon, hätte es den Brexit nicht gegeben, glaubt Barley.
Linke: Gegen die soziale Spaltung
Eine "Politik, die Europa sozial zusammenführt und nicht auseinandertreibt", forderte auch Linken-Parteichef Bernd Riexinger. Nicht der Brexit habe die EU in die Krise gestürzt, sondern die tiefe soziale Spaltung, für die hauptsächlich die konservativen Parteien verantwortlich seien. "Die Alternativen liegen auf der Hand", sagte Riexinger und nannte Mindestlöhne, Mindeststeuern für Konzerne und eine Digitalsteuer als Maßnahmen gegen Lohndumping, Pflegenotstand und mangelhafte öffentliche Infrastruktur.
Grüne: Koalition tritt auf der Schwelle
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Dr. Anton Hofreiter, wünschte sich von der Großen Koalition "Kraft zum Aufbruch in Europa". Stattdessen gebe es aber keine "substanzielle Antwort" auf die Reformvorschläge des französischen Präsidenten Macron. Auch bei dem steht die Zähmung der Internetkonzerne ganz oben auf der Liste. Hofreiter betonte, die EU sei "die beste Antwort, die wir haben auf die ganz großen Herausforderungen" – die Koalition trete aber bei allen wichtigen Dingen auf der Stelle.
Union: Wohlstand durch Wirtschaft
Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) stellte klar, seine Fraktion lehne nationale Alleingänge für Europa ebenso ab wie "sozialistische Fantasien". Der Wohlstand der EU basiere auf einer sozialen Marktwirtschaft und freiem und fairem Welthandel. Auch seine Fraktionskollegin Katja Leikert meinte, die EU-Staaten müssten wettbewerbsfähiger und "europäische Champions" (also erfolgreiche Unternehmen) gefördert werden, damit es Wohlstand für alle in Europa gibt.
FDP: Bundesregierung lähmt die EU
Nicola Beer, Spitzenkandidatin der FDP bei den Europawahlen, kritisierte die andauernden Brexit-Verhandlungen als "Selbstbeschäftigung der Europäer", die eine Debatte über wichtige Zukunftsfragen blockiere. Die EU sei nahezu handlungsunfähig, auch weil die Bundesregierung, "jeden Versuch, den Kontinent mit innovativen Ideen voranzutreiben", lähme.
AfD: Kritik an der EU
Dr. Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD, ist kein Freund der EU. Seine Sichtweise ist: "Eurokraten" versuchten, die "Vereinigten Staaten von Europa als industrialisiertes, von Windrädern durchzogenes Siedlungsgebiet, in dem die Identitäten abgeschafft sind und das Einwanderern aus aller Welt offensteht", zu schaffen.
So weit ein grober Überblick über die Standpunkte der Fraktionen. Wer wissen möchte, wie sie sich die EU in Zukunft im Detail vorstellen, kann sich hier das Video anschauen.
(DBT/ah)