Kurz erklärt Warum ist der Bundestag so groß?
Groß, größer, Bundestag. Bestimmt habt ihr es schon mitbekommen: 733 Abgeordnete haben es ins neu gewählte Parlament geschafft. So viele wie noch nie – und doch weniger, als manch einer im Vorfeld befürchtet hatte. Aber warum wird der Bundestag überhaupt immer größer?
Es wird voller im Bundestag, zumindest ein bisschen. 733 Abgeordnete zählt das neu gewählte Parlament. Das sind rund zwei Dutzend mehr als in der vergangenen Legislaturperiode und fast 100 mehr als nach der Wahl im Jahr 2013. Dabei gehörte der Bundestag schon damals zu den größten Parlamenten der Welt. Jetzt ist er also nochmal gewachsen – woran liegt das?
Direktkandidaten und Landeslisten
Dass der Bundestag so groß ist, hat mit unserem Wahlrecht zu tun. Mit sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandaten, um genau zu sein. Aber fangen wir von vorne an: Jeder Wähler und jede Wählerin hat zwei Stimmen. Mit der Erststimme wählt man die Person, die den eigenen Wahlkreis im Parlament vertreten soll. Insgesamt gibt es in Deutschland 299 solcher Wahlkreise. Wer dort die meisten Erststimmen erhält, bekommt ein Direktmandat, eine Art direkte Eintrittskarte in den Bundestag.
Die Zweitstimme hingegen entscheidet darüber, wie stark die Parteien im Parlament vertreten sind – also wie viele Abgeordnete sie in den Bundestag entsenden dürfen. Konkret läuft das so: Die Wählerinnen und Wähler machen bei der Wahl ihr Kreuz bei der Partei, deren Politik sie gut finden. Die wiederum stellt eine sogenannte Landesliste auf, also eine Liste mit Politikerinnen und Politikern, die die Partei nach Berlin schicken will.
Wie viele von ihnen tatsächlich ins Parlament einziehen, hängt vom Votum der Wählerinnen und Wähler ab. Je mehr Stimmen eine Partei bekommt, desto mehr Politikerinnen und Politiker schaffen es in den Bundestag. Von den gewonnen Mandaten werden dann zunächst die Direktmandate abgezogen, die übrigen gehen an die Kandidatinnen und Kandidaten auf der Landesliste. Aber wieso wächst der Bundestag?
Überhang- und Ausgleichsmandate
Laut dem Bundeswahlgesetz zählt das deutsche Parlament im Normalfall 598 Mitglieder. Die Hälfte von ihnen wird in den Wahlkreisen direkt gewählt, die andere Hälfte zieht über die Landeslisten der Parteien in den Bundestag ein. So weit, so gut. Doch was passiert, wenn eine Partei mehr Direktmandate bekommt, als ihr über die Zweitstimmen an Sitzen im Bundestag zustehen?
Dann spricht man von sogenannten Überhangmandaten. Die Gewinner aus den Wahlkreisen ziehen nämlich in jedem Fall in den Bundestag ein. Das bedeutet also: Eine Partei kann mehr Mitglieder ins Parlament schicken, als ihr der Anteil an Zweitstimmen verspricht. Die Folge ist ein größerer Bundestag.
Überhangmandate bedeuten allerdings nicht nur mehr Sitze im Parlament. Sie haben auch zur Folge, dass sich das Größenverhältnis der Fraktionen im Bundestag ändert – und damit nicht mehr dem Anteil der Zweitstimmen entspricht. Damit das für die Parteien, die keine oder weniger Überhangmandate haben, nicht unfair ist, haben die Abgeordneten im Jahr 2013 eine Reform beschlossen: Seitdem gibt es sogenannte Ausgleichsmandate. Das heißt, die Gesamtzahl der Sitze wird solange erhöht, bis das Größenverhältnis der Fraktionen wieder das Zweitstimmenergebnis wiederspiegelt.
Wie soll es weitergehen?
Weil der Bundestag dadurch seine Regelgröße weit überschreitet, gab es im vergangenen Jahr noch eine Reform des Wahlrechts. Wirklich einig waren sich die Fraktionen bei dem Thema allerdings nicht, deshalb hat der Bundestag am Ende einen Kompromiss beschlossen: Zwar sollen Überhangmandate weiterhin ausgeglichen werden, allerdings erst nach dem dritten Mandat. Außerdem soll ab 2024 die Zahl der Wahlkreise auf 280 schrumpfen.
Kritikern geht die Reform jedoch nicht weit genug. Schließlich ist der Bundestag auch in diesem Jahr wieder gewachsen. Und das hat Folgen, auch für die Parlamentsarbeit: Mehr Abgeordnete wollen während der Debatten zu Wort kommen, es braucht mehr Sitze im Plenarsaal und mehr Räume im Bundestag. Gut möglich also, dass das Wahlrecht auch den kommenden Bundestag in den nächsten vier Jahren begleiten wird.